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Rezensionen zu
Haarmann

Dirk Kurbjuweit

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Wir begleiten den fiktiven Ermittler Lahnstein, der uns an allen seinen Gedanken teilhaben lässt, während er versucht Haarmann zu fassen bzw den Mörder von 24 Jungen und jungen Männern. Wobei er seine eigene Tragödie verarbeiten muss. Ich fand es spannend, musste mich aber erst einmal an den Stil gewöhnen. Denn der ist völlig anders als ich es gewöhnt bin. Es gibt Dialoge, doch keine wörtliche Rede in dem Sinne. Wir folgen Lahnsteins Gedanken, die schnell wechseln zwischen Gegenwart und Vergangenheit, was der ebdrückenden Stimmung des Buches zugute kommt. Doch das bedeutet auch, dass man aufmerksam lesen muss, sonst bekommt man nicht alles mit und manchmal weiß man nicht gleich, wer was sagt oder ob es nur ein Gedanke war. Das ist anfangs schwierig, verleiht dem Buch aber auch etwas besonderes, wie ich finde. Dass wir nur dem Ermittler folgen, gibt uns einen Einblick in die Schwierigkeit der damaligen Polizeiarbeit, in die Unsicherheit und allgemein in die Grundstimmung der Zeit. Die Anfeindung der Homosexuellen und auch die verschiedenen politischen Meinungen, all das macht diesen Kriminalfall so schwierig. Von Haarmann erfährt man auch manches, wenn auch nicht so viel, allerdings wird seine Vorgehensweise explizit dargestellt. Was ich gut fand, so konnte man die Bemühungen der Polizei besser verstehen. Insgesamt hat es mir richtig gut gefallen. Ein Buch über einen Serienmörder, einen Ermittler und vorallem über die Zeit, in der das passierte

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Die düstere Aufmachung und der vage Klappentext verbunden mit der Tatsache, dass es sich hier um eine wahre Geschichte handelt, haben mich veranlasst, das Buch zu lesen. Kurz zum Hintergrund: Fritz Haarmann alias "Der Totmacher", "Der Werwolf" und "Der Kannibale" ist einer der brutalsten Serienmörder der deutschen Geschichte. Zwischen 1918 und 1924 war er verantwortlich für den Tod von mindestens 24 jungen Männern. Film und Literatur haben seine Geschichte dazu bereits häufiger aufgegriffen. Mit Haarmann erschafft Dirk Kurbjuweit nun einen Kriminalroman, der trotz der großen Brutalität der eigentlichen Taten ohne übertriebene Gewalt auskommt. Stattdessen werden hier die (Miss-)Geschicke der hannoverschen Polizei im politischen Kontext der jungen Weimarer Republik mit den gesellschaftlichen Missständen zusammengeführt und ergeben einen vielschichtigen und spannenden Roman. Der Bochumer Polizist Robert Lahnstein wird nach Hannover gerufen, um das Rätsel um die immer zahlreicher verschwindenden Jungs zu lösen. Nicht nur der Fall ist sehr undankbar, auch das Kollegium sieht Lahnstein als unwillkommene Konkurrenz. Da nur junge Männer verschwinden, liegt schnell der Verdacht nahe, dass es sich um einen Triebtäter handelt. Und auch Fritz Haarmann ist früh im Gespräch. Aber die Ermittlungen erweisen sich als äußerst schwierig und die Steine in Lahnsteins Weg sind gigantisch. Die damalige Politik und seine eigene Vergangenheit tun ihr Übriges, um den Roman mit mehr als nur einer grausamen Kriminalgeschichte zu füllen. Kurbjuweit beweist, dass er den Fall Haarmann sehr gut recherchiert hat. Gelegentlich gibt er Haarmanns Perspektive wieder, sodass der Leser einen Eindruck in die (vermutete) Psyche des Psychopathen erhält. Die Sicht des Täters darzustellen, finde ich bei derartigen Tätern allerdings sehr mutig. Können zivilisierte Menschen so ein krankhaftes Denken überhaupt nachvollziehen? Chefermittler Lahnstein finde ich eine sehr tolle Figur. Er wird sehr reflektiert und erwachsen dargestellt. Sein Wille das Verschwinden (und Morden - das ist jedem klar) zu beenden, ist immer präsent und steht auch hinter persönlichen Problemen zurück. Obwohl sich die Ermittlungen ziehen, zieht sich das Buch in keinem Moment. Zu omnipräsent ist das Grauen, das auf die jungen Männer in Hannover wartet. Ein wirklich gelungener Kriminalroman, der viele Facetten hat und die abscheulichen Taten des Fritz Haarmann auf moderne Art und Weise zeigt. Wenn wir uns vor Augen halten, dass das alles vor etwa 100 Jahren tatsächlich so und unter einigen wissenden Augen geschehen ist, bekomme ich zumindest schnell eine Gänsehaut!

