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Rezensionen zu
Die verlorene Frau

Emily Gunnis

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Weniger wäre mehr gewesen

Von: Hals- und BeinBUCH

23.06.2020

Manche Romane sind, obwohl abseits des Weihnachtsgeschäftes auf den deutschen Markt geworfen, doch überladen wie mancher Christbaum. Emily Gunnis neues Werk „Die verlorene Frau“ ist dafür leider ein gutes Beispiel. Der Autorin hält es offenbar mit Konstantin Wecker, der schon 1977 zu wissen glaubte, dass genug nicht genug ist, dass genug nie genügen kann! Für das ganz, ganz große Familiendrama und die ganz, ganz große Spannung braucht man natürlich die ganz, ganz große Kanone: Ein Familienepos über zwei Generationen reicht nicht, also besser vier. Eine Geburt, eine Fehlgeburt, ein Mord und eine tödliche Krebserkrankung? Zu wenig, besser jeweils mindestens zwei! Unglückliche Ehen und Scheidungen sowie Kriegstraumata und andere psychische Erkrankungen? Oh ja, ja, ja, unbedingt, und zwar so viele wie irgend möglich. Bitte, bitte keine „normalen“ Menschen, wo doch jeder instagramgestählte Leser von heute weiß, dass "normal" nur ein Synonym für "langweilig" ist. Auch stilistisch will Gunnis für ihren zweiten Bestseller mit „ein bisschen mehr“ auf Nummer sicher gehen: Zwei oder drei Blickwinkel für das Erzählen einer Geschichte sind selbstverständlich zu wenig, Gunnis braucht fünf, womit etwa die Hälfte aller Figuren Wesentliches zur Handlung beizutragen haben. Dass vier dieser fünf Hauptfiguren Frauen sind, darf man übrigens ruhig als programmatisch auffassen. Kein Zweifel, vor uns liegt nicht nur ein gesellschaftspolitisches Drama und ein Krimi, sondern auch ein Frauenroman, in den alles rein muss, was die unterdrückten Frauen in den letzten 100 Jahren (und bis heute) beschäftigt hat: Das Ehe- und das Scheidungsrecht zum Beispiel, aber auch brutale Männer, die auch vor körperlicher Gewalt und Vergewaltigung nicht zurückschrecken. Was fehlt noch? Richtig: Treusorgende Dienerschaft und böser, reicher Landadel (wir befinden uns schließlich in Großbritannien), ganz große Gefühle und natürlich je eine Prise Märchen, Meeresrauschen und Medienschelte. Keine Frage: Die Handlung wirkt insgesamt arg konstruiert. Noch ärgerlicher aber ist aus meiner Sicht die stellenweise erschreckend einfallslose Sprache, wobei man für die Autorin nur hoffen kann, dass dies an der holprigen Übersetzung liegt. Auch die Struktur des Werkes besticht nicht gerade durch Stringenz: Fünf Hauptfiguren für 38 Kapitel (plus Pro- und Epilog). Dabei hält die Autorin dreimal (also 15 Kapitel lang) die Reihenfolge der Erzählstränge ein, dann plötzlich geht es kunterbunt durcheinander. Bei vier von fünf Blickwinkeln wissen wir per Überschrift, wer im Mittelpunkt steht und in welchem Jahr wir uns befinden, bei einer lange namenlosen Ich-Erzählerin dagegen nicht. Da wissen wir erst einmal nichts, was vermutlich für Verwirrung oder auch für Spannung sorgen soll. Fazit: Emily Gunnis hat zu viel gewollt und sich verzettelt. Sie hat zu viele Handlungsideen in einen Roman gepackt – und hat sich dabei schlicht überhoben. „Viel hilft viel“ war der falsche Ansatz, weniger wäre mehr gewesen. Oder frei nach Paracelsus: Die Überdosis macht das Gift!

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