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Rezensionen zu
Dopesick

Beth Macy

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€ 22,00 [D] inkl. MwSt. | € 22,70 [A] | CHF 30,50* (* empf. VK-Preis)

Für mich hat Beth Macy ein absolutes Meisterwerk mit „Dopesick“ geschrieben. Es ist ein absolutes Muss für alle betroffenen, interessierten oder für Leute die Personen kennen die in diese Thematik involviert sind. Mit ihrem Schreibstil erleichtert es Beth Macy dem Leser wirklich sehr in die Handlung rein zu kommen auch wenn man keine Fachausdrücke oder dergleichen kennt. Sie trifft den Nagel auf den Kopf und schreibt ehrlich und direkt- was ich mir insgeheim auch so erhofft habe bei diesem Buch. Ich persönlich interessiere mich für diese Thematik schon länger und hatte die knapp 400 Leseseiten in kürzester Zeit hinter mich gebracht. Es ist packend, spannend und erbarmungslos ehrlich zu gleich!

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Der Gesetzgeber hat lange unbeteiligt zugesehen, aber nun endlich bewegt sich etwas. Vergangene Woche wurde Johnson & Johnson zu einer Geldstrafe von 572 Millionen Dollar verurteilt. Begründet wurde dieses Urteil damit, dass ihre abhängig machenden Schmerzmittel mitverantwortlich für die Drogenkrise in den Vereinigten Staaten sind. Aber natürlich läuft ein Berufungsverfahren. Gleichzeitig gibt es Gerüchte über Vergleichsverhandlungen des Pharmakonzerns Purdue und dessen Eignerfamilie Sackler, Hersteller des Schmerzmittels OxyContin, gegen die rund 2000 Klagen anhängig sind. In der Gesamtsumme geht es dabei um ca. 12 Milliarden Dollar. 400.000 Todesfälle zwischen 1999 und 2017, in 2018 pro Tag ca. 250 Tote in den USA durch ihre Schmerzmittelsucht. Das ist der Stoff, aus dem sich Beth Macys „Dopesick“ speist, die auf ihrer Reise durch die USA Betroffene und Hinterbliebene besucht und befragt hat. Fast alle eint der Fakt, dass ihnen die Opioide erstmalig von ihren Ärzten verschrieben wurden. Ärzten, denen Vertreter des Pharmagiganten Purdue ab 1996 weisgemacht haben, dass sie mit OxyContin ein wahres Wundermittel gegen Schmerzen auf den Markt gebracht hätten. Wobei die verheerenden Nebenwirkungen natürlich verschwiegen und die Risiken heruntergespielt wurden. Denn natürlich drehte sich alles um den Profit. Ganz gleich ob Stadt oder Land, Arbeitsloser oder Akademiker, die Abhängigkeit zieht sich durch sämtliche gesellschaftlichen Schichten. Und nicht selten folgt dem Medikament, der Opioid-Abhängigkeit, der Umstieg auf Heroin. Die Geschichten ähneln sich allesamt. Sie zeigen beeindruckend nicht nur das Ausmaß sondern auch die Auswirkungen der Sucht, nicht nur auf den Einzelnen sondern auch auf die Gesellschaft. Aber es gibt auch Licht am Ende des Tunnels, denn gerade die Konsumenten, die sich aus der Sucht befreit haben, bekämpfen deren Verursacher nun mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mittel. Im Kleinen wie im Großen. Die Lektüre von „Dopesick“ macht traurig, aber auch wütend. Wütend, weil so lange weggeschaut wurde. Wütend, weil gerade unter Trump die Profite, nicht nur von Big Pharma, über das Wohl der Menschen gestellt werden. Wütend, weil diese Konzerne unantastbar scheinen. Aber nun das Urteil gegen Johnson & Johnson. Der Anfang ist gemacht.

