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Rezensionen zu
Schwitters

Ulrike Draesner

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Der Begriff "Innere Emigration" bezeichnet Künstler und Intellektuelle, die im Widerstand zum NS-Regime standen, aber nicht ins Exil gingen, also aus Deutschland auswanderten. Der Hannoveraner Künstler (Maler, Dichter, Grafiker, etc.) Kurt Schwitters gehörte laut Geschichtsschreibung in den ersten Jahren der NS-Zeit auch der "Inneren Emigration" an. Der fiktive Schwitters im Buch lehnt diesen Begriff nach dem Krieg, immer noch im Exil, ab. Eine "geschützte Innerlichkeit des Künstlers" (S. 290) könne es innerhalb der menschenverachtenden Diktatur nicht gegeben haben. Es ist also eine Frage der Definition. Der reale Schwitters floh jedenfalls am ersten Tag des Jahres 1937, nachdem seine dadaistischen Werke von den Nazis als "entartet" diffamiert wurden, ins Exil nach Norwegen. Dorthin war sein Sohn Ernst bereits 1936 ausgewandert. Als die Deutschen in Norwegen einmarschierten, emigrierte Schwitters mit Sohn und Schwiegertochter nach Großbritannien. Nach verschiedenen Stationen in Internierungslagern fand Kurt Schwitters seine letzte Heimat in England, wo er 1948 starb. Ulrike Draesner schenkt uns in ihrem opulenten “Künstlerroman”, der keiner ist, wie sie im Nachwort sagt, Einblicke in Schwitters Leben. Die Kapitel bestehen aus fiktiven Momentaufnahmen, die sich aus der Biografie des Dada-Künstlers speisen. Da "Schwitters" aber vor allem ein Roman der Entwurzelung ist, beginnt die erzählte Handlung mit der Zeit kurz vor Schwitters’ Entscheidung zum Gang ins Exil, beschreibt vor allem die Zeit in Großbritannien, in der er sich in der neuen Lebenssituation zurechtfinden muss und endet mit seinem Nachleben, reflektiert aus der Sicht des Sohnes. Kurt Schwitters ist als Protagonist genau wie seine Poesie, wie seine Kunst: schwer greifbar, sperrig bis unzugänglich. Kein einfacher Mensch, den die Autorin zur Hauptfigur ihres Romans gemacht hat. Noch dazu im "schwierigen" mittleren Mannesalter, voller Todes- und Existenzängste, sich wie ein Ertrinkender ans Leben klammernd. Eine sehr vielschichtige Künstlerpersönlichkeit, dieser Schwitters, mit einer nicht minder komplexen Gedankenwelt. Dada und Merzbau eben, schwer vorstellbar für den Leser, was das eigentlich ist. Im Roman gibt es auch Kapitel, die aus der Sicht von Schwitters’ Familienmitgliedern geschrieben wurden. Zum einen aus der Perspektive seiner Ehefrau Helma. Als ihr Mann ins norwegische Exil ging, musste sie in Deutschland bleiben, um sich in Hannover um die alten Mütter der Eheleute sowie um den Immobilienbesitz (u.a. Mietshäuser) zu kümmern. Mir gefällt sehr dass auch sie, die körperlich ewig betrogene Ehefrau, zu Wort kommt und wir als Leser ihren Gedanken und Reflexionen folgen dürfen. Helma Schwitters war Muse und Modell ihres exzentrischen Künstler-Ehemanns, musste aber auch seine zahlreichen Affären und seine Launen verkraften. 