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Rezensionen zu
Räuber

Eva Ladipo

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Gescheitert, wie Berlins Wohnungspolitik

Von: Elias Braun

15.07.2021

Kaum einem sozialpolitischen Thema wird deutschlandweit eine solche Bedeutung beigemessen wie den Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt. Explodierende Mieten, Verdrängung traditioneller Bewohnerschichten und ein dramatischer Verlust an sozial gefördertem Wohnraum sind im Alltag nicht mehr zu übersehen - auf der Wohnungssuche, in Initiativen zur Enteignung großer Wohnungskonzerne, in der politischen Debatte. Mitten in diese Situation leuchtet Eva Ladipos zweiter Roman, “Räuber”, hinein. Wie unter einem Brennglas zeigt er den Kampf gegen die Verdrängung und den sozialen Abstieg. Eingebettet in den Hintergrund der katastrophalen Wohnraumpolitik der Berliner Senate seit der Jahrtausendwende entfaltet der Roman das Panorama eines aussichtslos wirkenden Kampfs gegen die Gentrifizierung eines Wohngebiets am Rande Berlins. Das Thema ist die große Stärke des Romans - das schonungslose Aufzeigen des politischen Versagens und des Verrats an Teilen der Berliner Bevölkerung, die den Ausverkauf der Stadt zur Folge haben. Doch die Schwächen in Ladipos neuem Buch sind nicht zu übersehen: inhaltliche Logikbrüche, sprachliche Unebenheiten (“Handy-Monitor”, ein "Scheck" vom Finanzamt, der in einer Bank eingelöst werden soll), Schwierigkeiten mit den unterschiedlichen Erzählperspektiven, die starke Reduktion auf wenige zentrale Figuren, eine inhaltliche Vorhersehbarkeit ab der ersten Seite und ein überaus schwacher Schluss. Ladipo, von Beruf Journalistin, verpasst der weiblichen Protagonistin, Amelie Warlimont, einen idealistischen Journalisten-Blick, der, wie sie selbst in einer der zahlreichen Selbstanklagepassagen bemerkt, das Elend der Mietverdrängung nicht verhindern konnte. So wirkt das Buch einerseits über weite Strecken wie eine Art Selbstgeißelung und Buße für versäumte Pflichten. Auf der anderen Seite wird der Versuch unternommen, ein auf staatliche Unterstützung angewiesenes soziales Milieu mit allen erdenklichen Klischees auszustatten: den ganzen Tag (Bier) saufend, kettenrauchend, heruntergekommen, ungepflegt und in kriminellen Banden organisiert. Als Krönung präsentiert Ladipo Olli, den Bauarbeiter, der sich allen Widrigkeiten zum Trotz, als musterhafter Gegenentwurf zum Mief der “Ghettos” erweist, sich auf die Ehre seines Vaters beruft, es alleine mit einer großen (der Deutschen Wohnen nachempfunden) Wohnungsgesellschaft aufnimmt, der sich nicht zu schade ist, sich die Finger schmutzig zu machen, der “gut” zu allen Nachbarn ist und zu allem Überfluss so attraktiv ist, dass er einige Auftritte in unglaubwürdigen Sexszenen mit der verheirateten und zudem gerade wieder Mutter gewordenen Journalistin hat. Unter den zahlreichen Mängeln fällt insbesondere die schwache Personencharakterisierung auf, intrinsische Motivationen und extrinsische Einflüsse bleiben vage, erscheint eine Figur selbst der Autorin zu abgenutzt, wird kurzerhand ein neuer Charakter eingeführt - oberflächlich versteht sich - einige Seiten später, so die Hoffnung der Autorin, kann dann wieder auf das ursprüngliche Personal zurückgegriffen werden. Und tatsächlich, für den Leser ist dieses wieder in weite Ferne gerückt, da es nicht nur austauschbar ist, sondern in der Zwischenzeit triviale Mittagessen, teure Abendessen oder nächtliche Dönerimbisse geschildert wurden. Die zahlreichen Nebenschauplätze und unnötigen Verwicklungen lassen das Buch auf über 500 Seiten anschwellen, so dass ein Drittel weniger Seiten auf den Roman wie eine Frischzellenkur gewirkt hätten. Über weite Strecken wirkt "Räuber” wie der misslungene, aber sehr löbliche Versuch, einen Schlüsselroman zur (Berliner) Wohnungskrise zu schreiben, dem jedoch ein erklärendes und die Zusammenhänge erläuterndes Nachwort, ebenso wie ein realistisches Angebot zur Bewältigung der gegenwärtigen Krise fehlen und den Leser ratlos und einigermaßen konsterniert wieder entlässt.

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