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Rezensionen zu
Täuschung

Maggie Haberman

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€ 36,00 [D] inkl. MwSt. | € 37,10 [A] | CHF 47,90* (* empf. VK-Preis)

Es spielen sicher auch Sensationslust und Masochismus mit, wenn man immer wieder Bücher über Donald Trump liest. Wozu noch etwas über einen Typen erfahren, der außer Narzissmus nichts zu bieten hat? Deshalb: Weil es einfach viel zu viele Leute gibt, die auf so einen wie Trump hereinfallen und meinen, dass er ihr neuer Heiland ist, der sich für sie interessiert und weil das gefährlich für unsere Demokratien werden kann. Der Herdentrieb war immer schon und ist weiterhin das Werkzeug, dessen sich alle wirklichen und Möchtegern-Despoten bedienen. Ein Werkzeug, das seinen Dienst nie versagt, wenn vorne einer steht und nur laut genug brüllt. Man kann also nie genug über die Methoden solcher Leute wie Trump (gilt gleichermaßen auch für solche wie Putin, Orban, Erdogan, Bolsonaro, …) erfahren, wenn man daran mitwirken möchte, Demokratie und Freiheiten zu erhalten. Wie Trump begann … Das Buch beginnt mit einem kurzen biografischen Blick auf Trumps Jugend; ob und wann er damals moralisch und charakterlich falsch abgebogen ist, lässt sich hier nicht herauslesen. Feststellen lässt sich aber, dass Trump im Geschäftsleben von Beginn an rücksichtslos und verlogen agiert hat. „Trump first“ war damals schon sein Leitspruch und ist es durchgehend bis heute geblieben (unglaublich wie viele Amerikaner glauben, dass Trump „America first“ wirklich ernst meint). Wie Trump sich schon seit Beginn seiner Tätigkeit als Unternehmer verhielt, das setzt er quasi 1:1 fort, als er ins Weiße Haus einzog. Eines dokumentieren die Kapitel über die 1970er und 1980er auch ganz allgemein: wie eine Riege besonders rücksichtsloser Akteure zwar alles daran setzt, den Staat zu diskreditieren, gleichzeitig aber andauernd nach Möglichkeiten sucht, an die Steuertöpfe gelangen, um – unter welchen Titeln auch immer – möglichst viel davon in die eigene Tasche abzuzweigen. Alles in bestem Einvernehmen mit korrupten Politikern und Beamten. Hat sich seit damals etwas verändert? Sieht man sich die Riege vor allem der Politiker der US-Republikaner an, dann drängt sich die Gewissheit auf, dass weiterhin munter abgecasht wird (wobei es blauäugig wäre zu glauben, solche Machenschaften gäbe es nur in den USA). … zur Gefahr für ein ganzes Land zu werden. Bereits bei den ersten Vorwahl-Veranstaltungen im Jahr 2016 (und später bei allen Veranstaltungen, zu denen die Trump-Anhänger strömen) war zu sehen, womit man es zu tun bekommt, wenn Trump gewählt wird. Er hetzte die fanatisierte Masse gegen einzelne Personen auf, seinen es Gegendemonstranten oder Pressevertreter, und sah genüsslich zu, wenn es dann tatsächlich zu gewalttätigen Übergriffen kam. Ein Muster, das sich bis zum Sturm auf das Capitol am 6. Jänner 2021 durchzieht. Ein beliebtes Mittel, um politische Gegner einzuschüchtern wurde für Trump auch, deren Kontaktinformationen zu veröffentlichen. Viele der davon Betroffenen wurden daraufhin von Fanatikern bedroht und mussten für sich und ihre Familien um ihr Leben fürchten. Es ist wohl ein Zufall, dass es im nach Waffen verrückten Amerika zu keinen Anschlägen kam. Auch die grundsätzliche Weigerung, Niederlagen bei Wahlen zu akzeptieren, war schon von Anfang an vorhanden. Als er bei der Vorwahl der Republikaner in Iowa, also der eigenen Partei, nicht gewann, brüllte er sofort „Betrug“. Er drohte, kündigte