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Rezensionen zu
Effingers

Gabriele Tergit

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Der Roman ‚Effingers‘ erzählt die Geschichte dreier jüdischer Familien, den Goldschmidts, den Oppners und den Effingers. Die Goldschmidts und die Oppners stammen aus Berlin und die Effingers aus dem erfundenen Städtchen Kragsheim. Der Sohn der Effingers, Paul, entschließt sich im endenden 19. Jahrhundert nach Berlin zu ziehen, um dort ein erfolgreicher Unternehmer zu werden. Die drei Familien verbinden sich durch Heirat und Verwandtschaft und Geschäftsbeziehungen von Bankiers und Unternehmern. Die beiden Effinger-Brüder Karl und Paul heiraten die Oppner-Schwestern Annette und Klärchen und somit wird man mit den Familienmitgliedern vertraut gemacht und erlebt ihre Höhen und Tiefen, ihre beruflichen Erfolge, ihren Reichtum und auch die Zerschlagung und Verfolgung durch die Nazis. Die Geschichte hat mich sehr beschäftigt und auch sprachlos gemacht. Ein Buch, das unter die Haut geht und in diesen schlimmen Zeiten, in denen der Antisemitismus wieder aufkommt, von jedem gelesen werden müsste!

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REZENSION – Weit mehr als nur eine Geschichte über Aufstieg und Fall einer großbürgerlich-deutschen Familie ist der 1951 erstmals veröffentlichte und jetzt als Taschenbuch im btb-Verlag erschienene Roman „Effingers“ von Gabriele Tergit (1894-1982). Deshalb wird ihm der gelegentliche Vergleich mit den „Buddenbrooks“ von Thomas Mann nur im Ansatz gerecht. Denn im Grunde ist „Effingers“ eine detaillierte Gesellschaftsstudie jüdischen Lebens in Deutschland in seinen so verschiedenen Facetten und Strömungen von der deutschen Revolution 1848 über das Kaiserreich, zwei Weltkriege und den Holocaust bis zum Neubeginn im Jahr 1948. Aufklärung und Revolution hatten den Juden in Deutschland neue Freiheiten und Aufstiegsmöglichkeiten verschafft. Dennoch blieb die erhoffte Gleichstellung mit den christlichen Mitbürgern aus. Antisemitismus wurde als gegeben hingenommen, die Juden blieben weiterhin unter sich und verheirateten sich untereinander. So ehelichte der Uhrmachersohn Paul Effinger aus dem fränkischen Städtchen Kragsheim, in den 1880er Jahren in Berlin zum Fabrikanten geworden, die Bankierstochter Klärchen Oppner, deren Vater Emmanuel Oppner einst in das Privatbankhaus Goldschmidt eingeheiratet hatte, das seitdem als Oppner & Goldschmidt firmierte. Die Berliner Privatbank war von Markus Goldschmidt gegründet worden, der 1848 als junger Mann auf den Barrikaden für Freiheit und Gleichheit gekämpft hatte und im Pariser Exil ins Bankgeschäft eingestiegen war. Zunächst lernen wir die gesellschaftlichen Unterschiede innerhalb des deutschen Judentums in den letzten zwei Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts kennen: Da leben die wohlhabenden Berliner Bankiersfamilien Oppner und Goldschmidt in riesigen Villen, feiern Maskenbälle und gründen Wohltätigkeitsvereine. Sie gehören der weltlich-humanistisch gebildeten Oberschicht an, deren Judentum nur noch Tradition, aber kein Glaubensbekenntnis ist. Klärchens Ehe mit Fabrikant Effinger kommt einem gesellschaftlichen Abstieg gleich, ist doch Paul nicht „nur“ ein Kaufmann, sondern Sohn eines einfachen Handwerkers. Uhrmacher Matthias Effinger, steht im Roman für den gläubigen, einfachen Juden, der noch allmorgendlich zum Gebet in die Synagoge geht und nach jüdischem Ritus lebt. Doch selbst ihn stören die aus Osteuropa eingewanderten orthodoxen Juden. Der Zusammenbruch der gesellschaftlichen Ordnung nach dem 1. Weltkrieg ermöglicht einerseits den jungen Frauen der Familien eine gewisse Selbstbestimmung, sie werden berufstätig wie die Schauspielerin Sofie Goldschmidt und die Frauenrechtlerin Marianne Effinger oder studieren wie Cousine Lotte. Doch andererseits beginnt der