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Wer sich für Fritz Haarmann und dessen Taten interessiert, hat viele Möglichkeiten: Sehr populär ist der Film "Der Totmacher" mit Götz George in der Rolle des Serienmörders, einige Bücher beschäftigen sich auch mit dem Hannoveraner, der zwischen den Weltkriegen sein Unwesen trieb. Dirk Kurbjuweit fügt dieser Reihe nun noch einen Kriminalroman hinzu. In diesem mischt er geschickt Fiktion und zum Fall Haarmann bekannten Fakten. Trotz sachlicher Darstellung und bekanntem Ende entwickelt sich im Verlauf der Ermittlungen des (fiktiven) Ermittlers Lahnstein Spannung, wenn auch in überschaubarem Umfang. Eine zusätzliche und sehr interessante Facette bildet die Schilderung der "Zustände", die zu Zeiten der Weimarer Republik herrschten. Sowohl Hitler und Konsorten als auch die wirtschaftlichen Herausforderungen der Bürger finden Erwähnung. Vor diesem Hintergrund wirkt es gar nicht mehr so abwegig, dass Haarmann sowohl die Kleidung als auch das Fleisch seiner Opfer verkauft hat. Die Graphic Novel von Peer Meter und Isabel Kreitz zur Mordserie war für mich der erste Schritt, mich mit dem Fall Haarmann zu befassen. Dirk Kurbjuweits Roman half mir nun dabei, das Bild zu vervollständigen. "Haarmann" von Dirk Kurbjuweit ist ein gefälliger m. E. hinreichend umfassender Einstieg in das Thema für alle Interessierten.

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Die Bewertung liegt für mich bei 2,5 Sternen , da das hier nicht möglich ist, habe ich aufgerundet. Zu Beginn muss ich ehrlicherweise sagen, dass Krimi nicht mein Hauptgenre ist. Dennoch war ich offen und eigentlich auch sehr gespannt auf dieses Buch. Ich bin Hannoveranerin, weshalb mich diese Geschichte noch einmal mehr angesprochen hat. So nun aber zu meiner Meinung. Es war kein schlechtes Buch. Man hat viel über das Deutschland der 20iger erfahren. Das fand ich sehr spannend. Doch die eigentliche Kriminalstory konnte die erhoffte Spannung leider nicht erbringen. Man wusste ja eigentlich schon von Anfang an, wer der Täter ist und auch der Ermittler kam recht schnell drauf. Grundsätzlich ja nicht schlimm, aber dann erwarte ich, dass der Weg der Verhaftung aufregend gestaltet ist. Dieses fehlte leider. Es gab kein „Katz und Maus“-Spiel. Keine strategischen Schachzüge. Das Buch hat sich an manchen Stellen sehr in die Länge gezogen und konnte mich leider nicht packen. Das wurde für mich persönlich durch die Länge der Kapitel noch verstärkt. Ich mag lange Kapitel generell nicht und das Buch bestand aus gerade mal 10 Kapiteln (wobei man das Letzte, mit einer Seite, fast nicht zuzählen kann). Trotzdem hat man einen Interessanten Einblick in die damalige Zeit und Gesellschaft bekommen. Auch über mein Heimatörtchen konnte ich noch so manches erfahren. Auf was ich mich wirklich gefreut habe, waren die paar Seiten zu Beginn und Ende jedes Kapitels. Hier wurden nämlich nochmal andere Perspektiven eingenommen und die fand ich wirklich aufregend. Fazit: Alles in allem: Bestimmt kein Buch für jedermann. Die Kriminalstory konnte mich leider nicht packen, das drum herum war dagegen spannend, trägt aber nicht das ganze Buch.

