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Rezensionen zu
Dopesick

Beth Macy

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Wie Ärzte und die Pharmaindustrie uns süchtig machen – das ist der vordergründig reißerische Untertitel dieses Sachbuchs aus den USA, das eine der größten Skandale der jüngsten Medizingeschichte aufschlüsselt: Die Opioidabhängigkeit vieler US-Amerikaner, die oft fatal im Heroinsumpf endet, begonnen in der vermeintlich ungefährlichen Einnahme von Schmerzmitteln wie Oxycodon oder Vicodin. Wer aufmerksam amerikanische Filme und Serien sieht, wundert sich manchmal, wie non chalant dort mit Analgetika umgegangen wird. Berühmtestes mediales, aber fiktives Opfer: Dr. House. Beth Macy ist eine renommierte Sachbuchautorin und schildert die Medikamentenabhängigkeit im lokalen wie globalen Ausmaße, wie Ärzte durch die Pharmaindustrie massiv geschmiert oder auch nur geködert und getäuscht werden, um aller Umsatz zu steigern. Ein Nachwort von Professor Stein der Charité in Berlin lässt vermuten, dass Deutschland auf einem ähnlichen Weg ist. Ich bin froh, dass ich Kinderarzt bin. (4/5)

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“Ihre [Wirtschaftswissenschaftler Anne Case und Angus Deaton] im Dezember 2015 veröffentlichte hochbrisante Analyse belegte, dass die Sterblichkeit unter weißen Amerikanern zwischen 1999 und 2013 jährlich unbemerkt um ein halbes Prozent angestiegen war, während in anderen wohlhabenden Ländern die Sterblichkeit im mittleren Alter kontinuierlich zurückging.” (S.28) Als ich das Buch aufgeschlagen habe, wusste ich zunächst nicht so recht, was mich erwarten wird. Wie hat die Autorin Beth Macy ein so verschwiegenes Thema um die tausenden stummen Medikamententode aufgebaut? Wie verpackt sie alles so, das einem vor lauter Fakten nicht der Schädel brummt. In einem kurzen Vorwort teilt sie ein paar Hintergrundinformationen mit. So begann sie bereits 2012 über die Heroinepidemie in Roanoke zu schreiben. Sie besucht in der Zeit Familien, lernt Schicksale kennen und spürt die menschliche Scham. Trotzdem erlauben ihr viele später ihre privaten Geschichten zu verwenden. Niedergeschrieben in “Dopesick”. Es kommen Zahlen und Fakten. Zahlreiche Daten, Namen und Ereignisse. Es dröhnt der Schädel und man merkt direkt, wie der Kopf vor lauter Informationsfluss abschaltet. Also erstmal durchatmen, zuklappen, ablenken und dann weiterlesen. Der erste Teil “Das Volk gegen Purdue” ist regelrecht vollgepackt mit Informationen. Überall kleben Post-Its am Rand und unweigerlich stellte ich mir die Frage: Geht das jetzt die nächsten dreihundert Seiten so weiter? Wie soll ich das alles in mir aufnehmen? Wie lange soll ich an dem Buch zu knabbern haben? “Auch Van Rooyan, die in Folsom (Kalifornien) wohnte, hatte aus dem Buch Pain Killer von Van Zees Kampf gegen Purdue erfahren und wollte dem Landarzt eine entscheidende Frage stellen: >Warum zum Teufel ist ein derart starkes Medikament überhaupt auf den Markt gekommen?<” (S.89) Im zweiten Abschnitt lockert die Autorin die Zügel. Jetzt geht es zu den Familien, den Opfern, die erst den Medikamenten und später den “richtigen” Drogen verfallen sind. Wobei, manchmal war der zweite Schritt nicht einmal notwendig um zu sterben. Ganz häufig liest man, wie Patienten im Krankenhaus behandelt wurden. Es gab Medikamente zur Linderung, intravenös oder oral. Man vertraut seinem Arzt. Schließlich beherrscht er sein Fachgebiet und will Menschen helfen. Oder etwa doch nicht? Geht es hier nur um das schnelle Geld? Die Sucht nach Reichtum und Wohlstand? Sind ihnen ihre Patienten egal? Diesen Eindruck gewinnt man zunehmend. Der Begriff OxyContin fällt häufig. Es ist ein Schmerzmittel. Allerdings mit starkem Suchtpotenzial. Patienten werden so ungewollt zu Junkies. Wollen nach der Behandlung immer mehr und rutschen oftmals in den Heroinsumpf ab. Oft unbemerkt von dem eigenen Umfeld. Warum sollte auch der Sohn, der so gut in der Schule ist und perfekte Leistungen bringt, süchtig sein? Nein! Das kann nicht sein! Sehr oft liest man, dass die Familien es nicht sehen wollten und sie sich heute dafür schämen. “Als ich sie zwei Jahre nach dem Tod ihres Sohnes traf, war sie noch immer nicht dazugekommen, alle Türen wieder einzubauen. Zerfressen von Schuldgefühlen und Trauer konnte sie nicht mehr arbeiten.” (S.149) Somit beginnt eine Flucht nach vorne. Es muss Aufklärung betrieben werden. Es müssen die Ärzte daran gehindert werden, solche harten Medikamente zu verschreiben. Solche Medikamente sollten generell verboten werden. Doch der Weg ist lang und steinig. Am Beispiel der Familien sieht man die Entwicklung. Wo konnte man kleine Siege erringen und wo muss noch gekämpft werden. Dabei sollte man niemals denken, dass das nur in Amerika passiert. Dieser Medikamentenmissbrauch ist auch in Deutschland allgegenwärtig. Einfach mal das eigene Umfeld fragen, ob sie überhaupt wissen, was sie da zu sich nehmen. An frei käuflichen (Schmerz)Medikamenten. Selbst Rezepte sind nicht sicher. Hier ein Ziepen, dort ein Drücken und man bekommt ein Rezept. Hand hoch, wer kennt nicht die Ärzte, die einen sofort krankschreiben mitsamt Rezept ohne einen groß zu untersuchen? “Dopesick” rüttelt auf, ist voller Emotionen und interessanter Fakten. Ein bedrückender Kampf gegen behördliche Wundmühlen. Trotz den holprigen Einstiegs, kann ich das Buch nur jedem empfehlen. Selbst wenn man glaubt darüber alles zu wissen, wird hier sicher eines Besseren belehrt. “Der von Trump ernannte neue Justizminister Jeff Sessions verkündete im März 2017: >Wir müssen es so formulieren, wie Nancy Reagan es damals tat: >Sag einfach Nein. Tu es nicht!<< Und zwei Monate später schlug die Trump-Administration vor, die Behörde des Drogenbeauftragten des Weißen Hauses durch eine Budgetkürzung um 364 Millionen Dollar faktisch zu zerschlagen, obwohl der Kampf gegen die wachsende Opiodeepidemie zu Trumps Wahlversprechen gehört hatte.” (S.311)

