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Rezensionen zu
Grenzgänge

Pajtim Statovci

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€ 22,00 [D] inkl. MwSt. | € 22,70 [A] | CHF 30,50* (* empf. VK-Preis)

Was bedeutet Heimat? Was Zugehörigkeit? Wer bestimmt wann und wo man ein Teil von wird? Und wann endet die rastlose Suche? Einiger dieser Fragen und noch viele mehr treibt den Protagonisten in dem Roman ‚Grenzgänge‘um. Es ist der Ich-Erzähler Bujar, der in Albanien groß wird und dem Elend mit seinem Freund Agir entschwinden will. Nicht nur wegen der ärmlichen Verhältnisse, auch die sexuelle Orientierung hat im traditionell verhafteten Umfeld keine Chance auf Entfaltung. Die beiden flüchten sich zunächst nach Italien und Bujars Flucht setzt sich dann durch die verschiedensten Länder und Städte fort. Nicht nur das, auch er selbst wechselt nach außen hin die Identitäten, mal täuscht er vor Italiener zu sein, mal eine Frau. Er traut sich, versteckt sich und vor allem sucht er sich selbst und seinen Platz. Letztendlich landet er in Finnland. Dieses Buch beschreibt grandios die inneren und äußeren Grenzgänge, die der Protagonist durchmacht und nimmt uns mit. Bujar kämpft mit allen Tricks und Täuschungen nach außen hin und lässt uns an seinem inneren Aufgewühlten teil haben mit sehr klugen Gedanken. Wahnsinnig gut erzählt und das auch noch verwoben mit albanischen alten Mythen, die der Autor hier gekonnt einflicht. Pajtim Statovci, 1990 im Kosovo geboren, wanderte mit 2 Jahren mit seinen Eltern nach Finnland aus. Nun ist er einer DER Nachwuchsautoren Finnlands und legt mit ‚Grenzgänge‘ aus dem Jahr 2016 einen tollen zweiten Roman vor, der nun auch in deutscher Übersetzung von Stefan Moster vorliegt. In diesem Roman wird aufgezeigt was Anderssein bedeutet, was Ungleichheit ausmacht und wie Multikulturalität gelebt wird. Übrigens auch ein Roman, der Jugendliche zusagen könnte, die auch auf der Suche sind. Ich wünsche dem Roman viele viele Leser! Er ist herausragend aus meiner Sicht.

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Der Tod des Vaters, die Flucht der Schwester, die Resignation der Mutter – all dies lässt Bujar schon in früher Jugend sämtlichen Halt verlieren. Seine Heimat Albanien befindet sich in einem politischen Umbruch; Sicherheit und Stabilität, gesellschaftlicher wie familiärer Rückhalt fehlen Bujar und treiben ihn fort: von sich selbst, seiner Identität, seinem Land und Leben. Gemeinsam mit seinem besten Freund Agim beschließt er zu fliehen, zunächst aus Tirana, später aus dem Land, das ihnen keine Hoffnung zu versprechen vermag. Jahre später erfahren wir von Bujars Irrfahrt durch die Metropolen Europas und der USA, eine permanente Sinnsuche, der Versuch, sich selbst und das, was ihn als Mensch ausmacht, zu finden, in Rom, Madrid, in New York und schließlich Helsinki. Und die Suche nach der Liebe, nach dem, was Bujar unter Liebe meint zu verstehen. „Wäre es nicht besser, sich einfach darauf zu konzentrieren, einzigartig zu sein?“ (S. 164) Mit „Grenzgänge“ ist Pajtim Statovci ein fantastischer Roman gelungen, der die Grenzen von Wahrheit und Imagination, Identität und Herkunft, Geschlecht und Sexualität dezidiert auslotet. Bujar ordnet sich in keine Form der Polarität ein, ist mal Mann, mal Frau, liebt über die Grenzen hinweg und schafft sich immer wieder neue Identitäten und Geschichten seiner Herkunft. Er*sie ist das, was er*sie in dem Moment meint zu sein, was ihm*ihr Halt gibt, ihn*sie stärkt und beruhigt. Die Wirren seiner*ihrer Jugend, vor allem ausgelöst durch den Tod des Vaters und den damit verbundenen Zerfall der Familie, haben die Persönlichkeit zersplittert, Identität als Konstruktion offengelegt. Statovcis „Grenzgänge“ verknüpft damit die jüngere Historie Albaniens mit einer Coming-of-Age-Geschichte der besonderen Art. Er exemplifiziert an seiner*m Protagonisten*in Bujar die soziologischen Diskurse der Gegenwart um Geschlecht, Körper und Provenienz und zeigt Wahlmöglichkeiten auf. Gleichzeitig erzählt er in wunderbar intensiver Manier die Geschichte eines jungen Menschen auf der Suche nach sich selbst. Die hervorragende Übersetzung von Stefan Moster schafft es, eine Atmosphäre zu kreieren, die es den Leser*innen möglich macht, einen Hauch Albanien zu spüren, das Albanien der jüngeren Vergangenheit in all seiner Verlorenheit ebenso wie die historisierte Form der Nation, repräsentiert durch clever eingestreute Sagen und Mythen. Diese Legenden erscheinen wie Phantasmagorien, wie Trugbilder, die metaphorisch die erzählte Gegenwart widerspiegeln und damit das Spiel von Wahrhaftigkeit und Maskerade, das Bujar in der Folge für sich inkorporiert, vorwegnehmen. Eine wahrlich unendlich intelligente Konstruktion, die gleichzeitig so geschickt in die narrative Ebene eingeflochten ist, das sie eben nie konstruiert wirkt. „Grenzgänge“ ist gleichzeitig spannende, road-movie-artige Erzählung, Geschichtsunterricht über den unterrepräsentierten Balkan-Staat und literarisches Psychogramm. Die emotionale Beteiligung der Leser*innen wird stetig hoch gehalten; der Plot-Twist fünf Seiten vor Ende des Buchs, der vieles erklärt und freilegt, ist überraschend und gleichzeitig dramatisch und voller Gefühl. Eine unbedingte Leseempfehlung dieses wundervollen Romans, der die Themen, die die gesellschaftliche Debatte derzeit beschäftigen, so unaufdringlich und gleichzeitig drängend zu bearbeiten weiß, dass ein intensiver Lesegenuss höchster Güte entsteht! Danke!