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Da ich selber aus Hannover stamme, musste ich dieses Buch unbedingt lesen. Daher danke ich dem Bloggerportal und dem Penguin Verlag für das Rezensionsexemplar. Ich habe schon viel von Haarmann gehört, von Erzählungen aus der Schule, in Geschichten meiner Familie und auch im berühmten Haarmann Lied "Warte, warte nur ein Weilchen, dann kommt Haarmann auch zu dir. Mit dem kleinen Hackebeilchen, macht er Hackefleisch aus dir..." In diesem Buch geht es genau um die Geschichte von Haarmann. Wie hat er damals diese schrecklichen Taten ausgeübt und die Polizei übers Ohr gehauen. Wieso hat es so lange gedauert und so viele Leben gekostet, bis Haarmann gefasst werden konnte? Genau das wird in diesem Buch erzählt. Ich fand dieses Buch wirklich fesselnd, wenn man dann erstmal drin ist. Dadurch das das Buch im Jahre 1923 spielt, ist der Satzbau teilweise etwas andes, wodurch ich manchmal durcheinander gekommen bin. Aber das passt eben sehr gut zu dem Buch selber. Besonders spannend fand ich die Erzählungen aus Haarmanns Sicht. Es ist einfach erschreckend, wie jemand der solche Dinge tut, denkt. Die Ausschnitte aus Kommissar Lahnsteins Vergangenheit mit seiner Freundin Lissy waren etwas in die Länge gezogen, wodurch mir das Buch manchmal etwas schleppend vorkam, aber das gehörten eben auch zu der Geschichte dazu. Im Gesamten hat sich die Zeit für dieses Buch mehr als gelohnt und man lernt wieder etwas über den Massenmörder Hannovers dazu.

