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Rezensionen zu
Der lange Nachmittag der Erde

Brian W. Aldiss

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Es gibt Bücher, die machen Spaß, da weiß man recht schnell, dass man die weiterempfehlen wird. Bücher, die direkt in die imaginäre Liste, der unbedingt zu lesenden Geschichten eingehen. Die man jedoch trotzdem nur ein Mal liest und deren Inhalt man später eher schlecht als recht wiedergeben kann. Und es gibt absolute Meisterwerke, die man mehrmals liest, die einem immer in Erinnerung bleiben und die sich fundamental von anderen Büchern abheben. Michael Endes "Die unendliche Geschichte", Jeff Vandermeers "Southern Reach Trilogie", Henrik Tikkanens "Brändövägen 8 Brändö. Tel. 35", Robert Anton Wilsons und Robert Sheas "Illuminatus! Trilogie" sind solch außergewöhnliche Geniestreiche. Jedes auf seine Art. Brian W. Aldiss, den ich bisher gar nicht kannte, hat bereits in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts den Roman Hothouse, Treibhaus, geschrieben und Heyne hat ihn in einer Neuübersetzung in der Reihe Meisterwerke der Science-Fiction als „Der lange Nachmittag der Erde“ herausgegeben. Ein Roman, der zu einer Singularität bei mir geführt hat. „Der lange Nachmittag der Erde“ habe ich tatsächlich zuerst als Audio gehört. Und was Achim Buch da abliefert, ist für mich ab sofort der Maßstab, was als Sprecher möglich ist. Nicht nur, dass Brian W. Aldiss eines der phantastischsten Meisterwerke der Science-Fiction aller Zeiten geschrieben hat, Achim Buch liest es dermaßen grandios, dass ich mir anschließend noch das Buch gekauft habe, es sofort gelesen habe und danach noch einmal das Audiobook gehört habe. Sowohl Aldiss‘ Hothouse als auch Achim Buch sind somit vom mir bis dato Unbekannten zu einem ewig bleibenden Eindruck geworden. Und Buchs Interpretation der verschiedenen, ich nenne sie jetzt mal „Menschenartigen“, ist so unfassbar gelungen, dass mir der zweite Hör-Durchgang noch mehr Spaß gemacht hat. Und es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass ich mir das Hörbuch anhöre. Wer also Audiobooks mag, muss hier zugreifen. Buchs Leistung ist einmalig. Der grüne Planet Aber worum geht es überhaupt? Brian Aldiss hat eine Zukunftsvision entworfen, die so anders ist als alles, was ich bisher gelesen habe. Definitiv mehr Phantastik als Science-Fiction, aber das ist ja eh mein Lieblingsgenre. Bei Aldiss geht es nicht ein paar Jahrzehnte, Jahrhunderte oder gar Jahrtausende in die Zukunft, sondern hier geht es um evolutionäre Visionen. Der phantastische Abenteuerroman spielt etwa zweitausend Millionen Jahre in der Zukunft. Die Sonne ist auf ein Vielfaches ihrer uns bekannten Größe angewachsen und hat die Erde in ein von teils fleischfressenden Pflanzen überwuchertes Treibhaus verwandelt. Die Erde hat aufgehört sich um die eigene Achse zu drehen und es gibt folglich eine Tag- und eine Nachtseite. „Alles gehorchte einem unabdingbaren Gesetz und wuchs, wucherte zügellos und verstörend in seinem Wachstumsdrang.“ Der Kontinent, auf dem das Abenteuer beginnt, ist von einem einzigen, riesigen Baum überwuchert. „Banyanbäume entwickelten sich zu unerreichter Komplexität und wurden unsterblich.