soziale Fall der Familien mit dem baldigen Verlust des Vermögens durch die Inflation und endet in völliger Enteignung und Vernichtung durch die Nazis. Marianne und Lotte, in deren Figur man die Autorin Gabriele Tergit erkennen kann, worauf Herausgeberin Nicole Henneberg in ihrem 13-seitigen Nachwort neben weiteren biografischen Parallelen zu Tergits Ahnenfamilien hinweist, beginnen in Palästina ein neues, völlig anderes Leben. Stilistisch spürt man die journalistische Prägung der Autorin, die in der Weimarer Republik eine bekannte Gerichtsreporterin war: Kurze Kapitel und nicht allzu lange Sätze sorgen trotz der 900 Seiten für leichte Lesbarkeit, die angehängte Stammtafel ermöglicht Übersicht und Zuordnung der vielen Personen aus vier Generationen. Der historische Wandel eines ganzen Jahrhunderts mit markanten Daten und Fakten, der Beschreibung jüdischer Tradition und Riten und Schilderung von Aufstieg und Fall der Effingers, Oppners und Goldschmidts wird in kurzen Szenen, in Dialogen und Gesprächen im Familienkreis lebendig wiedergegeben. So wirkt „Effingers“ auch 70 Jahre nach der Erstveröffentlichung noch immer als moderner Roman, der in heutiger Zeit eines wieder erstarkenden Antisemitismus nichts an Aktualität verloren hat und deshalb auch für jüngere Leser als Lektüre zu empfehlen ist.

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Wie sah es um die Jahrhundertwende auf den Straßen Berlins aus? Wovon lebten die Menschen? Was war en vogue, was ließ man sich schmecken, welche Themen wurden diskutiert, wonach sehnte man sich? Wenn es ein Wort gibt, das den Roman, um den es hier geht, gut beschreibt, dann ist es ZEITGEIST. Effingers ist ein deutsch-jüdischer, Jahrzehnte umfassender, fast 900-Seiten starker Familien-, Gesellschafts- und Großstadtroman. Das darf man erst einmal sacken lassen. Die Geschichte lässt sich kaum in einem Blogbeitrag zusammenfassen, denn sie beginnt 1887 und endet nach dem zweiten Weltkrieg. Im Kern stehen dabei drei Familien, deren Leben miteinander verwoben werden: die Goldschmidts, die Oppners und die Effingers. Während die ersten beiden Bankiersfamilien und Berliner Urgesteine sind, ist der alte Effinger als Uhrmacher in einer süddeutschen Kleinstadt tätig. Seine Söhne treibt es jedoch in die große weite Welt und so begegnen sich die Familien in Berlin. Gabriele Tergit wurde 1894 mit dem Namen Elise Hirschmann in eine jüdische Fabrikantenfamilie hineingeboren. Sie entdeckte schon als junge Frau ihr Interesse für soziale Belange und für das Schreiben. Mit einundzwanzig Jahren schrieb sie erste Artikel für die Zeitung und nach ihrem Studium und einer Promotion in Geschichte wurde sie zur Pionierin in einem bis dahin männlich dominierten Feld – sie schrieb Gerichtsreportagen. (Viele ihrer Reportagen sind in einem Sammelband mit dem fabelhaften Titel Vom Frühling und von der Einsamkeit erschienen, den ich sicher auch noch lesen werde.) Nachdem ihr erster Roman – Käsebier erobert den Kurfürstendamm – 1931 erschien und ein voller Erfolg wurde, nahm sie sofort die Arbeit an ihrem zweiten Werk auf. Doch durch den aufschäumenden Antisemitismus in Deutschland sah sich Gabriele Tergit gezwungen, das Land 1933 mit ihrem Mann und ihrem Sohn zu verlassen. Sie arbeitete daraufhin viele Jahre an dem Manuskript für Effingers, fand aber nach der Fertigstellung lange keinen Verleger und so konnte der Roman erst 1951 in der Bundesrepublik erscheinen. Leider fand er bei den Leser*innen kaum Anklang und war Jahrzehnte vergessen, bis er 2019 wiederentdeckt und neu aufgelegt wurde. Welch ein Glück! Tergit erzählt vom Schicksal der Familien, von Hochzeiten, sonntäglichen Essenseinladungen, Kindern und Kindeskindern, prunkvollen Häusern und dunklen Wohnungen, Fabriken und Theateraufführungen, finanziellen Turbulenzen, Krieg und Todesfällen. Ihr Blick wandert dabei immer wieder von Einzelpersonen