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Hauptfigur in „Grenzgänge“, dem vor kurzem im Luchterhand Verlag erschienenen Roman des finnisch-kosovarischen Autors Pajtim Statovci, ist Bujar, der in Tirana aufwächst, den es aber schon früh hinauszieht in die Welt und vor allem weg aus Albanien, wo er sich eingeengt fühlt. Zusammen mit seinem Freund Atim aus Kindertagen träumt er von einem Leben in Europa, und nachdem sich seine Familie durch Tod und Verschwinden auf ihn und seine Mutter reduziert hat, hält ihn nichts mehr. Es beginnt eine Odyssee, die ihn nach Italien, New York und schließlich nach Helsinki führt, immer auf der Suche nach einem Ort, an dem er sich zu Hause fühlen kann. „Grenzgänge“ bzw. das Überwinden von Grenzen lässt sich also vor allem auf das Wandeln durch die Welt beziehen, wobei hierbei die nachvollziehbaren, klar definierten Grenzen zwischen den Ländern gemeint sind, die für den Albaner Bujar nicht immer leicht zu überwinden sind. „Grenzgänge“ gibt es aber noch viel mehr in diesem äußerst komplexen Roman: Bujar entzieht sich selbst aller Grenzen, oder zumindest versucht er es. Am liebsten möchte er alles Trennende, alles in starren Kategorien Bezeichnende, schlicht ignorieren. Das gilt auch für Geschlechterzuschreibungen. Selten formuliert der Autor diese aus, und das ist eine Stärke des Buches. Seine Figuren müssen nicht in Schemata von schwul, lesbisch und heterosexuell passen, Bujar wird nicht eindeutig mit dem Wort trans beschrieben. So gibt es keine klaren Etiketten und Schubladen, so bleibt stets durchlässig, was Bujar ist, sein kann oder will, was er*sie jemals sein wird. Auf seinen Reisen durch die Länder erfindet Bujar sich immer wieder neu. Für jede Begegnung erzählt er sich und seinem Umfeld eine neue Geschichte über sich selbst, gibt sich einen neuen Namen, ein neues Geschlecht. Und wo man streng genommen vielleicht sagen könnte, dass er sie alle belügt, so ist das dann doch viel zu kurz gegriffen, so sind diese stets neuen Ichs immer auch Schritte auf dem Weg zu sich selbst. Es ist ein harter Weg. Bujar ist ein Verlorener und vor allem einer, der viel verloren hat. Der sich zwar anderen annähert, Beziehungen eingeht und Menschen in sein Leben lässt, dennoch aber stets etwas zurückhält – weil er nicht anders kann. Immer wieder wird er dabei auch Opfer von transfeindlichen und homophoben Angriffen und Beleidigungen. Oft bricht er abrupt seine Zelte ab und zieht weiter, immer auf der Flucht vor den Traumata der Vergangenheit, denen er aber nicht entkommt. Pajtim Statovci erzählt mit einer ungeheuren Intensität, sprachlich ohne große Schnörkel, aber klar und fesselnd. So folgen wir Bujar auf seiner Suche nach dem, was ihm am Ende möglicherweise ein wenig Frieden geben kann. Die Ich-Perspektive und dieses so intensive und sinnliche Erzählen tragen dazu bei, dass Bujar einem bei der Lektüre sehr nah ist, dass man fast das Gefühl hat, mit ihm zu verschmelzen, seine Einsamkeit und seine Isoliertheit so klar spürt, dass man gar nicht dazu kommt, ihn zu bewerten oder vielleicht auch einige seiner Entscheidungen zu verurteilen. Bujar ist vor allem ein Opfer, jedoch und vor allem eines, das keins sein will. Pajtim Statovci vereint somit mehrere wichtige Komponenten in seinem Roman: Da ist die Flucht aus Albanien und die verächtliche Sicht der Westeuropäer auf die Nachbarn aus dem Osten, denen der Weg in den Westen schwer gemacht wird. Da ist die Suche nach der eigenen Identität, die Bedeutung von Geschlechterrollen und das Ringen des Protagonisten darum, sich irgendwo darin wieder zu finden. Aber es geht auch familiäre Bindungen, denen man sich letztlich dann doch nicht oder nur sehr schwer entziehen kann, um Herkunft und Klasse. Eingeflochten werden in die Geschichte auch immer wieder alte Märchen und Mythen, an die Bujar sich in späteren Jahren erinnert. Es ist also eine ganze Menge, das Statovci unterbringt in „Grenzgänge“, doch an keiner Stelle ist der Roman überfrachtet, hat man das Gefühl, dass er zu viel gewollt hat. „Grenzgänge“ bewertet seinen Helden nicht, verzichtet auf klare Zuschreibungen. „Grenzgänge“ lässt einen vielmehr etwas erleben und erfahren. Ein intensives Leseerlebnis, fesselnd, beeindruckend und ein Highlight dieses Leseherbstes.

