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Rezensionen zu
Schaut, wie wir tanzen

Leïla Slimani

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Leïla Slimani gehört schon länger zu unseren absoluten Lieblingsautorinnen und daher waren wir auch sehr gespannt auf ihren 2022 erschienen Roman Schau, wie wir tanzen. In diesem beschwört Slimani das Schicksal der Familie Belhaj im gerade unabhängig gewordenen Marokko der 60er und 70er Jahre des letzten Jahrhunderts. Aus armen Verhältnissen hat Vater Amine mit seiner elsässischen Ehefrau Mathilde den Aufstieg geschafft. Er betreibt eine florierende Großfarm, man verkehrt mit den Honoratioren der Stadt und trifft sich im Rotary-Club. Der Stolz der Familie ist Tochter Aïcha, die in Straßburg Medizin studiert und sich von der 68er Bewegung fernzuhalten versucht. Außerdem gibt es noch Selim, der blond wie seine Mutter ist, aber als schwarzes Schaf der Familie gilt. Oder Amines Geschwister Selma und Omar. Während Selma einen zweifelhaften Ruf genießt und von ihrem Bruder zur Abwendung von Schande verheiratet wird, steigt Omar in der Polizei auf als Folterknecht Hassans II. Dessen Parole „Es gibt keine größere Gefahr für einen Staat als die vermeintlichen Intellektuellen. Es wäre besser gewesen, ihr wärt alle Analphabeten geblieben“ setzt den Ton für die Jahre der Verfolgung alles Linken und Kritischen. Es ist eine Zeit, in der der Totengräber „gegen eine Handvoll Dirhams vergaß, dass er Gruben für ermordete Kinder geschaufelt hatte“. Die moderne marokkanische Politik und Geschichte sind verwoben mit den Erfahrungen der Protagonisten. In einer Zeit zwischen Rebellion und Repression suchen sie ihren Platz im Leben: Aïcha versucht sich in einer autoritären Macho-Gesellschaft als Frau zu behaupten und begegnet dabei in Casablanca dem Wirtschaftsstudenten Mehdi, den alle nur Kar Marx nennen… Währenddessen schließt sich ihr Bruder den Hippies von Essaouira. Und dann gibt es plötzlich ein Attentat auf den König… Leïla Slimani schafft es auf die ihr eigene Art eine sehr spannende Geschichte multiperspektivisch und stilistisch schön zu erzählen. Das Buch fesselt und hat uns viel Lesevergnügen bereitet. Daher eine klare Leseempfehlung.

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Nun ist er da, der zweite Band der biographischen Romantrilogie von Leïla Slimani. Hier erzählt sie die Geschichte ihrer Familie, die im ersten Teil „Das Land der Anderen“ in Frankreich begann, als ihre Großeltern sich nach Ende des zweiten Weltkriegs in Straßburg begegneten, heirateten und in die Heimat des Großvaters Amine, nach Marokko zogen. Zu Beginn wird Aischa Belhaj von ihren Eltern nach Marokko zurückgerufen. Sie ist zum Medizin-Studium in Straßburg, im Elsass, der Heimat ihrer Mutter Mathilde. Doch es ist Sommer 1968 und die Studentenunruhen in Frankreich machen der Familie Angst. Sie wollen ihre Tochter in Sicherheit wissen. Für Aischa ändert sich dadurch vieles. Sie trifft ihre alten Freundinnen wieder. Besonders mit Monette versteht sie sich wunderbar. Bei ihr und ihrem Freund verbringt sie dann auch den Sommer. Sie haben ein kleines Haus am Meer. Hier lernt sie Mehdi kennen, den man Karl Marx nennt. Er studiert Ökonomie und ist sofort von Aischa gebannt. Bevor die beiden sich wirklich näher kommen können, rufen die Eltern wieder um Hilfe. Diesmal ist es der Bruder Selim, der verschwunden scheint. Mehdi fährt sie mit seinem Auto zur Farm, doch dann begeht er eine Dummheit, die die beiden wieder voneinander trennt. Aischas Bruder Selim spielt in diesem Band auch eine Rolle. Zunächst geht er eine Liebesbeziehung mit seiner verheirateten Tante Selma ein, später verlässt er die Familie und gerät in Essaouira in eine Kommune, die aus europäischen Hippies besteht und beginnt Drogen zu konsumieren. Hier hält man ihn aufgrund seiner blonden Haare ebenso für einen Europäer. Wie sich später zeigt, schreibt er Selmas