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Rezensionen zu
Kleinstadtfarben

Martin Becker

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Ein Buch über Einsamkeit, Verlust und Trauer. Die Handlung ist exzellent erzählt, berührend und teilweise sogar witzig. Der Schreibstil ist sehr gewöhnungsbedürftig, die Sätze sind lang, verschachtelt, ab und zu ineinandergehend, ohne Punkt. Aber hat man sich eingelesen, lässt einen das Buch nicht mehr los. Der Protagonist ist seelisch ziemlich kaputt, versucht aber Selbstheilung zu finden, indem er sich mit seiner Vergangenheit auseinandersetzt. Ein harter Vorgang, teilweise sogar recht unappetitlich. Die Geschichte ist sehr warmherzig und tiefgründig.

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Die Geschichte wird aus der Sicht des Kommissars Pinscher, in einer für mich etwas ungewohnten Erzählweise erzählt. Der Protagonist wird in seine Heimatstadt strafversetzt, da er seinen Vorgesetzten zu oft unangenehm aufgefallen ist. Ich musste mich zunächst ein wenig an den Erzählstil gewöhnen, der fließend zwischen dem personalen Erzähler und einem inneren Monolog Pinschers wechselt. Aber diese Erzählweise hat ihren Reiz und hat mich nach kurzer Zeit gepackt. Zunächst begegnet der Leser dem Protagonisten nach der Beerdigung seiner Mutter, anschließend erzählt der Protagonist zunächst, wie er wieder in der Kleinstadt gelandet ist, aus der er vor vielen Jahren u.a. vor seinen Ängsten geflohen ist. Dabei versteht es der Autor, den Leser durch die Geschehnisse zu fesseln und emotional an diesen etwas abgehalftert und schwierig scheinenden Charakter zu binden. Das Erzähltempo wechselt von eher beschaulich zu rasant und wartet bis zum Schluss noch mit einigen überraschenden Wendungen auf, die ich so nicht erwartet hätte. Am relativ offenen Ende können sich dann die Geister scheiden. Hätte man selbst auch so gehandelt? Würde man diesen Weg ebenso einschlagen (wollen)? Teilweise ist die Handlung berührend, dann wieder hart und realistisch und auch mal unappetitlich. Ein Buch, auf das man sich einlassen sollte. Fazit: Ein ziemlich großer Mann in einer ziemlich kleinen Welt, die die eigene sein könnte.