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Hitler hat in München geputscht. Er sitzt in Untersuchungshaft. Gerne gibt man sich der Vorstellung hin, wie sich wohl alles entwickelt hätte, wenn aus der U-Haft etwas Längerfristiges geworden wäre! Dem ist aber nicht so. Die Zeichen der Zeit stehen anders. Die Weichen sind gestellt. Der Boden bestellt. Das gesunde Volksempfinden sehnt sich nach Sicherheit, Recht und Ordnung, all jenen Werten, welche ihnen die Weimarer Republik nicht bieten kann ... Vor dem Hintergrund jener fatalen Entwicklungen schildert Dirk Kurbjuweit die Geschichte des legendären "Totmachers", wobei sich diese Bezeichnung nur auf den von Romuald Karmakar inszenierten Spielfilm bezieht, der die Befragung Haarmanns durch einen Psychiater nachstellt. Der wahre Totmacher, Rudolf Pleil, war erst gut zwanzig Jahre später aktiv. Durchaus real ist aber die sich immer deutlicher abzeichnende Stimmung im Volk, und Stimmen wie diese mehren und multiplizieren sich: "Die Republik kann ja nicht einmal unsere Jungs schützen." Der scheinbare Widerspruch von Freiheit und Sicherheit ist für die junge Demokratie eine harte Belastungsprobe und extreme Fälle wie jener des Massenmörders Fritz Haarmann gießen (zusätzlich) Öl ins Feuer ... Rund um die undankbare Ermittlungsarbeit Robert Lahnsteins baut der Autor historisch belegte Fakten ein, die in ihrer Konsequenz und Vehemenz so etwas wie ungläubiges Entsetzen auslösen, zumindest dann, wenn man noch nie etwas von diesen Geschehnissen, die sich 1918-1924 in Hannover zugetragen haben, gehört haben mag. Schwierig insofern aber auch, wenn man in Unkenntnis der Vorfälle sowie den geschichtlichen Zusammenhängen zwangsläufig nicht alle Personen richtig zuordnen kann. Wer war real und wer nicht? So hat beispielsweise der zitierte, fiktive Ermittler einen sehr realen Vorgesetzten, den Reichswehrminister im ersten Kabinett Scheidemann und späteren Oberpräsident der preußischen Provinz Hannover, Gustav Noske. In anderen "True-Crime-Romanen" hat sich deshalb ein entsprechendes Register bewährt. Nicht ganz unanstrengend sind die privaten Befindlichkeiten Robert Lahnsteins, die nicht so recht in den realen Bezug passen wollen, aber ausführlichst in Länge und Breite gewalzt werden. Dies als reines Füllmaterial zu deklarieren wäre aber insofern falsch, als der Autor damit eine klare Absicht verfolgt. Wie sonst sollte man den Zwiespalt erklären, der zwischen den beruflichen Notwendigkeiten und den gesellschaftlichen Erwartungen liegt, die internen, bis heute nicht restlos geklärten Probleme noch gar nicht inbegriffen, denn in den eigenen Reihen stimmte etwas ganz und gar nicht ... Und mit der Sexualität einiger Menschen, den am "17.5." geborenen, ebenfalls nicht, wie man überzeugt war. Homosexualität galt als ekelhaft, unnatürlich und war unter Strafe gestellt. Lesenswert sind auch diese Passagen, insbesondere jene sensibel formulierten, die in eigener Sache entsprechende, zaghafte Beobachtungen und Erfahrungen machen ... So ist "Haarmann" nicht nur das Portrait eines unbarmherzigen Mörders, sondern auch die Skizze einer Epoche, die in der Intensität ihrer Darstellung, auf politischer und gesellschaftlicher Ebene, auch heute noch ein nervöses Unbehagen erzeugen kann. Am 19. Dezember 1924 wurde der Serienmörder Fritz Haarmann zum Tode verurteilt. Einen Tag später wurde ein künftiger Massenmörder aus der Festungshaft in Landsberg am Lech entlassen ...

