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Rezensionen zu
BÄR

Marian Engel

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Bär

Von: Bearnerdette

17.03.2022

Eine Archivarin übernimmt den Auftrag in ein Haus in der kanadischen Wildniss zu ziehen, um die Sammlung eines verstorbenen Colonels zu katalogisieren. Für einige Monate soll sie alleine in dem alten Haus leben, nach Schätzen in der Sammlung der Vorbesitzer suchen und - zu ihrer Überraschung - den zum Haus gehörigen Bären versorgen. Mit der Zeit kommt die Frau dem Bären immer näher... Wow, was hat dieses skurrile Buch für eine Sogwirkung. Bär von Marian Engel schafft auf wenigen Seiten viel, erzählt eine bizarre Geschichte über eine Frau, die sich selbst findet indem sie eine Beziehung zur Natur aufbaut, und das über normale Grenzen hinaus (Sodomie wird thematisiert, seid gewarnt). Die Hauptfigur findet sich zwischen Begehren und Angst, Freiheit und Abgeschiedenheit wieder, beginnt sich und ihre eigenen Ansprüche und ihr Gelüste zu erforschen. Ich kann nicht einmal genau sagen, warum mich dieses Buch so gefesselt hat, aber das hat es.

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Kein neuer Roman, dieses Buch „Bär“ von Marian Engel. Es ist eines dieser wiederentdeckten Bücher, das zwar in den 70er Jahren erschien, aber zeitlos ist. „Wenn mir die Erfahrung nicht wieder weggenommen werden soll, dachte sie, muss ich sofort damit anfangen, sie zu machen.“ (S. 51) Es geht um Lou, die an einem historischen Institut in Toronto arbeitet. Eine Frau im mittleren Alter, die bisher nur mittelmäßige Erfahrungen gemacht hat, langweilige Männer leid ist und ihre Arbeit liebt: das archivieren. Nun darf sie sich auf machen in den Norden, denn das Institut hat ein Haus geerbt in dem eine staatliche Bibliothek untergebracht ist und Lou soll dort hin in den wilden hohen Norden auf die Insel, in das Fowler-Oktagon und die Bibliothek sichten und katalogisieren. Es ist nicht nur ein Haus fern ab der Zivilisation, es ist ein Haus mit Bär, der auch dort lebt. Sie nähern sich an und durch Lous Einsamkeit und neuergründeten Autonomie wird mehr aus ihr und dem Bären als es sein dürfte. „Ist ein Leben, dass sich plötzlich als Abwesenheit entpuppt, überhaupt ein Leben?“ (S. 18) Ein Roman der sachlich darlegt; weder kitschig noch verklärt daherkommt. Ein Roman der eine Frau in der Wildnis porträtiert, die auf einen domestizierten Bären trifft, der natürlich weiterhin ein wildes Tier ist und bleibt. Die Autorin schrieb in klarer Prosa, aber abgewandt vom blühenden nature writing. Die Ambivalenz der Protagonistin, wenn sie die Veränderungen an sich selbst wahrnimmt, eine neugewonnenen Selbstbestimmtheit. Sie nimmt gar eine Rolle der Unterdrückerin gegenüber dem Bären ein, aber entronnen der eigenen Unterdrückung. „Dir fehlt der Stolz, dir fehlt das Gespür für dich selbst.“ (S. 166) Ein starker Roman, der viele Elemente hat, die noch heute diskussionswürdig sind und hier angerissen werden im Jahr 1976: Wenn es um die first nations geht, um Kolonialisierung, um die Rolle der Frau und das alles kondensiert in einem Sommer im wilden Kanadischen Norden, denn Lou mit dem Bär verbringt und sich selbst entsteigt. Ja, ein starker Roman, aber ob es der beste kanadische Roman aller Zeiten ist wie es auf unter dem Titel der Neuauflage des btb Verlages heißt, sei mal dahingestellt. Aber ich kann diese Neuauflage sehr empfehlen, denn das Nachwort zum Roman der Schriftstellerin Kristine Bilkau ist sehr erhellend und komplementiert den Roman erheblich.

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Das ist - oh Leute, ich glaub, mehr als diese beiden Worte schaff ich nicht, ohne zu spoilern. Es geht um Sex mit einem Bären. So, jetzt isses raus. Allerdings wäre "Bär" nicht der „beste kanadische Roman aller Zeiten“ (The National Post), wenn er sich inhaltlich nur auf meinen slightly reißerischen Satz reduzieren ließe. Intellektuell übersteigt dieses Buch meine Fähigkeit, die Anzahl der möglichen Interpretationsebenen auch nur zu zählen, geschweige denn, sie auszuformulieren. (Zum Glück muss ich das auch gar nicht, denn das macht Kristine Bilkau in ihrem Nachwort schon ganz großartig.) Die Bibliothekarin Lou recherchiert den Nachlass eines europäischen Kolonialisten, der sich in Kanadas Norden ein oktagonales und auch sonst seltsam außerirdisches Inselrefugium erschaffen hat, inklusive einer Bibliothek und einem angeketteten Bären. Mit dem Lou - klar, ist ja sonst niemand auf der Insel - ein intimes Verhältnis beginnt. Die Schilderung der Emanzipation Lous, die in eine Dominationsphantasie umschlägt, von der sie gewaltsam befreit wird, ist ein intensives feministisches Manifest. Es passiert eine Umkehrung der f*ing gender roles, wobei der Bär verschiedene Metamorphosen durchläuft: der Bär als Symbol der weiblichen Unterwerfung, als Symbol des Widerstands, als Symbol der ökologischen Ausbeutung, you name it. So ein kluges, vielschichtiges Werk, ich bin voller Begeisterung und Lob - und trotz allem muss ich kurz anmerken, dass ich kein Verständnis für die unreflektierte Verwendung der Bezeichnung „Indianer“ in einem von Marian Engel zwar 1976 so verfassten, aber nun ja frisch aufgelegten Buch habe, während ich selbst so viel Mühe aufwende, meinen Kindern immer wieder zu erklären, dass dies ein missverständlicher und abwertender Begriff für die Angehörigen indigener Völker Amerikas ist. Dennoch ganz klare, ganz große Leseempfehlung!

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