Klagen an – also noch ein wiederkehrendes Muster. Erwähnenswert dabei ist, dass auch Rudy Giuliani, Trumps verhaltensauffälliger Lakai, auch schon in den 1990er-Jahren laut „Betrug“ schrie, als er eine Wahl verlor. Man liest in Summe sehr detailliert nach, wie Trump und seine Helfer durchgehend mit Lügen, Verleumdungen, Drohungen, Intrigen, persönlichen An- und Übergriffen, Eitelkeit und Überheblichkeit agierten. Und wie das keinesfalls breite Schichten der Bevölkerung abschreckte, sondern im Gegenteil unglaublich viele Menschen anzog. Ein erschreckendes Bild einer Gesellschaft, die, wie sich bei Trumps Kampagnen zeigt, Rassismus, Gewalt, Homophobie und Sexismus nicht nur als ganz normal ansieht, sondern aktiv unterstützt. Eines muss man Trump jedenfalls zugutehalten: Er hat nie verheimlicht, dass er ein geltungssüchtiger Egoist ist, dem es immer nur um sich selbst geht und dem wirklich jedes Mittel recht ist, um zu gewinnen. Geht es aber um die Verantwortlichkeiten als Präsident, so ist Trumps Interesse minimal und Wissen und Lernfähigkeit bei ihm meistens nicht vorhanden. Das ist der Grund, warum er einerseits sehr leicht beeinflussbar ist, andererseits aber aus Eitelkeit stur in noch so falschen Positionen verharrt; ein Trump kann eben nicht einfach zugeben, dass er etwas nicht weiß oder sich geirrt hat. Symptomatisch dafür ist Maggie Habermans Erinnerung an ein Telefonat mit Trump, in dem sie, gemeinsam mit einem Journalisten-Kollegen, etwas über Trumps Weltanschauung in Erfahrung bringen wollte. Ein Vorhaben, das misslang, denn der damalige Kandidat tätigte fortgesetzt sich selbst widersprechende Aussagen. Eine der wenigen, etwas konkreteren Positionen war seine positive Meinung zu Putin. Details und Analysen „Täuschung“ ist eine akribisch recherchierte Chronik vom Aufstieg eines Mannes, der niemals in eine solch einflussreiche Position hätte gelangen dürfen. Viele Details, darunter eine ganze Menge, die mir noch nicht bekannt waren, lassen erkennen, wie sehr Trump an der Auflösung der demokratischen Strukturen arbeitete und wie knapp er daran war, erfolgreich zu sein. Anzunehmen, dass er sich so etwas wie Putins Machtposition für sich selbst vorstellte; seine Bewunderung für den Kriegsherren im Kreml bekundet Trump ja bekanntlich bis heute. Trumps Arbeitspensum, ein paar Stunden tagsüber, so oft wie möglich zum Golfen ins eigene Resort, um dem Staat die Kosten für den Tross verrechnen zu können, entsprach mehr dem eines Teilzeitjobs. Zudem kümmerte er sich zuerst um Privates und darum, wie er selbst gut dastehen konnte, dringende Staatsangelegenheiten mussten da gegebenenfalls warten. Weil er zudem nicht in der Lage war, komplizierten Vorgängen zu folgen und sich auch nicht dafür interessierte, war Trump ein perfektes Ziel für Einflüsterer. Die wechselnden Unterstützer, die ebenso rasch wechselnden Mitglieder seines Teams, die Mitglieder der Trump-Familie, aus der insbesondere Donald Trump Jr. als völliger Wirrkopf noch herausragt, die wie selbstverständlich ihnen nicht zustehende Funktionen übernahmen – das stete Kommen und Gehen während des Wahlkampfes und während der vier Jahre der Regierungszeit macht es nicht einfach, den Überblick zu behalten, wer wann wofür zuständig war. Umso mehr, als mit Fortdauer der Trump-Präsidentschaft vorrangig Ja-Sager und Fundamentalisten statt der auch zuvor schon spärlich vertretenen Fachleute in Entscheidungspositionen gelangten. Zum Ende der Amtszeit übernahmen immer mehr die Einflüsterer aus dem extremen rechten Eck