Tochter Sabah regelmäßig Briefe. Während man versucht mehr zahlungskräftige Touristen ins Land zu locken, sind Hippies nicht mehr gern gesehen. Selims Schicksal bleibt lange Zeit ungewiss, bis es aus unerwarteter Richtung ein Lebenszeichen gibt. Mehdi wird nach dem Studium ein höherer Beamte im Steuerministerium, er schreibt nicht mehr und kehrt sich ab von marxistischen Lehren, wird sogar aufgrund seiner Position und seinen Kontakten zur Geburtstagsfeier des Königs eingeladen. Wie es das Schicksal will, begegnet er an genau diesem Tag Aischa wieder, die für den Sommer aus Frankreich zurückkehrt. Und bleibt dadurch am Leben, da er nicht in den Putsch gerät, den die Militärs genau an diesem Tag anzetteln. Auch einen zweiten Anschlag überlebt der König später. Nach ihrer erneuten Begegnung und Versöhnung feiern Mehdi und Aischa ihre Hochzeit auf dem Hof ihrer Eltern. Mathilde plant die Hochzeit akribisch und es wird exklusiv und teuer. Die beiden ziehen in ein Haus in der Hauptstadt. Aischa spezialisiert sich als Ärztin auf Gynäkologie, Mehdi entpuppt sich als wenig emanzipierter Ehemann. „Und was Aischa ihm erzählte, wenn sie aus dem Krankenhaus kam, erschien ihm nicht nur uninteressant, sondern sogar unappetitlich. Sein Leben lang hatte er gehört, was Mädchen zu tun oder zu lassen hatten, worin tugendhaftes Benehmen bestand, und er fühlte sich berechtigt, über jene die Nase zu rümpfen, die zu laut redeten oder sich aufreizend benahmen. Und alles, was die Geheimnisse des weiblichen Körpers betraf, fand er zutiefst abstoßend.“ Doch beide sind von ihrer Tätigkeit erfüllt und gehen in ihrer Arbeit auf. Bei Aischa zeigt sich manchmal das Balancieren zwischen zwei unterschiedlichen Kulturen – durch das Studium ist sie eben auch von Frankreich geprägt. Die Geschichte endet 1972 mit der Geburt einer Tochter … Dieser zweite Band bleibt, wie ich finde, etwas hinter dem ersten zurück. Ein Grund ist für mich, dass zu viel von männlichen Figuren die Rede ist und Aischa, die ich als Hauptfigur sehe, zu sehr im Hintergrund steht. Mitunter ist mir auch der Ton, wie manchmal im ersten Band etwas zu pathetisch, bei Liebesszenen blumig bis kitschig. Mal sehen, wie es im dritten Teil weitergeht und ob sich dann ein gutes Ganzes daraus formt.

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1968 in Marokko: Das Land befindet sich nach jahrelanger Kolonialherrschaft im Umbruch. Die autokratische Herrschaft versucht die Spuren der französischen Besatzer zu verwischen, doch gleichzeitig schwappt eine Hippiewelle an die marokkanischen Küsten. Kulturen, die unterschiedlicher kaum sein können, stoßen aufeinander und führen in den kleinen Küstenorten interessante Coexistenzen. Amines Hof floriert und das einst karge Land steht in voller Blüte. In Europa wüten zeitgleich die Studentenunruhen, die die strebsame Aicha lediglich aus ihrem Studierzimmer beobachtet. Schaut, wie wir tanzen ist die Fortsetzung der Familiengeschichte von Leila Slimani. Während sie im ersten Band die Geschichte von der elsässischen Mathilde erzählt, die die Ehefrau von Amine ist, steht in diesem Teil Aicha, die Tochter von Amine und Mathilde, im Vordergrund der Erzählung. Die hochbegabte Aicha ist nach ihrem Schulabschluss nach Straßburg gegangen und studiert dort Medizin. Familie und Freunde ziehen sie immer wieder zurück nach Marokko, was zu einem enormen culture clash führt. Halbherzig christlich erzogen, aufgewachsen auf einer Farm, studiert in Frankreich versucht sie Orientierung in ihrem Leben zu finden. Slimani beweist auch in diesem Roman wieder eine enorme Beobachtungsgabe. Es wirkt fast so, als seien die Menschen in ihrem Umfeld gläsern, denn kein Charakterzug, kein Motiv, kein Gedanke entgeht der Schriftstellerin. Eine absolut lesenswerte Biografie, die nicht nur eine außergewöhnliche Familiengeschichte erzählt, sondern auch einen spannenden Einblick in das Marokko der 70er Jahre gewährt.

