Von:
Michael Maaß
02.11.2019
*Spoiler*
Das Buch bringt einen schon im ersten Kapitel direkt in die Handlung rein. Die Protagonistin Mona, die von ihrem langjährigen Lebensgefährten abwertend als Gutmensch betitelt wird, erbt ein Haus in München, das Millionen schwer ist. Zuerst klingt alles wie im Traum, doch schon bald muss Mona lernen, dass es doch nicht so einfach ist, wie es zu Anfang den Anschein hat. Als sie beginnt sich mit der Geschichte des Hauses auseinanderzusetzen, weiß sie nicht mehr, ob es tatsächlich ein Traumhaus ist oder eher ein Alptraum.
Abwechselnd liest man zu Beginn von Mona, die 2018 ihr Erbe antritt und Klara, die 1938 in eben jenem Hause lebte und die Jugendverfolgung gnadenlos miterlebte. Doch nach den ersten 50 Seiten taucht plötzlich eine Sabine auf. Zuerst weiß man nicht richtig, wie sie in diese Geschichte passt, lebt sie doch in Hamburg und hat scheinbar mit Klara und Mona nicht zu tun. Erst während des weiteren Lesen laufen alle Erzählstränge der Gegenwart und der Vergangenheit zusammen und ergeben eine spannende und tragische Geschichte, die sich durchaus so in der NS-Zeit zugetragen haben könnte.
Der Roman ist aus der Sicht eines auktorialen Erzählers geschrieben. Dadurch war es zu Beginn etwas schwierig, sich in die Figuren direkt hineinzuversetzen. Man fühlte sich lange als außenstehender Beobachter. Insgesamt ist der Roman flüssig geschrieben und hat eine gute Erzählsprache. Die Handlung geht geradlinig voran. Man spürt mit jedem Kapitel, dass man dem Geheimnis um das Schwanenhaus näherkommt. Dennoch waren mir manche Handlungen stellenweise zu ausführlich beschrieben. Es interessierte mich nicht so brennend, wo Mona essen geht oder was sie ist, oder was sie alles auf dem Markt einkauft oder welche Kleidung sie trägt oder wie sie Weihnachten verbringt. Das hat meiner Meinung nach nur unwesentlich zur Handlung beigetragen und hätte vom Lektorat gekürzt werden können. Auch ihr moralisches Dilemma hinsichtlich des Erbes wird mehr als einmal sehr ausführlich dargelegt. Natürlich ist es nachvollziehbar, doch hätte ein paar Zeilen weniger dafür gereicht.
Ähnliches gilt für Sabine. Sie bezeichnet sich selbst als Hartzer und scheint sich damit arrangiert zu haben. Gleichzeitig ist sie mit ihrem Leben aber unzufrieden. Sie träumt von einem besseren Leben, von mehr Geld. Ernsthaft dafür etwas tun, will sie aber nicht. Im Gegenteil sie schaut auf ihre Tochter herab, die jeden Tag zur Arbeit geht und Dinge tut, die eigentlich ganz normal sind: Kochen, Plätzchen backen, pünktlich sein… In jedem Kapitel, das aus Sabines Sicht geschrieben ist, wiederholt sich ihr Gejammer und ihr unausstehlicher Charakter kommt zum Vorschein.
Mona selbst ist ein Gutmensch, jemand der einen „moralischen Kompass“ hat und anderen helfen möchte. Manchmal erschien sie einem zu gut. Ich glaube in dem ganzen Buch hat sie nicht einmal etwas aus reinem Eigennutz getan. Es fällt mir schwer zu glauben, dass es solche Menschen tatsächlich geben soll. Oft schon wurde sie wegen ihrer Gutgläubigkeit ausgenutzt und dennoch lernt sie nicht dazu. Sie gibt den Leuten eine zweite Chance, auch wenn sie diese nicht verdient haben. Die Quittung dafür bekommt sie prompt. In diesem Sinne ist Mona eher ein schwacher Charakter. Erst ganz am Ende zieht sie ihre Konsequenzen.
Klara bleibt das ganze Buch hindurch eher unscheinbar. Man erfährt durch sie, wie sich die Dinge zugetragen haben, aber wirklich etwas über sie erfährt man nicht. Zumindest hat sie bei mir keinen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Insgesamt handelt es sich um einen unterhaltsamen Roman, der einen die Schrecken der NS-Zeit nicht vergessen lässt, aber auch daran erinnert, dass es nicht nur schlechte Menschen gab. Jeder muss für sich selbst entscheiden, wie er mit diesem Erbe umgeht und seine Zukunft nach besten Wissen und Gewissen gestalten.