die Rolle der Berater und Vertrauten Trumps, was die Gefahr eines Staatsstreiches nach der verlorenen Wahl anwachsen ließ. Wie sehr das Parteiensystem der USA selbst krankt, sieht man daran, dass Trump zu Beginn des Wahlkampfes von vielen führenden Köpfen der GOP als untauglich abgelehnt wurde; dieselben Köpfe schlossen sich aber völlig kritiklos seinen Umtrieben an, sobald er gewählt war. Nur ein Beispiel von vielen: Vor dem Nominierungsparteitag der Republikaner bezeichnete Senator Ted Cruz Trump als eine Art Mussolini (ein überaus passender Vergleich, wie ich persönlich meine), nach der Wahlniederlage Trumps 2020 war er aber bei denen, die am lautesten die „Wahlbetrug“-Kampagne unterstützten. Cruz, selbst ein übler Hetzer, ist aber nur einer von vielen, der Überzeugungen aus selbstsüchtigen Gründen über Bord warf. Wie steht es um die US-Demokratie? Was bei der Lektüre dieses Buches für mich immer deutlicher wird, das ist das Grundproblem des politischen Systems der USA: Es gibt nur zwei Parteien, die Demokraten und die Republikaner, die jeweils in sich wieder ganz unterschiedliche Strömungen versammeln. Kleine Gruppen sind so in der Lage, weit mehr Einfluss zu gewinnen, als ihnen zusteht. Seit einigen Jahren (und natürlich massiv als Reaktion auf die Präsidentschaft Obamas) hat bei den Republikanern die extreme Rechte die Kontrolle übernommen. Dass sich keine weiten Parteien etablieren können, hat auch mit den immensen Wahlkampfspenden zu tun, die eben dorthin fließen, wo sich Unternehmen und Einzelpersonen die schnellte Umsetzung der eigenen Interessen erwarten. Erwarten und Erhalten, denn die Gewählten sind von diesen Geldflüssen abhängig Gemeinsames Handeln der beiden Parteien im Sinne des Landes ist eine Seltenheit, denn bei Abstimmungen stellt fast immer nur die Frage, wie man dem politischen Gegner schaden kann und nicht, wie man der Bevölkerung nützen kann. Angeheizt wird die kritische Stimmung durch die sogenannten Trumpisten, die nicht nur Trumps Lüge von der gestohlenen Wahl unterstützen und wiederholen, sondern ihrerseits noch mehr Lügen und Verschwörungsgeschichten verbreiten, um ihr Publikum aufzuwiegeln. Mangelnde Bildung, religiöser Fanatismus und weitgehend nicht vorhandene Mobilität von WählerInnen sind weitere Gründe dafür, dass die Demokratie in den USA seit Jahren praktisch permanent in Gefahr ist – Eine Entwicklung, die natürlich auch für uns in Europa bedeutsam ist. In einer Lage wie der aktuellen ist jede US-Wahl zugleich eine Entscheidungswahl, ob die Demokratie bestehen kann oder ob faschistische Kräfte gewinnen. So ist „Täuschung“ insgesamt eine Bestandsaufnahme einer gefährdeten Demokratie und einzementierter und unversöhnlicher Gegnerschaft zwischen zwei politischen und gesellschaftlichen Lagern. Eine Veränderung politischer Systeme, so wie wir sie immer wieder (bei allen Schwächen, die es auch bei uns gibt) in Europa 1) sehen, scheint nicht möglich, im Gegenteil verhärten sich die Fronten, angeheizt durch eben solche Demagogen wie Donald Trump einer ist. „Täuschung“ beschreibt die Vorgänge, die aus Medien und Büchern bekannt sind, fügt aber noch viele Hintergrundinformationen hinzu, die das Gesamtbild der Trump-Präsidentschaft vervollständigen. Ganz egal, wieviel man bisher über die Machenschaften Trumps gelesen und gehört hat – es ist noch erschreckender, ernüchternder, überraschender, als man annahm. Oder anders gesagt: es ist alles wahr, aber man kann (möchte) es kaum glauben.

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