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Da die Geschichte auf einem historischen Kriminalfall beruht, gehe ich in meiner Rezension auf einige Details ein. Deshalb: Vorsicht Spoiler! Die Geschichte, die Dirk Kurbjuweit in seinem Kriminalroman „Haarmann“ erzählt, ist eine ungeheuerliche und noch dazu eine wahre. Kein Wunder, dass sie seit fast einhundert Jahren eine riesige (negative) Popularität besitzt und in unzähligen Adaptionen in Theater, Kino, bildender Kunst, Musik und Literatur aufgenommen wurde. Fritz Langs berühmter Film „M-Eine Stadt sucht einen Mörder“ von 1931 ist an sie angelehnt, ebenso „Die Zärtlichkeit der Wölfe“ von 1973. 1995 entstand „Der Totmacher“ von Romuald Karmakar mit Götz George in der Rolle des Serienmörders Fritz Haarmann. Der österreichische Maler und Bildhauer Alfred Hrdlicka schuf einen Haarmann-Zyklus und einen Haarmann-Fries. Das Lied „Warte, warte nur ein Weilchen“ wurde ein echter Gassenhauer und existiert auch in einer etwas makabren beschwingten Jazz-Version von Hawe-Schneider. Fritz Haarmann, der zwischen 1918 und 1924 in Hannover mindestens 24 Jungen und junge Männer auf bestialische Weise ermordete, zerstückelte und auf ziemlich krude Art entsorgte, ist fast so etwas wie eine Volksfigur geworden. Dass er schon verschiedene Male für die Stadtwerbung Hannovers, u.a. auf einem Adventskalender, benutzt wurde, hat auch Proteste ausgelöst. Generell ist die Versuchung groß, einen solchen spektakulären Kriminalfall, der zudem nie restlos aufgeklärt wurde, voyeuristisch und sensationslüstern auszuschlachten. Eine erste seriöse Bearbeitung des Falls (trotz des Titels „Haarmann. Die Geschichte eines Werwolfs“) geschah durch Theodor Lessing, der als Prozessbeobachter zugegen war und auch die gesellschaftlich-politischen Umstände der Verbrechen in den Blick nahm, und erschien bereits 1925. Auch Spiegel-Journalist Dirk Kurbjuweit vermeidet mit seinem Roman „Haarmann“ jede Effekthascherei, sondern erzählt nüchtern und schnörkellos und packt jede Menge Zeitkolorit in seine minutiös recherchierte Geschichte des „Vampirs“, „Schlächters“, „Kannibalen von Hannover“. Der 1879 geborene Fritz Haarmann soll in der Kindheit, unter anderem von seinem älteren Bruder, wiederholt sexuell missbraucht worden sein. Nach der Schlosserlehre besuchte er eine Unteroffiziersschule, die er aber wegen Halluzinationen und Verhaltensauffälligkeiten frühzeitig verlassen musste. Bereits in jugendlichem Alter wurde ihm selbst sexueller Missbrauch von Nachbarskindern vorgeworfen, 1896 kam es zu einer ersten Anklage, als deren Folge er in eine Heilanstalt eingeliefert wurde. Er entkam und ging 1900 zum Militär, aus dem er aber wiederum, diesmal mit der Diagnose Schizophrenie, ausschied. Zunehmend taucht er nun in den Polizeiakten als 175er (Paragraph 175, das sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe stellte) und Kleinkrimineller auf. Gleichzeitig betätigte er sich als Polizeispitzel. Den ersten Weltkrieg verbrachte er im Gefängnis. 1918 kam es dann wohl zu seinem ersten Mord. Dirk Kurbjuweit beginnt „Haarmann“ fünf Jahre später, im Oktober 1923. Der aus Bochum neu hinzugezogene Kriminalkommissar Robert Lahnstein soll endlich Licht in die Reihe der seit Jahresbeginn gemeldeten Vermisstenfälle bringen, elf Jungen sind es mittlerweile, fünfzehn weitere sollen noch folgen. Denn auch wenn Lahnstein durchaus mit Eifer an der Aufklärung der vermuteten Verbrechen arbeitet, stellt er sich nicht besonders gut an. Überhaupt ist die Tatsache, dass die Taten erst so spät aufgeklärt wurden, das vielleicht Erschreckendste und Verblüffendste am Fall Haarmann. Gerüchte, Gerede, Beschuldigungen, ja sogar Anzeigen lagen frühzeitig vor, bereits nach dem ersten Mord 1918, der von Lahnstein erst deutlich später als zu der Serie dazugehörend erkannt wird. Das größte Problem stellte dabei dar, dass niemals Leichen gefunden wurden. Aber in Fritz Haarmanns Dachstube sollen die „Puppenjungen“, Herumtreiber und Stricher, aus- und eingegangen sein. Allerdings, so ein Nachbar, deutlich mehr ein als aus. Haarmann, der neben Altkleidern auch Fleisch verkaufte, ja in seinem kleinen Zimmer sogar schlachtete, soll zeitweise merkwürdiges, außerordentlich