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Rezensionen zu
Die Spuren der Stadt

Lars Saabye Christensen

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Mit „Die Spuren der Stadt“ gelingt Christensen eine interessante Milieustudie, die im Oslo der Nachkriegszeit verortet ist. Ich habe gut hundert Seiten gebraucht, um mich an das eher langsame Tempo und die ruhige, unaufgeregte, teils melancholische Erzählweise zu gewöhnen. Zu Beginn störten mich dabei vor allem die Protokolle der Sitzungen des Roten Kreuz, die jedem Kapitel nachgelagert sind. Im Laufe der Lektüre lernte ich sie als weiteres Stilmittel zur Entschleunigung immer mehr zu schätzen, denn sie geben dem Roman einen zeitlichen Rahmen, helfen bei der Einordnung der Geschehnisse und vermitteln einen Eindruck vom Wandel und den Bedürfnissen in den Jahren nach dem Krieg. Im Verlauf der Erzählung lernt der Leser nicht nur die Stadt – ich war bisher leider noch nie in Oslo –, sondern auch die Charaktere immer wieder neu und aus anderer Perspektive kennen. Dabei beeindruckte mich vor allem der stets fließende Übergang zwischen den Figuren innerhalb einzelner Abschnitte. Jede Begegnung und jeder Weg, der sich kreuzt, wird so zu einem erzählerischen Element, denn sie sind immer auch mit einem Perspektivwechsel verbunden. Alle Figuren eint der Einfluss der Kriegsjahre, ein Schwanken zwischen altem und neuem Leben. So wie der 7-jährige, hochsensible Jesper Kristoffersen sich erst im Leben zurecht finden muss, suchen auch seine Mutter Maj, Vater Ewald oder Witwe Frau Vik zwischen den Sorgen des Alltags und in den Wirrungen eines neuen Zeitalters nach Fixpunkten. Auch wenn einen die Lebensgeschichten der Figuren nicht immer direkt packen, schafft Christensen es gleichzeitig mit seiner scharfen Beobachtungsgabe das Bild einer Stadt zu zeichnen, über die der Leser mehr erfahren möchte. Dabei zeigen nicht nur Platz, jede Straße oder jedes Lokal zeigen Norwegens Hauptstadt immer wie neu und anders, sondern auch die Jahres- und Tageszeiten bestimmen die Wahrnehmung einer Stadt, die gelebt und erlebt werden will. Für Oslo-Fans und diejenigen, die es noch werden wollen, ein Muss. Für alle anderen eine entschleunigende Lesereise mit Höhen und Tiefen. Lieblingszitat: „Sie sind noch Kinder, doch der Krieg, an den sich kaum einer von ihnen noch erinnert und den sie dennoch nicht vergessen können, hat einen Schatten auf sie geworfen, der ihr Alter vollkommen durcheinander bringt.“

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Ich war noch nie in Oslo, doch nach der Lektüre dieses Romans kommt es mir so vor, als hätte ich einige Wochen dort verbracht – und das obwohl die Geschichte in der Nachkriegszeit spielt. Dabei lernte ich die Stadt auf eine besondere Weise kennen, und zwar aus der Sicht verschiedener Charaktere. Dazu zählt beispielsweise der siebenjährige Jesper Kristoffersen, der sich mit dem schwerhörigen Sohn eines Schlachters anfreundet und Klavierstunden nimmt. Seine Mutter engagiert sich beim Roten Kreuz, während sein Vater an einer Ausstellung zum 900-jährigen Stadtjubiläum arbeitet. Wir lernen die Sehnsüchte und Sorgen weiterer Bewohner kennen wie die eines Pianisten, eines Arztes oder einer Witwe, deren Wege sich in dem Roman kreuzen. Dabei gelingt es Lars Saabye Christensen, fließend von der Perspektive einer Figur zur nächsten zu wechseln und uns durch ihre Schicksale zu navigieren, wobei der Fokus auf den hochsensiblen Jesper liegt. Er ist buchstäblich so nah an den Figuren, dass man das Gefühl hat, man begleite sie auf dem Weg zur Schule, zur Kirche oder in den Park. Dabei nutzt der Autor jede Gelegenheit, um Straßen, Plätze, Geschäfte oder Lokale genauestens wiederzugeben, selbst die wechselnden Stimmungen in der jeweiligen Jahreszeit. Nicht nur Bilder, sondern auch Geräusche und Töne spielen eine wichtige Rolle. Nach leichten Anlaufschwierigkeiten tauchte ich immer mehr in diesen Kosmos ein, den Christensen mal melancholisch, mal poetisch, mal äußerst humorvoll beschreibt. Sehr amüsant fand ich die Szene, in der die Familie Kristoffersen ganz aus dem Häuschen ist, weil sie ihr langersehntes Telefon bekommen und angestrengt überlegen, wen sie als erstes anrufen könnten. Jedes Kapitel endet mit dem Protokoll einer Sitzung des Roten Kreuzes, was einen guten Einblick in die Nöte der Stadt gibt, mit der Zeit aber auch etwas ermüdend ist. Man sollte sich Zeit nehmen für die knapp fünfhundert Seiten, auf denen sich zwar nicht viel ereignet, die uns jedoch dank Christensens besonderer Ausdruckskraft und scharfer Beobachtungsgabe eine interessante Milieustudie und eine lohnenswerte Lektüre beschert.

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