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Schaut wie wir tanzen ist der zweite Teil einer autobiografischen Trilogie, in der die französische Bestsellerautorin Leïla Slimani angelehnt an ihre eigene marokkanisch-französische Familie einen großen Bogen von der Nachkriegszeit bis in die Gegenwart schlägt. Anders als in ihren frühen, eher knappen, lakonischen Romanen, erzählt sie hier eher konventionell, auktorial und episch. Das ist aber auf seine Weise ebenso mitreißend und spannend. Im ersten Teil der Trilogie, Das Land der Anderen, dreht sich das Erzählte hauptsächlich um die Großeltern, die Elsässerin Mathilde und den im französischen Kriegsdienst stehende Marokkaner Amine Belhaj, die sich in Frankreich kennenlernen, verlieben und heiraten. Was für die junge, lebenslustige Frau als großes Abenteuer beginnt, nämlich mit ihrem Mann nach Marokko zu gehen, um dort eine Farm zu führen, zeigt sich bald als schwieriges Unterfangen. Sind die Mentalitäten doch so verschieden, dass sie zur Belastung der Ehe werden, muss sich Mathilde doch immer wieder gegen die patriarchalen Strukturen durchsetzen. Aber auch wenn Amine seine Frau bald betrügt, oft nicht versteht und ihr so manche Hindernisse in den Weg gestellt werden - die Liebe trägt. Die Beiden bekommen zwei Kinder, die aufgeweckte Aïcha und den verwöhnten Selim, die nun im zweiten Teil Schaut wie wir tanzen von Leïla Slimani in den Mittelpunkt gerückt werden. Das Buch beginnt 1968, dem schon legendären Jahr des Aufbruchs. Nicht nur in den europäischen Metropolen streben die jungen Menschen nach mehr Freiheit, weniger Konventionen, mehr Mitbestimmung, konsumieren sie Drogen und suchen neue Formen des Zusammenlebens. Während sich vor allem die marokkanische Elite diesem neuen Zeitgeist hingibt, Feste feiert, Alkohol trinkt, sich europäisch kleidet und ihren Wohlstand zur Schau stellt, sind große Teile der Bevölkerung vor allem auf dem Land bitterarm und den alten Traditionen verhaftet. Aber auch das Regime unter König Hassan II sieht diese Freiheitsbestrebungen mit Argwohn. Bereits 1965 ließ er Studentenproteste blutig niederschlagen. Und äußerte den auch von Leïla Slimani in Schaut wie wir tanzen zitierten Satz: "Gestatten Sie mir, Ihnen zu sagen, dass es für den Staat keine größere Gefahr gibt als einen sogenannten Intellektuellen. Es wäre besser gewesen, wenn Sie alle Analphabeten wären." 1968 beendet Aïcha gerade ihr Medizinstudium in Straßburg und kehrt nach Marokko zurück. Sie verbringt viel Zeit mit ihren liberalen Freunden Monette und Henri. Über sie lernt sie auch den Wirtschaftsstudenten Mehdi kennen, wegen seines großen Ernstes und Eifers Karl Marx genannt. Die beiden verlieben sich und werden später heiraten. Sie sind die Alter Egos von Slimanis eigenen Eltern. Mit der Geburt ihrer kleinen Tochter endet das Buch. Und hier kommen sich auch Mathilde und Amine wieder näher. Zuvor werden wir Zeug:innen ständiger Konflikte zwischen den beiden. Das beginnt in der Eingangsszene, als Amine endlich dem Drängen seiner Frau nachgibt und einen Swimmingpool bauen lässt. Trotz ausgedehnter Ländereien wählt er dafür aber Mathildes geliebten, üppigen Garten. Den Baumaßnahmen fällt auch der Zitrangenbaum zum Opfer, im ersten Teil der Trilogie Symbol für das Gefühl, nirgends hundertprozentig dazuzugehören. Amines subtile Rache für die dekadente Verschwendung, die ein Pool in seinen Augen darstellt. Und gleichzeitig auch ein Symbol für die Spannungen, die auch im Land herrschen zwischen westlich orientierten Liberalen und dem Islam verbundenen Bevölkerungskreisen. Moderne kontra Tradition, Demokratiebestrebungen kontra Monarchie. 