Von:
Isabell Rosenkranz
02.11.2021
Alt und verwahrlost, mit Bierbauch und dafür ohne Wohnung schlurft er durch die Straßen, immer auf der Suche nach der nächsten Möglichkeit, um an Alkohol zu kommen – der Alkoholiker, wie er im Buche steht.
Oder eben nicht, denn wie klischeehaft dieses Bild tatsächlich ist und dass es nicht nur diskriminiert, sondern auch gefährlich werden kann, davon schreibt die Autorin Nathalie Stüben in ihrem Buch „Ohne Alkohol Die Beste Entscheidung Meines Lebens“.
Dabei stellt sie die gängigen Vorstellungen unter ein grelles Licht und pocht nach und nach das Bild des Klischee-Alkoholikers auf, um zu zeigen, dass Alkohol „nicht diskriminiert“ und ihrer Meinung nach jede_r betroffen sein kann.
Dass man damit aber nicht unbedingt ein typisches Sachbuch in den Händen hält, wird schon nach den ersten Seiten klar, denn es ist auch das Porträt ihrer eigenen Leidensgeschichte.
Die Leser_innen erfahren in episodenhaften Abschnitten aus dem Leben der Autorin, doch nicht nur sie selbst, sondern auch zahlreiche „Leidensgenossen“ kommen durch kurze Einschübe darin zu Wort, die Nathalie Stüben in ihrer langjährigen Erfahrung mit Alkoholsüchtigen kennengelernt hat.
Sie kritisiert die Gängigkeit des Alkohols und hinterfragt ganz grundsätzlich das Kulturgut „Alkohol“. Sie erläutert, weshalb „Schöntrinken“ nicht Kur, sondern Übel ist und warum die Menge des Alkohols nicht unbedingt einen Indikator für Alkoholismus darstellt. Ein vollständiges Kapitel lang beschäftigt sie sich außerdem mit den AA (Anonymen Alkoholikern), dabei fallt die Vorgeschichte zum Ursprung der AA und die anschließende Debatte über deren Verständnis von Alkoholismus leider etwas langatmig aus.
Lohnenswert ist das Buch „Ohne Alkohol Die Beste Entscheidung Meines Lebens“ jedoch trotzdem ohne Zweifel, da neben wissenschaftlichen und philosophischen Einblicken auch persönliche Einblicke in alle Bereiche des Alkoholkonsums und des Alkoholismus gegeben werden und die wissenschaftliche Aufarbeitung des Themas in fast schon romanhafte Abschnitte gebettet wird.
Ein Cocktail also aus Fakten und autobiografischen Phasen. Ein Mix aus Recherche und persönlicher Rückschau. Ein klar antialkoholischer Drink aus Roman und Sachbuch, der es sicher wert ist, bis zum letzten Schluck ausgekostet zu werden.