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Kommissar Peter Pinscher wird strafversetzt nach Mündendorf, wo er als Bezirksdienstbeamter eingesetzt werden soll. Heißt im Klartext: Bürgersprechstunde, Gewaltprävention an Schulen, Puppentheater in Grundschule und Kindergarten und was sonst noch anfällt. Der Grund: Pinscher hält sich nicht an Regeln und fällt immer wieder durch ruppiges Verhalten gegenüber Bürgern und Kollegen auf. Also Versetzung, muss er akzeptieren. Von der Großstadt am Rhein in die Kleinstadt am Rand des Mittelgebirges – Mündendorf – ausgerechnet Mündendorf. Da kommt er her. Da steht das Häuschen, indem er seine Kindheit verbracht hat. Da wohnt seine demente Mama im Altersheim. Letzteres ist ist zumindest ein Pluspunkt. Für seine Mama tut er alles und nun kann er sie täglich besuchen. Auf der Minusseite: In Mündendorf trifft er auf alte Schulkameraden – vor allem auf Goranek, der jetzt sein Chef ist. Und was außer ihm keiner weiß: In Mündendorf holen ihn die Ängste ein, vor denen er schon seit langem davonläuft. Vor allem sein Elternhaus, welches er ohne Wissen seiner Mutter verkauft hatte, birgt viele schlimme und schreckliche Erinnerungen. Die Geschichte wird vom Ende her erzählt – damit kennt Pinscher sich aus, immerhin hat er in der Großstadt am Rhein vor allem Todesfälle bearbeitet. Kein Mord, nein, die meisten Toten sind ganz natürlich gestorben. Pinschers Aufgabe bestand in der Ermittlung der Todesursachen – das Aufrollen eines Lebens vom Ende her eben. Er hat Angehörige informiert, Hinterbliebene getröstet – darin war und ist er gut. In unserem Fall heißt das freilich, dass wir Peter Pinscher an dem Tag begegnen, an dem seine Mama gestorben ist und erfahren sodann in der Rückblende von der Rückkehr in seinen Heimatort. Martin Becker hat einen Helden erschaffen, der maßlos ist – beim Essen, bei Alkohol und Zigaretten, selbst auf Arbeit – er war bisher noch keinen Tag krank und ist selbst im Urlaub zum Dienst erschienen. Den schmerzenden Ischias bekämpft er mit immer stärkeren Schmerzmitteln. Er ist ein hoffnungsloser Pessimist, geht immer vom Schlimmsten aus, hat Angst vorm Alleinsein und vor Dunkelheit. Er ist auf den ersten Blick kein sympathischer Mensch, jedoch gelingt es dem Autor, dass ich ihm mit Anteilnahme begegne. Martin Becker schreibt in stetigem Wechsel zwischen personalem Erzähler, also aus der Perspektive von Pinscher, und innerem Monolog, wenn Pinscher mit sich selbst spricht. Die Übergänge sind fließend, das ist auf den ersten Seiten gewöhnungsbedürftig, aber nur ganz kurz, danach war ich um so stärker im Geschehen, konnte Selbstbeschimpfung, Ärger, Zweifel, Freude, Mut machen quasi live miterleben. In Mündendorf trifft Pinscher auch auf Anna – eine Schulfreundin und jetzt psychologische Psychotherapeutin, wie sie ihm sagt. Sie bietet ihm an, gemeinsam einen Versuch zu wagen, seine Ängste in den Griff zu kriegen. Außerdem gibt es noch die alte Dame, die in Pinschers Elternhaus gewohnt hat und die kurz vor seiner Rückkehr an einer Überdosis Tabletten gestorben ist. Deren Sohn – auch ein Schulfreund – sich seltsam benimmt. Pinscher beginnt gegen den Willen seines Chefs heimlich zu ermitteln. Und überhaupt lebt sich Pinscher gut ein in seiner alten Heimat. Letzten Endes geht es um nichts Geringeres als die Suche nach dem kleinen Glück, um ankommen, um nach Hause kommen. Was gibt uns Sicherheit und wie finden wir Frieden? Wie richtet man sich ein in dem Raum, der einem gegeben ist? Für mich war Martin Beckers Roman auf jeden Fall eine Entdeckung, weil es ihm gelungen ist, dass ich mich in einem mir völlig verschiedenen Menschen, wie es P. Pinscher ist, doch wiederfinde. Das unter anderem macht gute Geschichten aus.

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Schön war's!