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„Bei Amerikanern unter fünfzig sind Überdosen inzwischen die häufigste Todesursache. Es sterben daran mehr Menschen als durch Schusswaffen oder Autounfälle und mehr als auf dem Höhepunkt einer HIV-Epidemie.“ Öffentliche Toiletten, in denen sich Kanülenbehälter befinden, Bibliothekare, die Naloxon (ein Medikament, das die Wirkung von Opioiden aufhebt)verabreichen müssen und Abhängige, die ihre Familie in den Ruin treiben. Amerika befindet sich mitten in einer Epidemie. Alleine im Jahr 2018 starben in den USA täglich etwa 250 Menschen an Opioiden, also an Schmerzmitteln wie Oxycodon, Vicodin oder Fentanyl. Viele der Abhängigen bekamen die Medikamente anfangs infolge eines Unfalls oder einer Krankheit von ihrem Arzt verschrieben und kamen dann nicht mehr von ihnen los. Jahrzehntelang spielten profitgierige Pharmafirmen die Risiken dieser Mittel herunter, bewarben ihre Produkte aggressiv und nahmen damit leichtfertig den Tod unzähliger Menschen in Kauf. In ihrem erschütternden Buch Dopesick beschreibt Beth Macy, deren vorherige Bücher wie Truevine (2016) oder Many Years, Many Worlds (2014) bereits allesamt auf der New York Times-Bestsellerliste standen, wie Ärzte, Pharmakonzerne und das amerikanische Gesundheitssystem tausende Existenzen ruinieren und wie einige mutige Gegner den Kampf aufnehmen, indem sie sie große Pharmakonzerne verklagen oder Therapieangebote in Brennpunkten aufbauen. Die renommierte Autorin und Journalistin sprach mit Familienangehörigen, ehemaligen Süchtigen, Dealern, Ärzten, Therapeuten, Pflegepersonal, Richtern, Anwälten, den Strafverfolgungsbehörden und vielen anderen Institutionen. Eines wird dabei ganz deutlich: Die Opioidepidemie kennt keine gesellschaftlichen Schichten und keine Altersbegrenzung. Besonders schockierend sind die Einzelschicksale der jüngeren Abhängigen, die teilweise noch unter 20 waren, als sie an ihrer Sucht starben. Die Autorin berichtet zum Beispiel von Scott, einem sympathischen jungen Mann, der Sonnenblumen liebte und gerne für seine Freunde kochte. Seine Mutter ahnte lange Zeit nicht, dass ihr Sohn, der noch die Highschool besuchte, längst der Heroinsucht verfallen war. Doch dann fand sie eines Tages Nadeln in seinem Zimmer und obwohl sie alles tat, um Scott zu helfen, wöchentliche Drogentests bei ihm durchführen ließ und zu Hause alle Türen aushängte, damit er hier keine Drogen konsumieren konnte, war sie nicht in der Lage, sein Leben zu retten. Noch immer begreift sie es nicht und es sind Angehörige und besonders Eltern wie Scotts Mutter, die nun anderen Angehörigen und Süchtigen in diesem Kampf beistehen, den sie selbst nicht gewinnen konnten. Mit dieser Darstellung von Einzelschicksalen und einer entsprechenden Fotostrecke im Innenteil des Buches, verleiht sie der Epidemie ein Gesicht, lässt Betroffene zu Wort kommen und Daten und Fakten, die zuvor anonym erschienen, werden plötzlich bedrohlich real. „Bevor wir nicht verstehen, wie wir in diese Situation geraten konnten, wird Amerika ein Land bleiben, in dem es deutlich leichter ist, abhängig zu werden, als eine Therapie zu bekommen.“ Um zu verstehen, wie Amerika in diese Lage geraten konnte, stellt Macy auch die Geschichte des Opiums sowie die Kämpfe vor Gericht dar. Ursprünglich wurden Opioide Soldaten gegen ihre Kriegsleiden verschrieben, doch schon bald wurden sie gegen alle Beschwerden eingesetzt. Arzneimittel auf Opiumbasis wurden sogar bei Babys angewandt. Heroin wurde ihnen z.B. gegen Husten verabreicht. Immer wieder wurden kritische Stimmen laut, die vor dem erheblichen Suchtrisiko der Medikamente warnten, doch die mächtigen Pharmafirmen hielten den Klagen stand und kauften mit Geschenken, kostenlosen Reisen und teurem Essen weiterhin viele Ärzte, damit diese ihre Medikamente in Massen verschrieben. Nur sehr langsam und nach unzähligen Klagen von Angehörigen sowie Ärzten, die sich nicht kaufen ließen, verschärfte sich das Gesetz. Doch da war es für viele Menschen längst zu spät. Jedoch sind nicht nur Ärzte oder Pharmafirmen an der Epidemie schuld. Vielmehr krankt das gesamte amerikanische Gesundheitssystem, in dem die Behandlung mit Opioiden billiger und schneller ist als andere, natürliche Verfahren zur Schmerzbekämpfung, wie z.B. Akupunktur bei Rückenschmerzen. Die deutsche Ausgabe des Buches ist ergänzt um ein Nachwort von Prof. Dr. Christoph Stein, Arzt an der Charité Berlin. Er zeigt, dass sich die Opioidkrise keinesfalls auf die USA beschränkt. Auch in Deutschland und anderen europäischen Ländern ist der Konsum von Schmerzmitteln enorm angestiegen. Stein konstatiert sogar, dass der Missbrauch von Opioiden in den USA, Europa und anderen Regionen mittlerweile in vergleichbarem Ausmaß stattfinde, denn das Betäubungsmittelgesetz, welches das Werben für verschreibungspflichtige Medikamente eigentlich verbietet, sei für Pharmafirmen leicht zu umgehen. Dopesick – ein sorgfältig recherchierter, facettenreicher und vor allem schockierender Bericht, der spannend ist wie ein guter Roman.

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