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Rezensionen zu
Aber es wird regnen

Clarice Lispector, Benjamin Moser

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€ 22,00 [D] inkl. MwSt. | € 22,70 [A] | CHF 30,50* (* empf. VK-Preis)

In Südamerika ganz gross, in Europa eher unbekannt – die Autorin Clarice Lispector. Im Herbst 2020 erschien der zweite Band der Sammlung ihrer Short-Stories auf Deutsch, abermals geheimnisvoll und immer wieder überraschend, ein interessantes Lese-Erlebnis! Obschon vor vielen Jahren entstanden, haben diese Texte eine unglaubliche Modernität und passen ganz hervorragend in unsere Zeit, sie sind surreal und rätselhaft und mit ihren vielen Wendungen immer wieder für eine Überraschung gut. Dem Leser stellt sich oft die Frage, ob es die Realität zeigt oder man sich gerade in einer weiteren mystischen Traumsequenz befindet. Es sind eher Miniaturen als Kurzgeschichten und oftmals auch nur flüchtige Momentaufnahmen, festgehaltene obskure Begegnungen und Erlebnisse, aber genau das macht den Reiz dieser Texte aus. Man muss dies auch alles gar nicht grossartig hinterfragen, sondern sie einfach als das nehmen, was sie sind. Und den Voyeurismus geniessen! Oftmals wird Clarice Lispector mit Virginia Woolf verglichen, in gewisser Hinsicht stimmt das, sind ihre Texte ähnlich geheimnisvoll, rätselhaft, ja stellenweise verstörend. Eine aufregende Autorin, die man unbedingt entdecken sollte. Clarice Lispector starb 1977 mit nur 57 Jahren in Rio de Janeiro.

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Im August stellte ich euch die Kurzgeschichtensammlung Tagtraum und Trunkenheit einer jungen Frau der Brasilianerin Clarice Lispector vor. Nun kam ich in den Genuss den zweiten Sammelband ihrer Kurzgeschichten zu lesen, eenfalls bei Penguin erschienen: Aber es wird regnen. Äußerlich erwartet den Leser erneut ein hochwertiges Hardcover mit Lesebändchen. Innen drin taucht man wieder in Lispectors vielschichtige Gedankenwelt ein. In mal kürzeren, mal längeren Episoden thematisiert sie in erster Linie das Leben von Frauen in Brasilien, über die Empfindungen einer Mutter, bis hin zu einer Begegnung mit einem eigenwilligen Äffchen. “Blütenblatt hoch oben: welche extreme Oberfläche. Kathedrale aus Glas, Oberfläche der Oberfläche, unerreichbar für die Stimme. An deinem Stil entlang schließen zwei Stimmen sich der dritten und der fünften und der neunten an – weise Kinder öffnen Morgenmünder und stimmen Geist an, Geist, Oberfläche, Geist, unberührbare Oberfläche einer Rose.” (S. 125) Ihre ruhigen, poetisch anmutenden Geschichten, in denen kein Satz zu viel wirkt, haben mich wieder sehr begeistert. Obwohl scheinbar nicht viel passiert, ist doch die Gedankenwelt der Figuren so rege, dass keine Langeweile aufkommt. Trotzdem würde ich Lispector-Neulingen raten mit dem anderen Band zu beginnen, dieser hier war fragmentierter als Tagtraum und Trunkenheit einer jungen Frau.