“ Die meisten Säugetiere sind aufgrund der Herrschaft der Pflanzen ausgestorben, insgesamt leben nur noch wenige Tiere, vielmehr haben Pflanzen angefangen tierische Eigenschaften und Überlebensstrategien zu kopieren. Menschen sind kleiner geworden und nur noch 30 bis 40 cm groß. Und so wie die Evolution scheinbar weniger komplex geworden ist, so ist auch die gesamte Gesellschaftsstruktur einfacher geworden. Genauso wie die Sprache, was wiederum bedeutet, dass auch die Weltwahrnehmung schlichter geworden ist. Dabei wird zwischen den verschiedenen Evolutionen und Entwicklungen unterschieden. Die Sprache passt also zur Gruppe bzw. Art und ist nicht einfach nur eine andere Sprache. Der Weltenbauer All das ist unfassbar grandios von Aldiss durchdacht. Die verschiedenen Pflanzen und Lebewesen, die stakkatoartige, schlichte Sprache, die Handlungen der Protagonist*innen. Alles passt zusammen. Natürlich vollkommen abgefahren, vollkommen absurd und geradezu wahnsinnig – aber eben wahnsinnig genial. Es gibt nur sehr wenige Bücher, die mich, ob der Ideen des Autors so sehr gefesselt und in eine völlig andere Welt entführt haben. Hier wird die Phantasie ausgereizt ohne dass jemals das Gefühl aufkommt, dass das so nicht passen kann. Wie auch. Wer kann schon sagen, was die Evolution in zweitausend Millionen Jahren zustande bringt. Ok, abgesehen vom Stillstand der Erde. Dennoch das Worldbuilding sucht seinesgleichen. Aldiss erschaffene Welt ist dermaßen kohärent und plausibel durchdacht, dass es eine reine Freude ist, diese zu entdecken. Die letzten verbliebenen Menschen haben ihre eigene Kultur, spezielle Riten, sowie Glaubens- und Weltvorstellungen. Die Gruppe um Gren, Lily-Yo und Yattmur wird von Aldiss auf einige harte Proben gestellt. Im Prinzip handelt es sich, wie schon erwähnt, um einen Abenteuerroman. Quasi eine Odyssee 2.000.000.001. Sorry, ich konnte es nicht lassen. Der zukünftige Odysseus begegnet ebenfalls unzähligen Gefahren und seltsamen Lebensformen. Huschbeeren, Termiezen, Bauchmännern, Egelsegel, Scharfpelze und fast alle trachten einander nach dem Leben. Und während einstmals die Menschen die Natur beherrschen wollten, beherrscht nun die Natur die Menschen. Und so fordert der stete Kampf ums Überleben seinen Tribut. Die Erzählung schwankt zwischen Weltbeschreibung und Action, aber so gut abgestimmt, dass weder das eine noch das andere zu sehr dominiert. „Über alldem schien, gleichgültige Erzeugerin des ganzen Gemetzels, die Sonne.“ Devolution Und die kleinen Baummenschen können nichts anderes tun, als sich ihrem Schicksal zu fügen. Für Erklärungen, Analysen oder selbst die richtigen Fragen fehlt ihnen die Intelligenz. Und so lässt Aldiss sie das Mantra der Ohnmächtigen „So ist es eben“, beständig wiederholen, wenn mal wieder jemand der Natur zum Opfer gefallen ist. Die Ideen von Aldiss sind so zahlreich, die teils philosophischen Gedanken so erfrischend wie amüsant, dass es eben nicht ausreicht, die Geschichte nur einmal zu lesen bzw. zu hören. Was ist das Rätsel der dunklen Seite der Erde? Was geschieht mit den hinauffahrenden Seelen? Und was ist der Sodale Ye? „Er sah sie (…) mit einem Blick an, den sie nicht als den seinen erkannte; darin lag die fatale Mischung von Dummheit und Schläue, die am Grund alles Bösen lauert.“ Einziger Wermutstropfen bleiben kleine Unterschiede zwischen Hörbuch und Schriftform, die mir unerklärlich sind, bzw. eher unverzeihlich. So werden im Hörbuch aus den Termiezen plötzlich Termächte. Ok. Mag besser klingen, aber das Original ist eben anders. Und aus „die Kunst einer Frau“ wird „ihre Kunst“. Das mögen nur Kleinigkeiten sein, aber ich möchte genau das lesen/hören, was sich der Autor mal gedacht hat. Das ist seine Kunst. Dann kann ich das auch selber bewerten. Das ändert aber natürlich nichts an dem kongenialen Duo Roman und Hörbuch, die ich beide unbedingt für Freunde der Phantastik empfehle.

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