1969 bekommt natürlich auch die Mondlandung einen Platz. Leïla Slimani zeichnet mit Schaut wie wir tanzen ein atmosphärisch dichtes Sittenbild. Besonders die jungen Leute streben nach Selbstbestimmung, wollen die Fesseln ihrer Eltern lösen, eine eigene Identität finden. Gerade die Frauen stoßen dabei immer wieder an Grenzen. Und auch Aïcha erfährt das Dilemma, als Gynäkologin und Ehefrau, später Mutter, immer in einem auch heute noch aktuellen Dilemma zu stecken. So schnell stürzt man nicht das Patriarchat. Auch wenn der Fokus auf der Generation von Aïcha liegt – ihr Bruder Selim erhält deutlich weniger Platz, sein „Ausflug“ mit westlichen Hippies, die zuhauf in Marokko einfallen und vor allem im südwestlichen Küstenort Essaouira eine richtige Kolonie errichten, und seine Drogenerfahrungen seziert Slimani mit einer gehörigen Portion Spott -, begegnen wir auch anderen, aus Das Land der Anderen bekannten Figuren. Zum Beispiel dem Bruder Amines, Omar, der sich dem marokkanischen Geheimdienst verschrieben hat, seiner Schwester Selma, die ihre Freiheit als Edelprostituierte sucht, und vielen anderen. Am Beginn von Schaut wie wir tanzen hat Leïla Slimani ein ausführliches Personenverzeichnis beigefügt. Dicht und lebendig, in klarer Sprache und trotz der Fülle leichthändig verknüpft die Autorin eine ganz persönliche Familiengeschichte mit politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Auf den dritten Teil freue ich mich schon heute.

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Der zweite Band von Leila Slimanis biographischer Trilogie ist erschienen und erzählt von bleiernen Jahren im Marokko der 60er Jahre, dem Aufbruch in ein postkolonialistisches Zeitalter nach der Unabhängigkeit von Frankreich und dem Wunsch nach einer neuen und modernen Zeit… Der Wandel ist beschwerlich, es herrschen die alten – von Attentaten erschütterten – monarchistischen Strukturen, Korruption und die Schwierigkeiten einer Balance zwischen Tradition und Moderne. Gleichzeitig brodelt es, die junge Generation will leben, feiern, lieben… Hippies entdecken die Exotik Nordafrikas, während in Paris die Studentenunruhen toben, es ist das Jahr 1968, die Welt scheint im Umbruch und gleichzeitig werden traditionelle Werte hochgehalten. Grossartig schildert Leila Slimani – wie bereits im ersten Band „Das Land der Anderen“ die Sorgen und Probleme ihrer Familie, die es „geschafft“ hat, gleichzeitig in der permanenten Angst lebt, dass es vorbei sein könnte mit Aufstieg und Klassenerhalt. Es ist die Geschichte ihrer Grossmutter und Mutter, es ist die Geschichte der Frauen in ihrer Familie, denn diese sind es, die mit ihrer starken Persönlichkeit und Identitätssuche in dieser männerdominierten Welt die Geschicke lenken. Es ist die Geschichte über den bürgerlichen Aufstieg ihrer Vorfahren, aber es ist auch ein Roman über Frauenrechte in einem islamisch geprägten Land und – denkt man an die derzeitigen Proteste im Iran – aktueller denn je. Leila Slimanis Bücher sind zumeist geradlinig, erzählen eher kurz und prägnant die Geschichte – wie schön, lässt sie sich mit dieser Trilogie dazu hinreisen, dem Leser eine erzählerisch ausschweifendere, packende Familiensaga vorzulegen, deren Impact man sich nicht entziehen kann. Die Vorfreude auf den dritten Band ist gross!

