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Rezensionen zu
Erschütterungen

Joachim Gauck, Helga Hirsch

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€ 24,00 [D] inkl. MwSt. | € 24,70 [A] | CHF 33,50* (* empf. VK-Preis)

!SPOILER! Der russische Überfall auf die Ukraine bedroht unsere liberale Demokratie in einem Moment, in dem sie zugleich auch von innen unter Druck steht. Wie ist es dazu gekommen? Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck geht gemeinsam mit seiner Co-Autorin Helga Hirsch der Frage nach, weshalb das Vertrauen vieler Bürger in unsere liberale Demokratie erschüttert ist. Was bedroht unsere Demokratie von innen heraus? Welche Rolle spielen autoritäre und libertäre Dispositionen in Krisenzeiten? Wie viel Einwanderung verträgt eine Demokratie? Sehr eindrücklich und zum Teil auf persönliche Weise zeigt Joachim Gauck, wie in den letzten Jahren so manche Gewissheit über die Stabilität unserer Demokratie verloren ging – und wie es uns gelingen kann, auch in Zukunft unsere liberalen Freiheiten zu verteidigen und tatsächlich eine wehrhafte Demokratie zu werden. Der Leser stellt sofort fest, dass unseren ehemaligen Bundespräsidenten viele Fragen beschäftigen. Deutlich kann der Leser zwischen den Zeilen erkennen, wie erschrocken Gauck über die Gewaltausbrüche – auch gegen die staatlichen Organe wie Polizei – ist. Auch macht er sich Sorgen über die reaktionären und verfassungsfeindlichen Aktivitäten. U.a. hat er Angst um die Stabilität der Demokratie und stellt sich und dem Leser die Fragen: Ist unsere Gesellschaft bereit, die Demokratie entschlossen zu verteidigen? Warum fehlt uns das Bewusstsein von der Kraft unserer Werte? Warum entwerfen Politiker und Intellektuelle geschönte Wirklichkeiten? Das Buch ist sehr feinsinnig geschrieben und rüttelt den Leser in vielen Punkten auf. Er animiert zum Nachdenken und zeigt die Grenzen unserer Demokratie auf. Trotzdem versucht er aufzuzeigen, wie es uns gelingen kann, unsere liberalen Freiheiten zu verteidigen und tatsächlich eine wehrhafte Demokratie zu werden. Allerdings verbunden mit viel Arbeit, Toleranz und Respekt! Ein sehr interessantes Buch, das zum Nachdenken anregt!