billiges Fleisch auf den Markt gebracht haben. „Menschenfleisch“ wird gemunkelt. Warum erst der Fund mehrerer Menschenschädel in der Leine im Sommer 1924 und schließlich eine öffentliche Auseinandersetzung zwischen Haarmann und einem jungen Mann am Hauptbahnhof Hannovers zur Verhaftung und Vernehmung des Mörders geführt haben, wird wohl eines der Geheimnisse der Kriminalgeschichte bleiben. Hat die Polizei Fritz Haarmann zum Teil gedeckt, weil er als Polizeispitzel tätig war? Ein bei ihm gefundener Polizeiausweis, mit dem er sich teilweise das Vertrauen der Jungen erschlichen hat, deutet zumindest darauf hin. Oder waren die Opfer, die „Puppenjungen“, den Beamten und letztlich auch der Bevölkerung eine intensivere Verfolgung der Vermisstenanzeigen nicht wert? War die Gesellschaft so kurz nach dem Krieg, in der krassen Armut, die in der Hannoverschen Altstadt herrschte, so verroht, dass sie das Schicksal der Opfer nicht weiter kümmerte? Dass bei den beengten Wohnverhältnissen kein Nachbar etwas von Haarmanns Treiben mitbekommen haben sollte, ist kaum vorstellbar. Fritz Haarmann hat durchaus nicht alle seine „Herrenbesuche“ getötet. Aber manchmal „überkam“ es ihn im Liebesrausch und er biss seinen Gespielen, den er meist auf dem Hauptbahnhof aufgegriffen hatte, in den Adamsapfel, würgte ihn zugleich und tötete ihn so. Nach der Tat zerstückelte Haarmann seine Opfer und entsorgte sie über den Abort, in der Leine oder – man munkelte es, er bestritt es bis zum Schluss – verkaufte das Fleisch an Gaststätten. Dirk Kurbjuweits personale Perspektive liegt hauptsächlich auf Ermittler Robert Lahnstein. Nur zu Beginn und am Ende eines jeden Kapitels wechselt diese auf den Jungen Martin, das (fiktive) Opfer, und auf Fritz Haarmann, die sich von Kapitel zu Kapitel aufeinander zubewegen, was die Spannung erhöht. Auch Robert Lahnstein ist eine fiktive Gestalt, die aber stark an den damaligen Ermittler Hermann Lang angelehnt ist. Aber dessen Gedanken und Gefühle, dessen Lebensgeschichte sind natürlich im Gegensatz zu vielen Details aus Haarmanns Leben, nicht bekannt. Deshalb greift Kurbjuweit hier zu einer fiktiven Person. Das gelingt dem Autor auch überwiegend sehr gut. Der der SPD nahestehende Lahnstein, der am Ersten Weltkrieg als Pilot teilnahm, dessen Vater auch ein Kriminaler war und der in der Trauer um seine verstorbene Familie immer wieder in Depressionen und Albträumen versinkt, ist sympathisch, aber durchaus nicht unfehlbar. Gerade als Ermittler im Fall Haarmann ist er zwar bemüht, aber durchaus keine Leuchte. Sein Widersacher ist der monarchistisch eingestellte Kollege Müller, der augenscheinlich mit Haarmann gekungelt hat und wenig Interesse an einer Aufklärung des Falles zeigt. Neben der Figurenzeichnung ist Kurbjuweit auch die Schilderung der heruntergekommenen Altstadt Hannovers rund um die damalige Leineinsel, auch Klein Venedig genannt, sehr gut gelungen. Die einst prächtigen Fachwerkhäuser verfielen immer mehr und wurden zum Wohnort der Ärmsten der Armen und zum Rotlichtviertel der Stadt. Nur in einer solchen Umgebung konnte ein solches Verbrechen überhaupt möglich sein. Außerdem thematisiert der Autor auch die politisch-gesellschaftlichen Umstände, die instabile Weimarer Republik, der immer noch der „Schandfrieden“ und der Versailler Vertrag vorgeworfen wurde, deren Beamte noch vorwiegend monarchistisch, auf jeden Fall nicht staatstragend eingestellt waren. Und deren junger Demokratie vorgeworfen wurde, nicht für die Sicherheit ihrer Bürger sorgen zu können. Ein klein wenig schwächelt der Roman in seinen fiktiven Passagen. Während die Figur des Robert Lahnstein noch sehr authentisch ist, wirkt dessen (fiktive) Bekanntschaft mit der Schwester Haarmanns doch sehr konstruiert. Ebenso, dass Lehnstein gerade in einer der berüchtigten Gaststätten ein verdächtig wirkendes Stück Fleisch verspeist oder dass ihn eigene homosexuelle Erfahrungen aus der Kriegszeit verfolgen. Auch dass das Schicksal von Frau und Sohn so lange verborgen und verhüllt wird, wirkt aufgesetzt. Aber das sind nur ganz kleine Mängel an einem gut recherchierten, spannend umgesetzten und klar erzählten True-Crime-Roman, den ich mit großem Interesse und sehr gern gelesen habe.