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Leïla Slimani sagte bei einer ihrer Lesungen, dass sie nur ein Volk kennt: Ihre Leserschaft. Sie interessiert sich nicht für Religionen und erzwungene Identitäten. Das sie nicht für die marokkanische Tourismusbehörde arbeitet wird deutlich. Sie hat sich wieder ganz ihren Figuren verschrieben in dem zweiten Teil ihrer Trilogie „Schaut, wie wir tanzen“. Den Schutzumschlag ziert übrigens ein Foto aus ihrer privaten Sammlung. Dieses Mal beleuchtet Leïla Slimani das Leben von Aїcha, der Tochter von Mathilde und Amine, deren Leben stand im ersten Band „Das Land der Anderen“ im Fokus. Es setzt im Jahr 1968 ein und beleuchtet dann anhand Aїchas Leben die 60er und 70er Jahre im postkolonialen Marokko. Es verzahnt auf eine großartige Weise die politischen und soziologischen Dynamiken zur damaligen Zeit in Marokko. Es spiegelt in der Familienkonstellation mit seinen Figuren die verschiedenen Ebenen wieder. Aїcha kommt aus Strasbourg zurück nach ihrem Medizinstudium und muss sich als Gynäkologin in einem männerdominierten Beruf behaupten und trifft den smarten Ökonomen Mehdi Daoud, der auch Karl Marx genannt wird. Sie heiraten 1972 und der zweite Job einer Mutter kommt on top. Ihr Bruder Selim entzieht sich den Erwartungen der Eltern und flieht nach Essaouira, die Hippikommune am Strand in der wilden Natur und entflieht dem Land dann komplett. Es ist eine leichte und flüssige Lektüre in bester Prosa gegossen. Mir hat das Buch viel Freude beim Lesen bereitet, weil es mich bereichert hat und mir die historischen Gegebenheiten in Marokko deutlicher gemacht hat. Leïla Slimani arbeitet gekonnt die Gegensätze heraus: Arm vs reich, Bildungsniveaus und natürlich Fortschritt vs Tradition. Natürlich sollte man vorher schon „Das Land der Anderen“ gelesen haben um die Familie zu kennen, aber es ist auch alleinstehend lesbar. Übrigens bestens aus dem Französischen von Amelie Thoma übersetzt. Da dieser zweite Teil sehr neugierig macht wie es in den nächsten Jahrzehnten weitergeht, bin ich nun natürlich auf Band 3 gespannt!

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Rezension🤍 Schaut, wie wir tanzen von Leïla Slimani Klappentext: Im Sommer 1968 kehrt Aïcha Belhaj nach vier Jahren Medizinstudium in Straßburg nach Marokko zurück. In Frankreich gehen die Studenten auf die Straße, von den Barrikaden tönt der Ruf nach Veränderung. Doch in ihrer Heimat trifft die Ärztin auf eine erstarrte Welt. Die Farm von Aïchas Vater floriert, die Familie allerdings ist zerrissen. Ihr Bruder Selim verschwindet in einer Hippiekommune an der Küste und versinkt im Drogenrausch. Wie soll Aïcha sich behaupten in einem Land, in dem bisher nur Männer Ärzte sind? Der zweite Teil der Familiensaga ist noch mitreißender und lesenswerter als Teil eins, ich war wirklich begeistert von der Fortsetzung ☁️ Die Eltern Mathilde und Amine standen in Teil 1 im Fokus, nun liegt das Augenmerk mehr auf der angehenden Ärztin Aïcha, ihrem Bruder Selim und dem Streben nach Aufbruch, Anerkennung und Unabhängigkeit 🕯️ Aïcha war schon in Teil eins mein Liebling, eine fein beschriebene junge Marokkanerin mit großem akademischen Potential und dem Traum, Ärztin zu werden. Generell sind alle Charaktere aus Band eins auch in diesem Buch zu finden und die charakterliche Entwicklung aller wirkt sehr authentisch und passend 👀 Besonders interessant ist natürlich der soziohistorische Kontext, in dem die Handlung spielt. Marokko im Jahr 1968 zwischen den Spuren des Kolonialismus und einem aufstrebenden Nationalismus, zwischen Stillstand und Neuanfang, zwischen Aufstand und Ruhe. Die im Roman beschriebenen Rollenbilder, Sitten- und Moralvorstellungen liefern ein interessantes Gesellschaftsportrait dieser Zeit. Mein einziger Kritikpunkt: das Buch hat in einzelnen Szenen eine sehr erotische Komponente, die die Geschichte meiner Meinung nach gar nicht gebraucht hätte. Deswegen gibt es 4,5/5⭐️ von mir!

