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SPECIAL zu Catherine Aurel - »GRIMALDI - Der Fluch des Felsens«

Catherine Aurel im Interview

Wie kamen Sie darauf, die Geschichte des Aufstiegs der Grimaldi zu erzählen?

Die Idee trage ich schon seit vielen Jahren, ja fast schon seit Jahrzehnten mit mir herum: Anfang
Zwanzig habe ich einen dreiwöchigen Sprachkurs in Nizza absolviert, und während am Vormittag
Französischpauken angesagt war, unternahm ich am Nachmittag Ausflüge in die Umgebung.
Hier zeigte mir die Côte d'Azur nicht nur das grell geschminkte Gesicht des Jetsets, wo einzig
Luxusjacht, Klunker und Blitzlicht zählen, sondern ein viel sympathischeres: Als Fan von „alten
Steinen“, d.h. Ruinen, die von längst vergangenen Zeiten und erlebten Kämpfen künden, kam ich
voll auf meine Kosten.

Insbesondere Monaco sah ich durch die Brille der Historikerin, also nicht als den bei der Yellow-
Press beliebten Operettenstaat oder die bei den Superreichen beliebte Steueroase, sondern als einen
schroffen, rauen, eigentlich unbewohnbaren Felsen, der im Mittelalter für eine aus Genua verbannte
Familie zur neuen Heimat und Zukunftshoffnung wurde: den Grimaldi. Deren Geschichte, so habe
ich mir schon damals vorgenommen, würde ich irgendwann schreiben.

Sie erwecken ja eine ganze Reihe historischer Persönlichkeiten zum Leben. Welcher Grimaldi
ist Ihnen beim Schreiben besonders ans Herz gewachsen?


Eine der größten Herausforderungen war es, aus historischen Persönlichkeiten, von denen nichts
weiter als ihre Geburts- und Sterbedaten, Familienverhältnisse und Verwicklung in diverse
politische Ereignisse bekannt sind (häufig nicht einmal das), Menschen aus Fleisch und Blut zu
machen. Die zeitgenössischen Chronisten waren nämlich nicht an Zwischenmenschlichem
interessiert, schenkten dem Charakter eines Menschen und seinen Wünschen, Sehnsüchten und
Träumen also wenig bis gar keine Aufmerksamkeit. Diesbezüglich habe ich sehr viel erfunden, auch
auf die Gefahr hin, einer historischen Figur Unrecht zu tun, weil sie womöglich sympathischer oder
unleidlicher war, als ich sie schildere.

Mir persönlich am nächsten standen weniger die Grimaldi, die um die Macht in Genua kämpften,
als Piraten die Meere unsicher machten oder Monaco eroberten, folglich auf Waffengewalt (und
manchmal List) setzten, sondern eher Männer wie Rabella Grimaldi, den ich als Juristen und
Gelehrten beschreibe und der nicht von Landbesitz und Geld, sondern von einer überreich gefüllten
Bibliothek träumt.

Was kann die Leserin von heute von der Geschichte der Grimaldi lernen? Haben Sie aus dem
dramatischen Familiensschicksal auch etwas für ihr eigenes Leben mitgenommen?


Das zentrale Thema meiner Geschichte ist jener Fluch, der – einer alten Legende zufolge – seit dem
Mittelalter auf der Familie lasten soll und auch heutzutage noch Erwähnung findet, wenn wieder
mal ein Unglück über die Grimaldi hereinbricht. Doch obwohl ich die Hintergründe dieser Legende
beleuchten wollte, lautet meine klare Botschaft, dass es am Ende nicht dieser Fluch bzw. eine
feindlich gesinnte Schicksalsmacht war, die den Grimaldi oft das Leben schwer machte. Es waren
vielmehr Fehlentscheidungen, Familienstreitereien oder die Unfähigkeit, zu verzeihen, die schon im
Mittelalter manche existenzbedrohende Krise auslösten. Der Appell, der sich daraus ergibt – nicht
mit dem „bösen“ Schicksal zu hadern, sondern Verantwortung für das Leben, das Lieben und
manchmal auch das Scheitern zu übernehmen –, gilt natürlich auch für alle „Normalsterblichen“.

Es war bestimmt aufwendig, die große Fülle von historischen Fakten zu diesem Roman zu
recherchieren. Welche Fakten oder Erkenntnisse haben Sie dabei am meisten überrascht?


Als Historikerin lag der Reiz vor allem darin, aus Monaco ein Kaleidoskop europäischer Geschichte
zu machen. Obwohl die Grimaldi nach ihrer Verbannung aus Genua im Jahr 1297 nur den winzigen
Felsen namens Monaco eroberten, hatten sie doch bei vielen großen Konflikten ihrer Zeit die Hände
im Spiel: Raniero Grimaldi gewann für die Franzosen die Schlacht von Zieriksee, die über die
Zukunft des damals noch jungen Holland entschied. Sein Sohn Carlo focht wichtige Schlachten im
100-jährigen Krieg, der zwischen Frankreich und England tobte, aus. Spannend fand ich überdies,
dass man die Geschichte der Grimaldi im Mittelalter nicht erzählen kann, ohne auch Simone
Boccanegra vorzustellen: den aus Verdis gleichnamiger Oper bekannten ersten Dogen Genuas. Er
war mit den Grimaldi von Monaco verfeindet, musste ihretwegen die Genueser Flotte aufrüsten
lassen und machte dadurch horrende Schulden, die langfristig zur Gründung von San Giorgio,
einem der ersten Bankhäuser der Geschichte, führten. Es erscheint mir als Ironie, dass die Anfänge
des modernen Kapitalismus so eng mit dem Namen Grimaldi verknüpft sind.

Haben Sie einen Lieblingsort in Monaco?

Wenn ich ehrlich bin, hat Monaco, vielleicht abgesehen von der Altstadt, den Charme einer
Plattenbausiedlung. Am schönsten finde ich den „Felsen“, wenn man ihn von dem Ort La Turbie im
Hinterland betrachtet, denn dann wirken auch die Hochhäuser winzig klein und man kann sich
einreden, dass die Luxusjachten und Kreuzfahrtschiffe, die vor dem Hafen kreisen, in Wahrheit
mittelalterliche Galeeren sind.

Wie sehen Sie die Grimaldi heute, nach allem, was Sie über deren Geschichte in Erfahrung
gebracht haben?


Die Fragen, was Fürstin Charlène beim Rosenball getragen hat, oder wieviel Wörter nebst eisigen
Blicken Caroline und Stephanie beim Nationalfeiertag ausgetauscht haben, gehört weiterhin nicht
zu den existenziell bedeutsamen für mich. Trotzdem schmökere ich in der Bunten & Co. jetzt mit
etwas anderen Augen. Nachdem ich so viel Zeit mit ihren Vorfahren verbracht habe, fühle ich mich
ein wenig wie die Ur-Ur-Ur-Großmutter von Jacques und Gabriella. Zugleich fallen mir Details auf,
die für die üblichen klatschaffinen Leser wenig relevant sind. Hinsichtlich der Ehe von Caroline
und Ernst August finde ich es z.B. weniger faszinierend, ob auf ihren Beziehungsstatus nun
„kompliziert“ oder „nicht-existent“ zutrifft, sondern vielmehr dass Ernst August aus dem Haus der
Welfen stammt, mit dem schon die Genueser Grimaldi im Mittelalter – allesamt bekennende
„Guelfen“ – sympathisierten.