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„Medikamentenüberdosen hatten in den letzten fünfzehn Jahren bereits 300 000 Amerikanern das Leben gekostet, und Experten sagen inzwischen weitere 300 000 Opfer in den nächsten fünf Jahren voraus. Bei Amerikanern unter fünfzig sind Überdosen inzwischen die häufigste Todesursache.“ (S.15f.) Dieses Buch hat mich damals in der Verlagsvorschau des Heyne Hardcore Verlages sofort angesprochen. Zum einen weil ich ganz der Meinung des Klappentextes bin, dass dieses Thema heruntergespielt wird. Zum anderen arbeite ich im therapeutischen Bereich und bekomme leider mit, wie leichtsinnig einige Patientin mit ihren Medikamenten umgehen. Die ersten 100 Seiten nutzt die Autorin, um den Leser einen Überblick zu verschaffen. Heißt sehr viele Zahlen und sehr viele Fakten und dadurch erschien mir der erste Abschnitt stellenweise sehr trocken. Spannend hingegen die Entwicklungs- bzw. Entstehungsgeschichte von Medikamenten wie Morphin und Heroin. Andererseits erschreckend war zu lesen, wie die Zusammenarbeit von Ärzten und der Pharmaindustrie erklärt wird. „In den 1870er –Jahren war es in den höheren Schichten Europas und der USA bereits derart üblich, Morphin zu spritzen, dass Ärzte es bei allen möglichen Leiden verordneten, von Menstruationsbeschwerden bis zu Augenentzündungen.“ (S. 36) Für mich vollkommen neu war, dass zum Beispiel Heroin bereits Ende des 19. Jahrhunderts eine Rolle spielte. Ich hätte das viel mehr in die Neuzeit gesteckt. 1899 wurden sogar Hustentropfen für Babys mit Heroin versetzt. Und das der deutsche Pharmakonzern BAUER eine große Rolle spielte, im Vertrieb, ebenfalls eine neue Information für mich. Die Mitte des Buches ließ sich dann deutlich leichter und flüssiger lesen. Dies mag auch daran liegen, dass die Autorin hier einige Fallbeispiele nennt, in denen Angehörige von Suchterkrankten mit der Autorin sprachen. Die Berichtenden sind hier meist die Mütter, welche die Sucht ihres Kindes zu spät erkannt haben und welche dann machtlos waren. „Im Jahr 2013 war Jesse einer von 8257 heroinbedingten Todesfällen in den USA, die Mehrheit davon junge Männer – ein Anstieg von schwindelerregenden 39 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.“ (S. 240) Ein Fall, der auch mir berufsbedingt immer wieder auffällt ist, dass immer mehr Kinder heutzutage bereits unter dem Einfluss von Medikamenten stehen, darunter zählen vor allem ADHS-Medikamente, wie Ritalin und Medikinet. „Es ist unglaublich, bei wie vielen Menschen das genau nach diesem Muster lief: Oxy – Roxy – Heroin.“ (S. 246) Hinsichtlich dieses Zitats im Buch erklärt die Autorin anhand mehrerer Beispiele, wie die Betroffenen in den Teufelskreislauf gelangen. Ihnen wird das Medikament OxyContin vom Arzt verschrieben. Wenn dies seine Wirkung verliert, steigen viele auf Roxicodone um und sobald dieses auf dem Schwarzmarkt zu teuer wird, landen sie bei Heroin. „Ich habe nur noch gearbeitet, um Drogen nehmen zu können, und Drogen genommen, um arbeiten zu können, dazwischen gab es nichts mehr.“ (S. 258) Wirklich sehr spannend fand ich die angesprochene Thematik nach Hilfemaßnahmen. Was kann man tun, um diesen Süchtigen zu helfen? Die USA setzt auf eine medikamentengestützte Suchttherapie, das heißt, man gibt den Patienten andere Tabletten, welche die Nebenwirkungen eines Entzugs unterdrücken. Aber ist dies der richtige Weg? Diese Thematik hat mich wirklich zum Nachdenken angeregt und ich bin auch 2 Wochen nach Beenden des Buches noch auf keinen Nenner gekommen. Auch das Beispiel, dass man heroinsüchtigen kostenlos saubere Nadeln zu kommen lässt, lässt mich kritisch denken. Ist das wirklich Hilfe? „Ein berufstätiger Mann mittleren Alters war am Steuer bewusstlos geworden und hatte ihren Wagen gerammt – in seinem Arm steckte eine Heroinnadel.“ (S. 302) Besonders berührt hat mich die Geschichte von Tess. Eine junge Frau, welche den Absprung immer wieder versucht hat, von ihrer Mutter unterstützt wurde, aber dem Teufelskreis einfach nicht entkam. Im Nachwort bezieht sich die Autorin kurz auf die Situation in anderen Ländern, darunter auch Deutschland. Als mir die beiden Medikamente Tramadol und Gabapentin ins Auge fielen, schossen mir sofort einige meiner Patienten in den Kopf, welche sich einen Alltag ohne diese Medikamente gar nicht mehr vorstellen können. Ein erschreckendes Fazit. Mein Fazit Ein Buch mit einer erschreckenden Realität. Vor diesem Thema sollte niemand, wirklich niemand die Augen verschließen. Aufgrund der dominierenden Positionen der Pharmaindustrien rutscht man schneller in solche Angelegenheit hinein, als einem lieb ist. Wer sich für diese Thematik interessiert, sollte unbedingt einen Blick auf „Dopesick“ werfen, auch wenn jeden klar sein sollte, dass dies kein Roman ist, sondern ein Sachbuch, wodurch einige Stellen einfach sehr trocken sind und das Buch sich nicht durchgängig flüssig lesen lässt.