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Im ersten Band, "Das Land der Anderen", der nach Motiven der eigenen Familiengeschichte von Leїla Slimani verfassten Trilogie steht der Zitrangenbaum symbolisch für die Familie Belhaj. Die Elsässerin Mathilde ist ihrem Mann Amine 1946 in seine Heimat Marokko gefolgt, wo nicht nur sie, sondern auch Amine und ihre Tochter Aїcha sich fremd fühlen. Sie sind wie der Zitrangenbaum mit den ungenießbaren Früchten, der Orangenbaum mit dem eingesetzten Zitronenzweig. Tänzer und Zuschauer Der zweite Band, "Schaut, wie wir tanzen", setzt 1968 gut zehn Jahre nach dem Ende des ersten und nach der Befreiung Marokkos aus französischer Kolonialherrschaft ein. Amine hat die ererbte karge Farm dank eiserner Willenskraft, Klugheit und Fleiß zum modernen, erfolgreichen Agrarbetrieb umgestaltet und wird von der neuen Oberschicht Marokkos umworben, die in Bildung und Auftreten den ehemaligen Kolonialherren gleicht. Wieder tanzen nur wenige, die Mehrheit schaut zu. Im April 1968 weicht der Zitrangenbaum einem Pool, sichtbares Zeichen des Aufstiegs, dem Amine jedoch misstraut: "Da begriff Mathilde, dass ihr Mann sein ganzes Leben lang Angst haben würde, man könnte ihm wieder entreißen, was er errungen hatte. Für ihn war jedes Glück unerträglich, da er es den anderen gestohlen hatte." (S. 332) Und noch etwas bedrückt Amine, der, attraktiver denn je, Mathilde betrügt und sie dennoch auf seine Art liebt: Keines seiner Kinder wird die Farm weiterführen. Aїcha, sein Augenstern, studiert zunächst in Straßburg Medizin, heiratet 1972 den aufstrebenden Wirtschaftswissenschaftler Mehdi Daoud, Spitzname Karl Marx, und lebt als Gynäkologin in Rabat, Selim, Liebling Mathildes, ohne Ehrgeiz und vom Vater verachtet, flieht in die internationale Hippiekolonie nach Essaouira und verlässt schließlich Marokko. Auch die Schicksale anderer bekannter Familienangehöriger verfolgt der Roman weiter: Amines zwangsverheirateter Schwester Selma, ihrer durch einen missglückten Abtreibungsversuch gezeichneten Tochter Sabah, ihrem traumatisierten Mann Mourad und Amines bei der Geheimpolizei tätigem Bruder Omar. Alle Figuren erleben mehr Enttäuschungen als Glücksmomente und geben doch nicht auf. Tänzer und Zuschauer Während im Band eins die ältere Generation im Mittelpunkt stand, ist es nun die jüngere. Sie verkörpern die Widersprüche des postkolonialen Landes mit seinen enormen Unterschieden zwischen Stadt und Land, Armen und Reichen, Gebildeten und Ungebildeten. Amine verehrt Hassan II und geiselt die Landflucht, die intellektuelle städtische Elite kämpft gegen die Bildungsfeindlichkeit des Königs und dessen Unterdrückung der Opposition. Eine kongeniale Fortsetzung Die 1981 in Rabat geborene französisch-marokkanische Gewinnerin des Prix Goncourt Leїla Slimani lebt seit Sommer 2021 für die Fertigstellung ihrer Trilogie in Lissabon, zwischen Frankreich und Marokko, um den Ablenkungen und Versuchungen in Paris entfliehen – wie beispielsweise einer Nacht im Museo Punta della Dogana in Venedig, die zu ihrem exzellenten autobiografischen Büchlein "Der Duft der Blumen bei Nacht" führte, aber für eine Unterbrechung ihrer Arbeit an Band eins sorgte. Dass sich der Rückzug lohnt, beweist "Schaut, wie wir tanzen" eindrucksvoll. Auf geniale Weise verbindet Leїla Slimani erneut Einzelschicksale und Familienschicksal mit Marokkos Suche nach einer Vision für die postkoloniale Zeit. Glaubhafte, ambivalente, sich weiterentwickelnde Charaktere, starke Frauenfiguren, eine präzise Sprache, Vielstimmigkeit und Unvoreingenommenheit machen auch diesen zweiten Band so wertvoll. Allerspätestens jetzt gehört Leїla Slimani für mich zu den wichtigsten Autorinnen der Gegenwartsliteratur.

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