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Rezensionen zu
Beutezeit

Norris von Schirach

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€ 24,00 [D] inkl. MwSt. | € 24,70 [A] | CHF 33,50* (* empf. VK-Preis)

Anton ist ein Feingeist, guter Musik und schönen Frauen zugetan, ein Bewunderer der Callas und um die Jahrtausendwende als Rohstoffhändler in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion unterwegs. Zwischengestrandet in New York ist der deutsche Anfangvierziger auf der Suche nach einer neuen Aufgabe und landet so in Kasachstan, oder, wie er es noch ganz aus Moskauer Sicht sieht, an der Peripherie. Er soll für ein amerikanisches Konsortium ein Stahlwerk aufbauen - doch die Suche vin Kunden, Mitarbeitern und Rohstoffen ist denn doch ganz anders als im Westen. Anton ist dank seiner Erfahrungen im Russland der Jelzin-Ära abgehärtet für die neue Aufgabe, doch Kasachstan stellt sich dann in Norris von Schirachs Roman "Beutezeit" als noch einmal ganz anderer Kaliber heraus. Raubtierkapitalismus im Wilden Osten, so könnte man Anons Erlebnisse in einem Satz beschreiben. Es geht um Fressen oder Gefressen werden, in einigen der dramatischeren Auseinandersetzung um Posten, Macht und Stahl auch buchstäblich um Freiheit und Leben. Von Schirach hat selbst als Rohstoffhändler in Moskau und Kasachstan gelebt, man kann also davon ausgehen, dass der Roman die eine oder andere Eigenerfahrung enthält. Die Atmosphäre jener Aufbruchjahre, in denen die Verbindungen zwischen Politik und Wirtschaft, Organisierter Kriminalität und alten Geheimdienstseilschaften eher fluide waren (und mal ganz ehrlich - sind sie es nicht immer nocht?) ist klar spürbar beim Lesen. Ja, so waren sie, die postsowjetischen Hotels mit den Prostituierten in der Lobby, den Statussymbolen, die immer ein bißchen over the top waren, dazwischen die Tristesse der Plattenwohnblöcke und eine Aufbruchsstimmung, in derr alles möglich schien und gegen entsprechende Schmiergelder auch möglich gemacht wurde. Anton will so gut wie möglich sauber bleiben, was bei den schönen Frauen in seinem Leben als verrückte Marotte angesehen wird. Gelegenheits-Geliebte Alisha kennt sich im Machtapparat aus, die Chinesin Xenia will möglichst schnell mit Stahlhandel Mehrfahcmillionärin werden und ist in ihrem Ehrgeiz und ihrer Skrupellosigkeit ziemlich einschüchternd. Lediglich Mira, eine Rechtsanwältin, kämpft noch für das Gute oder wenigstens für das Überleben der Schneeleoparden im Kaukasus. Alte Kader, neue Player, der Aufstieg Chinas, eine Gesellschaft mitten in Absurdistan - von Schirach führt seine Leser in eine Welt des Aufbruchs, in der die Karten neu verteilt werden und jeder das Beste für sich herausholen will. Keine Welt für Feingeister jedenfalls. "Wir konnten hier nur scheitern", philosophiert Anton in einer schweren Krise, dieses Scheitern allerdings ist dann so grandios und episch wie eine Wagner-Oper, die der Musikfreund Anton so liebt. Die Beschreibungen des wilden Ostens dürften bei allen, die diese Zeit erlebt haben, ob nun in den GUS-Staaten oder sonstwo auf der östlichen Seite des einstigen Eisernen Vorhangs, nostalgische Gefühle beim Lesen wecken, wenn auch nicht unbedingt Sehnsucht. Daneben zeigt von Schirach die Fettnäpfchen und Herausforderungen auf, vor denen Anton und andere Expats im multiethnischem Kosmos der ehemaligen Sowjetunion stehen, mit den besonderen Sensibilitäten und Konfliktlinien zwischen Russen, Kasachen, Tschetschenen und anderen. "Beutezeit" ist spannend, unterhaltsam und informativ. Wer auf literarische Weise die Annäherung an die postsowjetische Gesellschaft sucht, sollte dieses Buch unbedingt lesen.

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ch habe dieses Buch für meine Leseliste ausgewählt, weil ich mir erhoffte, damit ein besseres Verständnis für die Situation in Russland mit Putin zu bekommen. Der Roman spielt in Kasachstan und man erfährt tatsächlich viel Wissenswertes über die Kultur und die Lebens- und Denkweise der Menschen dort. Russland, China und der Westen spielen darin auch eine Rolle. Meine Hoffnung hat sich erfüllt und ich kann dieses Buch jedem, dem diese Thematik interessiert, wärmstens empfehlen. Ein Schwarz-Weiß Denken wird damit aber nicht befriedigt. Viel mehr taucht man ein in die „Grauschattierungen“ eines Staats und bekommt, trotz der vielen Fragen, die einen danach immer noch beschäftigen, doch einen guten Einblick in eine uns völlig fremde Welt. Nach dem Lesen dieses Romans ist man einfach nur froh, in einer westlichen Demokratie wie Österreich zu leben. Die gesellschaftlichen und politischen Probleme bei uns wirken im Vergleich nämlich wie Lappalien. „Der Westen war mit Fehlern behaftet, aber grundsätzlich lebenswert. Es herrschte dort ein ständiger Wettbewerb um die besten Ideen, wie die Zukunft zu gestalten sei. Der Osten hingegen war ein zeitlos-unverrückbarer Bleiquader im Niemandsland parolengegerbter Kader, die in Anzügen steckten, deren Stoff an Jugendherbergsdecken erinnerte.“ Auch meinen Vater hat dieser Roman sehr beeindruckt, und das erwähne ich deshalb, weil er ein sehr kritischer Leser ist. „Blasse Helden“, den ersten Band der Trilogie, habe ich noch nicht gelesen, werde das aber nachholen. Volle Punktzahl für einen wirklich gut recherchierten, spannend erzählten, Horizont erweiternden und sehr informativen Roman!

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