Von: der Herscheider aus Herscheid

10.10.2021

Seine Bücher werden immer besser. Für Martin Becker dürfte diese Entwicklung beruhigend und gleichzeitig eine Herausforderung für das nächste Buch sein. Der schrullige Polizist Pinscher wird nach Verfehlungen aus einer Rheinmetropole in die Kleinstadt seiner Jugend Mündendorf strafversetzt. Dort schlägt er sich mit den Ängsten, Katastrophen, Gefühlen und Erinnerungen seines Lebens herum. Zitat „Pinscher hat getan, was er ausgesprochen gut kann: weglaufen.“ Von der ersten bis zur letzten Seite geht es um nicht weniger als die Themen Angst, Abschied und Tod (konkret werdend am Sterben der Mutter). – Dinge, die jedem nahestehen, der nachdenkt. Es fiel mir leicht, mich auf Stil und Sprache Martin Beckers einzulassen. Er lässt Pinscher gekonnt auf einem Grat zwischen Verschrobenheit und Normalität wandeln. Bei der Lektüre wurde er immer mehr zu einer Person, von der ich dachte: der beobachtet, denkt und fühlt ja wie ich – nur handelt er meist konsequenter. Wohltuend wirken auch literarische Tricks, die Martin Becker beherrscht. Gekonnt streut er sinnanregende Bezüge zu Musikstücken ein (Wilhelm Müllers Worte aus Schuberts Winterreise „Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder aus“ tauchen im ersten Teil und zum Schluss auf; das Zitat umrahmt so die Geschichte und spiegelt die Entwicklung des Helden.). Die Namen der Figuren sorgen für ein Stück Kauzigkeit ohne banal zu wirken: Pinscher sowieso; die vermeintliche Therapeutin und Angstbekämpferin heißt Anna Leid; ein Dr. Seltsam spielt bei Ermittlungen eine Rolle; und dass bei allerlei ungewöhnlichen Namen ein vereinsamter Witwer ausgerechnet „Herr Maier“ heißt, ist sicher kein Zufall. Ich konnte das Buch sicher auf besondere Weise genießen, da mir die Stadt, in der Martin Becker aufwuchs, vertraut ist. Er macht keinen Hehl daraus, dass das fiktive Mündendorf seine Kleinstadt ist. Dem Autor macht es sichtlich Freude, viele reale Ortsbezeichnungen und tatsächliche Eigentümlichkeiten auf fast jeder Seite einzustreuen. Er seinen lässt Helden in genau der Stadt fast verzweifeln, die ihn selbst prägte. Ein wenig genervt war ich, dass bei der Lektüre Nikotin und Alkohol allgegenwärtig sind (wie in den Geschichten Martin Beckers üblich). Eine Kommunikation ohne Zigarette scheint kaum vorstellbar. Die literarische Notwendigkeit blieb mir fremd. Den fünften Stern gebe ich trotzdem, quasi als Zusatzpunkt für eine Besonderheit. „Kleinstadtfarben“ hat mich in einem Punkt wie selten ein Buch gepackt und berührt - als große Liebeserklärung an die Leben der Eltern.

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Meinung: An den Schreibstil musste ich mich erstmal gewöhnen. Es sind sehr lange Sätze dabei, teilweise mehrere Sätze in einem einzelnen Satz verschachelt – mit Komma statt Punkt abgegrenzt. Auch die Dialoge sind im direkten Stil aber ohne Anführungszeichen geschrieben. So vermischen sich Ereignisse und Gesagtes – teils auch unterschiedlicher Figuren – in einem einzigen Satz. Da hätte es mir der eine oder andere Absatz doch etwas leichter gemacht, zu erkennen, wer und ob da wer spricht. So wirkt das Geschriebene recht emotionslos und aufzählend. Wenn man sich an den ungewöhnlichen Stil gewöhnt hat – was mir recht schnell gelungen ist – ist die Geschichte jedoch sehr tiefgründig und steckt zwischen den Zeilen voller Gefühl. Die Handlung bewegt sich zwischen Leben und Tod – ein wenig erfährt man von Pinschers Ermittlungen – aber der größte Teil beschäftigt sich mit seinem Innenleben. Seinem Verlust und seiner Angst vor selbigen, dem Weg, den die Trauer auf ihre unterschiedlichen Wege nimmt. Die Handlung besticht sicherlich nicht mit Spannung oder einer außergewöhnlichen Story, aber dafür mit viel Tiefgang. Pinscher ist ein recht kaputter Charakter, der jedoch erst lernt, wie kaputt er ist und den Versuch startet, mit Hilfe seiner Heimat Heilung zu finden. Ich konnte mich aber dennoch sehr gut in ihn hineinversetzen, da sein Innenleben sehr breit gefächert und tiefgründig geschildert wird. Fazit: Kleinstadtfarben ist ein Buch über Einsamkeit, Verlust, Tod, Trauer, aber auch Freude, Liebe und Leben. Mir hat das Buch trotz oder gerade wegen des gewöhnungsbedürftigen Schreibstils sehr gut gefallen. Es besitzt sehr viel Tiefe und hat einen schönen Umgang mit dem Thema Tod und Leben.

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