Von:
Gethsemane
07.07.2019
„Deutschland verdummt“ - dieser Titel mutet polemisch an, aber beim Lesen erweist sich das Buch als recht differenziert. Es wird das erschreckende Bild einer Gesellschaft gezeichnet, die von einem Extrem ins andere verfällt: die alte rigide, herrische Methode Kinder zu bilden und die seit ca. 20 Jahren existierende pädagogische Spielwiese, auf denen sich seither sogenannte Bildungspolitiker austoben; von einer Legislaturperiode bis zur nächsten immer Neues ausprobierend.
Verlierer: zunächst alle, die diese Veränderungen mit der Brechstange von heute auf morgen umsetzen müssen und natürlich vor allem die Heranwachsenden, die – wie Winterhoff es gut beschreibt - aufgrund der Verhinderung vom Durchwandern aller dem Alter angemessenen psychologischen Entwicklungsstufen mit daraus resultierender entsprechender Neigung zu ständiger und sofortiger Bedürfnisorientierung – nicht mehr lebenstüchtig genug werden können, um die Zukunft gut tragend mitgestalten zu können.
Da die meisten Eltern „dauerhaft überreizt und gestresst sind“, erkennen sie nicht mehr, was ihre Kinder wirklich brauchen und derart bedürftig werden diese Kinder eingeschult in ein Schulsystem, in dem Lehrer sich zunächst um die soziale und emotionale Stabilisierung vieler Schüler*innen kümmern müssten, damit diese überhaupt unterrichtsfähig werden, was an einem solchen Lernort nicht im nötigen Umfang leistbar ist.
In vielen Interviews lässt Winterhoff Betroffene zu Wort kommen .
Winterhoff selbst entwickelt fünf wichtige Forderungen, um in der heutige Bildungslandschaft ein wieder tragfähiges Konzept zu etablieren:
1. Endlich die Dinge beim Namen nennen
2. Wieder auf Bindung und Beziehung setzen
3. Ein Gesamtkonzept für die Kindergärten und Schulen
4. Schluss mit der Sparpolitik im Bildungswesen
5. Keine Digitalisierung in Kindergärten und Grundschulen
Sicher gibt es den einen oder anderen Punkt, über den sich streiten lässt, aber insgesamt bringt das Buch die Misere gut auf den Punkt und bietet eben auch Lösungsvorschläge
Da sich das Buch nicht staubtrocken, sondern recht fließend lesen lässt hoffe ich, dass es nicht nur von im Bildungsalltag Betroffenen gelesen wird, sondern auch insbesondere von den Menschen, die Rahmenbedingungen schaffen für Bildungsorte.