1944, kurz vor Ende des Krieges, starb sie an Krebs, ihren Mann und Sohn hatte sie seit Jahren nicht mehr gesehen. Ernst, das einzige überlebende Kind von Kurt und Helma, kommt wie bereits gesagt ebenfalls im fiktiven Rahmen zu Wort. Der 1918 geborene Fotograf arbeitete sich als "Sohn von" an seinem Künstler-Vater ab, verwaltete sein Erbe, profitierte davon und machte in Norwegen, wo er nach 1945 zurückkehrte, eine ganz eigene Karriere. Auch über Schwitters’ letzte Lebensgefährtin, Edith Thomas, genannt Wantee, lernen wir viel im Roman. Sie gibt ihm die menschliche Nähe, die er fernab der Heimat braucht und die Sprache, die ihm anfangs fehlt: Englisch. Draesners Roman ist ein Sprachkunstwerk, voller rhetorischer Stilmittel und Erzählweise, "zusammentapeziert" wie eine Collage. Sie hat eine kraftvolle, bildhafte, poetische Sprache, die Stimmung erzeugt, eine ganz eigene Atmosphäre. Draesner versucht uns verschiedene Facetten dieses vielschichtigen Künstlermenschen Schwitters nahezubringen. Um die Komplexität seiner Persönlichkeit und der Welt, in der er lebte, zu erfassen, greift sie häufig auf das Stilmittel der Accumulatio zurück. Aber auch sonst entlehnt sie Sprachbilder aus Schwitters’ Kunstrichtung, dem Dadaismus, für ihre Romanbiografie. Sie weist in einem Nachwort darauf hin, dass alles, was sie schreibt, Fiktion ist (bis auf die belegbaren Daten und Fakten natürlich). "Schwitters" ist mit Sicherheit das anspruchsvollstes Buch, welches kein Klassiker ist, das ich seit langem gelesen habe. Ich habe mit dem Buch gehadert, mich teilweise durchgequält und Passagen überblättert. Dennoch käme es mir schändlich vor, es nicht mit fünf Sternen zu bewerten. Was will ich einfache Leserin schon eine so versierte Schriftstellerin wie Ulrike Draesner kritisieren? Mir fehlte jegliche Legitimation. Überdies ist DADA ebenso unzugänglich wie Draesners Roman es stellenweise ist. Ich denke es ist die Intention der Autorin dass ihr Roman enigmatisch, sperrig und unzugänglich wie ein dadaistisches Kunstwerk und gleichzeitig wunderbar poetisch und paradiesisch schön wie eine Landschaftsmalerei von William Turner ist. Man sollte sich dessen bewusst sein, wenn man es zur Hand nimmt. Ein intellektueller Roman über einen Intellektuellen und eine Geschichte der Entwurzelung eines Künstlers, die sehr berührt. In diesem Roman steckt wahnsinnig viel Kreativität, Kunstfertigkeit und Arbeit, insofern steht er dem Werk von Kurt Schwitters in nichts nach. Der Roman ist opulent und collagenhaft, manchmal nur schwer greifbar. Ein großartiges Werk, aber ich darf und kann eben nicht verhehlen, dass es nicht einfach zu lesen war.