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GAUCK war als Bundespräsident – und ist jetzt in der Zeit danach – ein Mann der starken, wohl gesetzten Worte. Diese Kompetenz setzt er in seinem neuen Buch engagiert ein, um seinen Sorgen um die Zukunft unserer Demokratie Ausdruck zu verleihen. Mit der Co-Autorin, der Publizistin Helga HIRSCH, arbeitet GAUCK schon lange zusammen; da das Buch aus der Ich-Perspektive GAUCKs geschrieben wurde, werde ich im Folgenden nur noch ihn als Autor nennen. Im ersten Teil des Buches geht es um die Erschütterungen im Zusammenhang mit der außenpolitischen und militärischen Zeitenwende nach dem russischen Angriff auf die Ukraine. GAUCK geht die Sache zunächst gleich auf mehreren Ebenen historisch an: – Er setzt sich kritisch mit der deutschen Ostpolitik auseinander, der er in der zweiten Phase – also nach dem Zerfall der UDSSR – große Versäumnisse vorhält. – Er schildert die Entwicklung des Putin-Russlands zu einem autoritären, nationalistisch-imperialistischen Staat. – Die Geschichte der Ukraine wird daraufhin analysiert, wie sich aus ihrer wechselhaften Geschichte eine nationale Identität entwickeln konnte. – Besonders kritisch bewertet GAUCK den – aus seiner Sicht ignoranten und verantwortungslosen – Umgang der deutschen Politik mit den Übergriffen Putins auf die Krim und die Ost-Ukraine im Jahr 2014. Als Schlussfolgerungen aus diesen – mit vielen Sachinformationen unterfütterten – Betrachtungen gelangt GAUCK zu einer eindeutigen Positionierung: Es bleibe für Europa allgemein und für Deutschland im Besonderen keine Alternative zu einer massiven Verstärkung der militärischen Verteidigungsfähigkeit. Diese Maßnahmen müssten begleitet und getragen sein durch eine entsprechende Bereitschaft, sich weiteren imperialistischen Vorstößen im Ernstfall auch mit Waffengewalt entgegenzustellen – und so unsere freiheitlich-demokratische Lebensform zu erhalten. Der zweite Teil des Buches wendet sich der innergesellschaftlichen Situation zu. GAUCK skizziert vor allem drei kritische Entwicklungslinien, durch die er die Stabilität unseres Gemeinwesens zwar nicht akut bedroht, aber tendenziell gefährdet sieht: – In Krisen- und Überforderungszeiten bestehe grundsätzlich die Gefahr, dass der zu Autoritarismus neigende Teil der Bevölkerung für Parolen und Scheinlösungen rechter Populisten anfällig würden. – Eine neue extrem libertäre Bewegung zeige einen übersteigerten Individualismus, der staatliche Regelungen prinzipiell als freiheitseinschränkend bewerte und nur noch eigene Haltungen und Interessen als Maßstab anerkenne. – Sorgen machen dem Autor auch die Auswüchse einer „woken“ Bewegung, deren dogmatischer Kampf gegen „weißen Rassismus“ eher zu einer neuen Spaltung der Gesellschaft beitrage. GAUCK appelliert leidenschaftlich an die demokratische Mitte der Gesellschaft, aktiv Verantwortung für den Erhalt unserer liberalen Demokratie zu übernehmen und damit diesen Fehlentwicklungen eine engagierte Zivilgesellschaft entgegenzusetzen. Als Leser/in kann man den Informationen und Argumentationslinien sehr gut folgen. Der Text ist hervorragend strukturiert, die Sprache ist schnörkellos und klar. GAUCK versteckt sich mit seinen Überzeugungen nicht: Er hat ein Meinungsbuch geschrieben, er will überzeugen. Aber er führt für seine Sichtweisen jede Menge Begründungen ins Feld, taucht dabei in einer Tiefe in historische Details ein, die erhellt, zugleich aber nicht überfordert. GAUCK legt an den entscheidenden Stellen auch offen, dass seine Werte und Überzeugungen durch seine persönliche Lebensgeschichte geprägt wurden: Seine hohe Gewichtung der demokratischen Rechte stammt nicht aus der gelebten Selbstverständlichkeit, sondern aus der Perspektive eines Freiheitskämpfers in einem Unrechtsstaat. Ohne Zweifel untermauert der Ex-Bundespräsident auch mit diesem Buch sein Renommee als eine moralische Instanz im aktuellen gesellschaftlichen Diskurs. Seinen genauen Beobachtungen und klugen Schlussfolgerungen kann man – soweit man sich nicht an den Rändern des politischen Spektrums bewegt – in weiten Teilen problemlos folgen. Das trifft insbesondere auf seine Mahnung an die politischen Entscheidungsträger zu: Deren Aufgabe sei es nämlich, in kritischen Phasen die als notwendig erkannten Transformationsschritte auch gegen Widerstände und populistische Meinungsmache durchzuhalten – statt sich wahltaktisch auf „die Stimme des Volkes“ in Meinungsumfragenzu beziehen. Auf zwei Punkte sei trotzdem hingewiesen: – Einen Teil seiner Leserschaft wird GAUCK vermutlich mit einigen Formulierungen zu der relativen Bedeutung von „Freiheit“ und „Leben“ irritieren. Die von ihm aufgestellte Forderung, man müsse für die Verteidigung der Freiheitsrechte im Extremfall auch bereit sein, sein Leben (im militärischen Kampf) einzusetzen, ist im Nachkriegs-Deutschland (mit seiner eher pazifistischen Grundhaltung) sicher nicht unumstritten. – Zwar muss sicherlich nicht jedes Buch ein Klimabuch sein – trotzdem kommt die epochale Auseinandersetzung um die Umsteuerung von einer fossilen zu einer nachhaltigen Wirtschafts- und Lebensweise in dem Text eindeutig zu kurz. Hier spürt man, dass GAUCKs Biografie durch andere Themen bestimmt wurde. Diese – allerdings – weiß er mit einer kaum zu übertreffenden Klarheit zu vermitteln. Man nimmt ihm seine Erschütterung über die dargestellten aktuellen Risiken ohne Zweifel ab.

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