und wunderbar pointierten Dialogen, zum spürbaren Wandel der Großstadt und des politischen Klimas im Land und wieder zurück zu den Figuren, die der Leserin mehr und mehr ans Herz wachsen. So entfaltet die Autorin ein geschichtliches Panorama, das sich liest wie ein mitreißender Familienroman und nicht ohne Grund wird Effingers mit den Buddenbrooks von Thomas Mann verglichen. Während sich der Roman zu Beginn noch gemächlich gibt und wir u.a. dem langsamen Aufstieg der Brüder Paul und Karl Effinger zu Berliner Großfabrikanten miterleben, nimmt er zusehends an Tempo auf. Die ohnehin kurzen Kapitel (es sind insgesamt 151 Stück) werden immer knapper, der Roman wird in der zweiten Hälfte noch vielstimmiger und reflektiert so die stets turbulenter werdenden Zeiten. Immer wieder ist man hingerissen von den detaillierten Beschreibungen der Zimmereinrichtung, der Mode, des Essens. Und immer wieder scheinen der Wandel, der Fortschritt, aber auch die Kluft zwischen den Generationen und das aufkeimende Übel des Nationalsozialismus durch. Der Roman beginnt mit einem Brief des siebzehnjährigen Paul Effinger, in dem er seinen Eltern in Süddeutschland vom “großen Aufschwung” und von seinem Leben “mitten in der großen Welt” berichtet. Im letzten Kapitel des Buches kommt ebenfalls Paul zu Wort, diesmal schreibt er als 81-jähriger Mann kurz vor der Deportation einen Brief an seine Kinder und Enkelkinder, in dem er sich wünscht, Gott möge ihm “einen schnellen Tod” gewähren. Hier schließt Tergit den erzählerischen Kreis und lässt ihre Leser*innen mit dem Gefühl zurück, ein wahrhaft großes Buch gelesen zu haben. Fazit Effingers ist vielstimmig, braucht daher aufmerksame Leser*innen und vor allem solche, die es nicht stört, ab und an den Stammbaum auf der letzten Seite zurate zu ziehen. Ich habe mir mit der Lektüre Zeit gelassen und war von der zweiten Hälfte noch begeisterter als von der ersten. Ich bin über viele wunderbare Begriffe gestolpert (“embellieren”, “soupieren”, “Oblomowerei”, “Hintenrumbutter”, “Grünkramladen” …) und mochte die Sprache insgesamt sehr. Einigen Figuren wäre ich gern ewig weiter gefolgt, aber vor allem Gabriele Tergits beachtliches Gespür für den Zeitgeist ist es, woran ich mich noch lange erinnern werde.

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Fazit: Ich erwähne ja gelegentlich sinngemäß, dass ich Thea Dorn auch dann noch begeistert zuhören würde, wenn sie gerade ein vierstündiges Spontanreferat in einer mir unbekannten Sprache über die Außenhandelsbilanz von Surinam halten würde. Und nachdem Frau Dorn über „Effingers“ in den allerhöchsten Tönen schwärmte, war es daher nur zu folgerichtig, dass ich die Herausforderung dieser etwa 900 Seiten auf mich nehmen würde. Und das hat sich mehr als gelohnt. Die erzählte Geschichte beginnt im Jahr 1878 mit Paul Effinger, dem, geboren und aufgewachsen als Sohn eines Uhrmachers im ebenso beschaulichen wie fiktiven Kragsheim am Neckar, seine provinzielle Umgebung zu klein wird, der hochtrabende Pläne hat, und daher nach Berlin geht, um dort eine Fabrik hochzuziehen. Später tritt sein Bruder Karl in den Betrieb ein und heiratet zudem in die alteingesessene Bankiers-Familie Goldschmidt-Oppner ein. In der Folge begleitet die Autorin diese Familien durch das ausgehende Kaiserreich, den Ersten Weltkrieg, die Weimarer Republik sowie die Zeit des Nationalsozialismus. Und allein aufrund des Zeitraums über den sich die Handlung erstreckt und des damit einhergehenden umfassenden Figuren-Ensembles kommt die Handlung sehr vielschichtig und abwechslungsreich daher. Zugegeben, das alles über die Dauer von 900 Seiten aufrecht zu erhalten, ist durchaus schwierig, und zwischenzeitlich kann die Schilderung des, überspitzt gesagt, viertausendsten Sonntagsessens mit anschließendem Mittagsschlaf in den unterschiedlichsten Räumen der heimischen Villa schon