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Manche Bücher eröffnen neue Welten. „Grenzgänge“ von Pajtim Statovci ist eines davon. Der Roman erzählt die Geschichte von Bujar, der ein Junge ist, aber ein Mädchen sein möchte. Er erzählt von Flucht und der Suche nach Wertschätzung und nach Liebe. Bujar wächst in Albanien auf, beim Sturz der letzten kommunistischen Regierung ist er vierzehn Jahre alt. Kindheit und Jugend sind geprägt von den Geschichten, die der Vater erzählt – von Helden und Gleichnissen, von Skanderbeg und dem Adler und vom Stolz darauf, ein Albaner zu sein. Vorsicht Spoiler: Im Frühling 1991 stirbt sein Vater, seine Schwester verschwindet und die Mutter versinkt in Trauer. Bujar verlässt mit seinem Freund Agim sein Elternhaus. Im Sommer 1992 kaufen sie sich ein kleines Motorboot und wagen die Überfahrt nach Italien. Bujar verbringt mehrere Jahre in Rom, wo er seine Träume von einem erfolgreichen Leben schwinden sieht. Er ertrinkt fast in dem Gefühl, unbedeutend zu sein, wagt schließlich nach einem misslungenen Selbstmordversuch einen neuen Anfang. Die Suche nach dem neuen Leben führt ihn nach Berlin, Madrid, New York und schließlich nach Helsinki. Er gibt sich mal als Mann, oft als Frau, erfindet seine Lebensgeschichte immer wieder anders. Familie, Kindheit, Herkunft in immer neuen Varianten. Seine wahre Herkunft verrät er nicht. Er erlebt Ausgrenzung im doppelten Sinne – als Flüchtling und als Transsexueller. Jeder Ort auf seiner Reise steht für eine Beziehung, keine davon hält lange. In Madrid zieht er bei Rosa ein, die schon von Heirat träumt, bis sie ihn in Frauenkleidern antrifft. In Berlin lebt er als Frau und trifft bei einem Kurs für kreatives Schreiben auf Anton, welcher ihn zu sich einlädt, etwas später seinen Irrtum erkennt und seinen Frust mit Schlägen Luft macht. In New York wohnt er bei Maria, in Helsinki liebt er Tanja, die eigentlich ein Mann ist, sich aber wie er als Mädchen fühlt. Dazwischen immer wieder Agim, sein Jugendfreund. Seine erste Liebe. So als müsste sich jede neue Beziehung daran messen. Die Geschichte wird nicht chronologisch erzählt, sondern wechselt ständig zwischen den Kindheits- und Jugenderinnerungen in Albanien und der Zeit nach der Überfahrt nach Italien. Sie kreist um den einen großen Schmerz, um die schlimmste Erinnerung, die sich nicht aussprechen lässt, sich nur in einem Gleichnis und erst ganz am Ende andeuten lässt. Der finnisch-kosovarische Autor Pajtim Statovci zeichnet seinen Helden in kraftvollen Bildern. Der Text schafft gleichzeitig Nähe und Distanz. Nähe, weil Bujar mich an seinen Gedanken teilhaben lässt. Ich werde zum heimlichen Mitwisser, weil ich als Leser einordnen kann, welche Teile seiner Lebenserzählung wahr und welche erfunden sind. Im Präsens geschrieben, vermittelt die Geschichte zudem das Gefühl, unmittelbar dabei zu sein. Distanz, weil Bujar eher beiläufig erzählt, als würde er aus einiger Entfernung ein Leben betrachten. Statovci hat einen sympathischen Helden geschaffen, dessen Welt mir fremd ist und dessen Lebensträume mir vertraut sind. Ich entdecke eine neue Perspektive, eine neue Sicht auf die Dinge. Eine weitere Seite im Buch unserer Geschichte. Mein Fazit: Unbedingt lesenswert.

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