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In Clarice Lispectors Erzählungen begegnen wir Frauen unterschiedlichsten Alters. Das Alter spielt eine zentrale Rolle in ihren Prosaminiaturen, ebenso das Begehren, das schon in jungen Jahren geweckt wird. In „Heimliches Glück“ ist für ein junges Mädchen ein ganz bestimmtes Buch das Objekt der Begierde. In „Reste vom Karneval“ fiebert eine Achtjährige einer Karnevalsfeier entgegen, auf der sie ein eigens für sie genähtes Rosenkostüm tragen möchte. Die Leichtigkeit, Zärtlichkeit und Intensität, die von den Texten ausgeht, zogen mich sofort in den Bann. In diesen einfachen Geschichten, die für mich zu den Highlights der Sammlung zählen, deutet die Autorin bereits alle Facetten menschlicher Tragik an, die das Mädchen vermutlich noch erleben wird. Im zweiten Teil driften die Erzählungen ins Metaphysische, wenn sich zum Beispiel die Beobachtung einer Heuschrecke zu philosophischen Gedanken über das Universum ausweitet. Bei manchen Figuren hat man den Eindruck, sie wollten ihre Umgebung mit Leib und Seele vereinnahmen, sei es ein Tier, das Meer oder einen begehrenswerten Mann. So unterschiedlich die 44 Geschichten auch sind, bekam ich einen guten Einblick in die Themen, die Clarice Lispector offenbar besonders beschäftigten: Soziale Unterschiede, Liebessehnsüchte und Ängste vor dem Altern und der Einsamkeit. Wie spielerisch und experimentell die brasilianische Schriftstellerin, die letztes Jahr 100 Jahre alt geworden wäre, mit der Sprache umgeht und sowohl den Zauber als auch die Entzauberung des Alltags auf eine sehr eigenwillige Art in Worte fasst, ist einzigartig.

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Dieser zweite und zugleich letzte Band von Clarice Lispectors gesammelten Erzählungen enthält 44 meist sehr kurze Geschichten. Die Autorin entführt uns z. B. ins weltberühmte Fußballstadion Maracanã in Rio de Janeiro, wo sich eine Frau in den unterirdischen Gängen verläuft. Eine andere junge Frau entdeckt nach vielen Demütigungen das erfüllende Glück des Lesens. In einer weiteren Geschichte, die in einem Zugabteil spielt, meint eine reservierte und unnahbare Frau, dass zwei Männer einen Mord planen. Ein Hausmädchen kann mit neuer Energie und Lebenskraft in ihren Alltag zurückkehren, nachdem sie sich ihrer Traurigkeit gestellt hat. Eine wohlhabende Bankiers-Gattin verlässt gerade einen Schönheitssalon, als ein Bettler sie um etwas Geld bittet, was sie zutiefst durcheinander bringt. Und wir lesen vom Karneval mit Rosenkostüm. Das war jetzt nur eine Art Brainstorming nach der Lektüre, um einen Eindruck von der Vielfalt der Erzählungen zu geben. Clarice Lispector beobachtet messerscharf und erzählt das Beobachtete in einer schlichten, zarten, fast liebevollen, poetischen und gleichzeitig eindringlichen Sprache. Mit anschaulichen Bildern, bildhaften Vergleichen und umwerfenden Metaphern erweckt sie das Erzählte zum Leben. Die Mehrheit der Geschichten zogen mich in ihren Bann, manche „musste“ ich sogar zweimal lesen. Besonders mochte ich ihre philosophische Dimension und es gefiel mir, dass das Leben nicht beschönigt oder verklärt dargestellt, sondern in seiner ganzen Komplexität gezeigt wird. Dass die Figuren in all ihrer Vielschichtigkeit und mit Ecken und Kanten gezeichnet werden, macht sie greifbar und authentisch. Clarice Lispector seziert ihre Charaktere regelrecht. Es macht großen Spaß, sie kennenzulernen und ein Weilchen zu begleiten. „Aber es wird regnen“ ist ein anspruchsvolles, aber trotzdem flüssig und leicht zu lesendes Werk, das wunderbar unterhält, tief berührt und mit teils bizarren Wendungen und schrägen Pointen überrascht. Es hat etwas Geheimnisvolles und Traumhaftes, ist berührend, mal traurig, mal beunruhigend, mal verblüffend, mal komisch, mal sonderbar, mal eigenwillig, regt zum Mit- und Nachdenken an und erweitert den Horizont. Clarice Lispector war eine bedeutende brasilianische Autorin, die im Dezember 2020 einhundert Jahre alt geworden wäre. 1977 verstarb die Schriftstellerin mit jüdisch-ukrainischen Wurzeln einen Tag vor ihrem 57. Geburtstag Jahren an Krebs. Mit ihren beiden außergewöhnlichen Geschichtensammlungen „Tagtraum und Trunkenheit einer jungen Frau“ und „Aber es wird regnen“, die jetzt zum ersten Mal auf Deutsch erschienen sind, hat sie ein wunderbares, besonderes und unterhaltsames Werk geschaffen, mit dem sie uns Lesern ein außergewöhnliches Lesevergnügen bereitet. Unbedingt lesenswert!

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