ermüdend wirken. Aber gerade diese Schilderungen, auch in ihrer Häufigkeit, sind meines Erachtens wichtig, um später den Kontrast herauszustellen, der sich im Leben der Familien aufgrund der veränderten politischen Gegebenheiten zwangsweise ergibt. Aber es lohnt sich dranzubleiben, und auch mal Schwächephasen in der Lektüre zu durchleiden, denn insgesamt wird man, nicht nur inhaltlich, mit einem wunderbaren Roman belohnt. Dass aber eben auch und gerade dieser Inhalt wichtig ist, muss angesichts eines erneuten Übergriffs vor einer Synagoge und der Tatsache, dass wir in einem Land leben, das seinen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern die Ausübung ihrer Religionsfreiheit in der Synagoge nur unter Polizeischutz gewährleisten kann, wohl nicht extra betont werden. Aber wahrscheinlich werden die, die dieses Buch am dringendsten lesen sollten, es sowieso wieder nicht lesen, vermutlich auch, weil sie gerade wieder damit beschäftigt sind, die Einschränkung ihrer Grundrechte durch die Alltagsmasken zu beklagen, während nur wenige Meter weiter tatsächlich Menschen, und zwar seit jeher und dauerhaft, eingeschränkt sind, wenn es um die Ausübung ihrer Grundrechte geht. Sei´s drum … Wenn man sich vom reinen Inhalt der Geschichte ab- und den Figuren zuwendet, dann fällt auf, dass die Autorin schon sehr nah bei ihren Figuren ist. Naturgemäß, bei einer derartigen Fülle von handelnden Personen, gefallen einem da einige mehr und andere weniger, allein weil man sich aufgrund der Dinge, die sie tun und sagen, unterschiedlich mit ihnen identifizieren kann. Dessen ungeachtet sind aber alle Charaktere nachvollziehbar und lebensnah gestaltet. Besonders erwähnenswert finde ich, wie gut es der Autorin gelingt, das Unverständnis ihrer Charaktere gegenüber ihren jeweiligen Nachfolgegenerationen darzulegen. So steht beispielsweise Waldemar Goldschmidt, geboren 1850, bereits dem Lebenswandel seiner Enkel mit ähnlichem Unverständnis gegenüber wie ich heute als mittelalter Mensch vor TikTok. Zeiten ändern sich oft schneller als Menschen … Stilistisch kann ich „Effingers“ nicht wirklich viel vorwerfen. Gut, 900 Seiten sind 900 Seiten sind 900 Seiten. Aber Gabriele Tergit versteht es, jede einzelne davon mit Leben zu füllen. Als einziger Kritikpunkt sei angemerkt, dass es oftmals eine irritierende Diskrepanz zwischen Erzählzeit und erzählter Zeit gibt. Als Beispiel sei hier sinngemäß eine Szene wiedergegeben, in der zwei Frauen miteinander einkaufen gehen. In der ersten und zweiten Zeile des Dialogs beschließt man, sich zu trennen und in unterschiedlichen Geschäften zu suchen, in der dritten gleicht man bereits ab, ob die Suche Erfolg gehabt hat. Als weiteres Beispiel stehen während eines Dialogs plötzlich Menschen mit im Raum, auf deren erwartetes Eintreffen zwar hingewiesen, deren eigentliches Ankommen aber nicht geschildert wird. Anfangs wirkte das auf mich wirklich teils verwirrend, teils befremdlich, aber wenn sich mal dran gewöhnt hat … Wenn man all das zusammen nimmt, dann kommt, wie erwähnt, ein ganz wunderbarer Roman dabei heraus. Darüber hinaus auch ein in seiner Urfassung sehr mutiger, denn „Effingers“ erschien bereits 1951. Vorausgegangen war eine mehrjährige, kräftezehrende Verlagssuche, denn in der deutschen Verlagslandschaft war man seinerzeit wohl der Meinung, dass die deutsche Leserschaft mit einem solchen Buch (noch) nicht konfrontiert werden wollte. Und der immer stärker um sich greifende Antisemitismus heutzutage scheint darauf hinzudeuten, dass sich daran nicht so wirklich viel geändert hat. Auch und gerade deshalb bleibt mir, wenn Frau Dorn sagt: „Dass dieses Buch nicht längst ein fester Bestandteil des deutschen literarischen Kanons ist, halte ich für einen Skandal.“, nichts anderes übrig, als ihr in vollem Umfang zuzustimmen. Wieder einmal …

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