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Ein unspektakuläres Abbild der 1920er Jahre

Von: Franci Becker aus Ilmenau

01.05.2020

Wer kennt ihn nicht: einen der berüchtigsten Serienmörder den Deutschland je gesehen hat - Fritz Haarmann. Ich habe mich sehr auf den Kriminalroman von Dirk Kurbjuweit gefreut, der am 17.02. 2020 im Penguinverlag erschien. Ich möchte gleich zu Beginn sagen, dass sich meine Freude rasch in Langeweile verwandelte. Der Leser wird durch den Ermittler Robert Lahnstein in das Deutschland der zwanziger Jahre geführt. Durch authentische Schilderungen & Beschreibungen erhascht man einen greifbaren, realistischen Eindruck der Zustände, die zu dieser politisch stark erregten Epoche herrschten. Der Mangel an allem - sei es Liebe, Nahrung & Kleidung, Interesse an seinen Mitmenschen oder körperlicher Hygiene -; das Bild, welches mir in den Sinn kam, wenn ich durch Gassen & Gestank geführt wurde, von einem grauen, dreckigen Land mit seinen verwahrlosten, abgehärteten Bewohnern - das Deutschland nach & zwischen dem Krieg - löste eine starke Beklommenheit in mir aus. Die Art, wie der Autor die Suche nach einem Serienmörder erzählt, klar, mit kurzen, einfachen Sätzen, verstärkte mein Unbehagen. Eine trockene, emotionslose Schreibweise lässt den Kriminalroman wie einen Bericht erscheinen, in dem der Serienmörder Haarmann zwar als Hauptfall geführt, jedoch meiner Meinung nach nicht intensiv genug betrachtet wird. Das Leben von Lahnstein, einschließlich Rückblenden zu seiner Zeit als Pilot, die Weimarer Republik & die politische Situation im Gesamten waren meinem Eindruck nach das Hauptthema auf den 320 Seiten, zogen sich in eine gähnende Länge. Einen Hauch von Spannung empfand ich lediglich bei den wenigen Abschnitten, in denen ich den Gedanken von Haarmann selbst oder den Weg eines seiner letzten Opfer folgen durfte. Interessant, wenn auch gleichermaßen erschreckend, war die Tatsache der prägnanten Prostitution & Homophobie, die in den zwanziger Jahren vorherrschte, somit jeder Homosexuelle als potenzieller Straftäter, gar Unrat betrachtet wurde; aus heutiger Sicht undenkbar. Die Einblicke in die damalige Polizeiarbeit, samt Korruption & fragwürdigen Methoden, die Gleichgültigkeit der Gesellschaft u.A. gegenüber zahlreichen verschwundenen Jungen ließen mich den Kopf schütteln & dankbar dafür sein, nicht in dieser tristen Zeit gelebt zu haben. Beim Lesen selbst störte mich das Fehlen von Satzzeichen bei der wörtlichen Rede. Besonders macht dieses Werk die gründliche Recherche, sowie das Einbringen von original Aussagen, Gutachten & Schriftstücken. Wer auf einen spannenden Krimi hofft, in denen der berühmte Serienmörder Fritz Haarmann reichlich zu Wort kommt, detailliert auf die Taten selbst eingegangen wird, den muss ich leider enttäuschen. "Haarmann" von Dirk Kurbjuweit war für mich eine Mischung aus einer faktenreichen, fundierten Reportage, deren Lücken mit einem unspektakulären Roman gefüllt wurden.

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