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Dopesick!

Von: elena_liest

09.09.2019

Beth Macy begleitet in ihrem Buch "Dopesick" Süchtige, deren Familienangehörige, Ärzte und Polizisten in ihrem Kampf gegen Drogen und Medikamentenmissbrauch. Sie geht dabei schonungslos und ehrlich vor, nimmt kein Blatt vor den Mund und schreckt vor der Wahrheit nicht zurück. Entstanden ist ein erschreckender Bericht über die derzeitige Situation in Amerika - und durch das Nachwort merkt man, dass auch Deutschland von diesem Problem betroffen ist. Macy macht den Lesern klar, dass die Drogensucht fast immer gleich anfängt. Jemand hat eine Verletzung, bekommt opioidhaltige Schmerzmittel verschrieben, wird danach süchtig und kommt von dort dann zu Heroin oder anderen Drogen, die leichter erhältlich sind als beispielsweise Oxy. Die Drogenabhängigen bestehlen ihre Familien, verkaufen ihren Körper und begehen Straftaten, um ihre Sucht zu stillen. Wirklich geholfen wurde ihnen lange nicht und wird ihnen auch heute oft noch nicht. Man sperrt sie weg oder führt einen kalten Entzug durch - was nachweislich zu Rückschlägen führt. Beth Macy hat die Betroffenen über 6 Jahre hinweg begleitet und interviewt, dabei sind teilweise sehr enge Beziehungen entstanden. Es wird ein nachvollziehbares und authentisches Bild geschaffen, das einen meist sprachlos und traurig zurücklässt. Manche Gesprächspartner sind bereits während der Recherche verstorben, diese Schicksale haben mich besonders bewegt. Der Schreibstil der Autorin ist sehr klar und verständlich. Da das Buch so interessant ist, lies es sich auch wirklich gut lesen, auch wenn der Inhalt teilweise harter Tobak war. Zudem ist das Buch auch toll aufgemacht. In der Mitte des Buches befinden sich einige Seiten mit Bildern der Menschen, mit denen Macy gesprochen hat und die sie in ihrem Kampf gegen die Pharmaindustrie und die Ärzte, die leichtfertig süchtigmachende Medikamente verkauft haben, begleitet hat. Ich kann jedem, der sich für dieses Thema interessiert nur empfehlen, "Dopesick" zu lesen. Man erhält einen guten und spannenden Einblick in die Thematik. Ich vergebe 4 / 5 ⭐.

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