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Die Jahre des Exils, vor allem aber die Jahre, in denen Kurt Schwitters dann mit seinem Lebensmenschen, Edith Thomas, kurz „Wantee“ (der ewige Hang zum Tee zärtlich verballhornt) einen neuen Dreh-, Angel- und Haltepunkt findet, rückt Ulrike Draesner in dieser stilistisch wie ästhetisch herausragenden und herausfordernden Annäherung an den MERZ-Schöpfer in den Mittelpunkt. Dabei gelingt ihr nicht nur eine sensible Charakterisierung des Künstlers, der auch zerrissen ist zwischen alten Familienbanden und neuer Liebe, sondern gewissermaßen auch eine Einführung in ein Stück Kunstgeschichte: Was DADA ausmacht, was MERZ ausmacht, das wird durch diesen Roman greifbar. Und dies immer auch in einer liebevoll-kritischen Distanz zum Künstler, der wie viele seiner Art durchaus den Hang zur Egomanie hatte.

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Mit Witz, unterhaltsam und auch tiefgründig liest sich der Roman von Ulrike Draesner mit dem Titel "Schwitters", der die Geschichte von Kurt Schwitter zum Inhalt hat. Exil - bedeutet, seine Heimat, sein Land verlassen zu müssen, seine Familie, Sprache und ein Publikum zu verlieren. Bedeutet aber auch, sich nicht unterkriegen zu lassen und trotz allem heiter im Gemüt zu bleiben. Die Autorin dieses Buch erzählt von Schwitters Lebensreise, von seiner Flucht, dem Exil und dem Leben als Künstler mit all seinen Höhen und Tiefen. Dieser Roman ist ganz besonders, er ist fesselnd, mitreißend und informativ zugleich und er ist lebensklug. Sprachlich ausgefeilt hat mir diese Romanbiografie extrem gut gefallen. Schon dem Umschlag, der doppelt um das Buch gefaltet ist, gebührt ein Pluspunkt, da er Kurt Schwitters gute und andere Lebensseiten beinhaltet, auf ganz unnachahmliche Art - lasst euch überraschen ... Im Alter von 49 Jahren muss Schwitters vor den Nationalsozialisten fliehen. Seinen gesamten Besitz ideell und materiell muss er zurücklassen, so auch seine Frau. Nun muss er eine andere Kunst ausüben, nämlich die Kunst des Überlebens. Irgendwann ist eine neue Frau an seiner Seite, sie hält ihn oben, hebt ihn immer wieder auf ... Wir steigen in Hannover in der Waldhausenstraße 5 in die Handlung ein - hier möchte ich gern das Museum in Hannover empfehlen, hier kann man Schwitters und sein Schaffen erleben. Es sind Fakten und Ausgedachtes, was Ulrike Draesner zu einem Lebensroman zusammenfügt, der ans Herz geht, der auch humorvoll ist, aber unbedingt tiefgründig die Kunst aus einem anderen Blickwinkel betrachtet ... aus dem schwieriger und dunkler Zeiten ... Widersprüchliches und Historisches, Absurdes .... das Leben mit der Kunst im Exil ... Eine zu 100 Prozent gelungene Publikation !!!

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“Vorsicht Spoiler!” Im Sommer erhielt ich vom Penguin Verlag eine Ankündigung für das Buch „Schwitters“ von Ulrike Draesner. „Ein tiefgründiger, dabei humorvoller Roman über die Kraft der Kunst in dunklen Zeiten.“ hieß es – die Neugierde war geweckt. Der Künstler und Schriftsteller Kurt Schwitters ist 49, als ihn die Nationalsozialisten zur Flucht aus Hannover zwingen. „Reichsbürger Kurt Schwitters, geächtet, arbeitslos“, wie er 1936 feststellt. Flucht - Erfolg, Werk, der MERZ-Bau in der Waldhausenstraße, die Eltern und seine Frau Helma bleiben zurück. Die Kunst weicht der Kunst des Überlebens mit dabei der 17-jährige Sohn Ernst. Ein zweites Leben in fremder Sprache. Erst in Norwegen, dann im April 1940 wieder Flucht. Weiter über London und endlich Lake District – hier beginnt Schwitters‘ zweites Leben. Ulrike Draesner lässt teilhaben an Suche des Künstlers nach einer Heimat, die er verloren hatte. Die dichte emotionale und bildhafte Sprache der Autorin lässt die Geschichte sehr nah an den Leser. Für Mr. Schwitters war das Deutsch nicht tot. „Es hatte sich in eine tiefe Höhle zurückgezogen. Dort rief es nach ihm.“ beschreibt Ulrike Draesner das zurücklassen des einstigen Lebens, „Köört damals, Körrt“, jetzt.“ ist zu lesen. Ein Bruch in der Identität, den die Autorin immer wieder aufzeigt. Jahre der Flucht - Sohn Ernst zieht es wieder zurück nach Norwegen. Die parallele Geschichte um die Annäherung an den Vater Kurt ist eingewoben in das Leben des Künstlers. Jeder kommt auf seine Weise an. 480 Seiten zwischen zwei Buchdeckeln: lebensbejahend und aufwühlend. Kunst als Überlebenselixier, das Stückchen Hoffnung, dass tagtäglich Kraft gibt weiterzumachen.

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