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Rezensionen zu
Das Adelsgut

Iwan Turgenjew

Manesse Bibliothek (13)

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€ 25,00 [D] inkl. MwSt. | € 25,70 [A] | CHF 34,50* (* empf. VK-Preis)

Fjodor Lawretzki zieht es zurück in seine Heimat. Nachdem er turbulente Zeiten in Paris und Italien erlebte, möchte er sich gerne wieder zu Hause niederlassen. Ruhe und Beschaulichkeit, ja sogar russische Traditionen, sollen wieder mehr Platz in seinem Leben finden. Nach den Reisen durch die Städten bevorzugt er den Aufenthalt auf dem Land. Ein besonders verwahrlostes Landgut in seinem Besitz hat es ihm besonders angetan. Es wird wieder hergerichtet und wohn- und auch herzeigbar gemacht. Und eine neue Liebe, sehnsüchtig, verzehrend, unerfüllt, bemächtigt sich seiner. Lisa ,die junge, sehr tugendhafte Tochter seiner Cousine, hat ihm den Kopf verdreht, zumindest glaubt er das. Ob er, als weltgewandter Herr, sich den strengen Regeln des keuschen, erzkatholischen Russlands unterordnen kann, sei dahingestellt. Zudem ist er immer noch verheiratet, auch wenn diese Bindung nicht von Glück und Überschwang gesegnet ist. Im Prinzip klingt der Inhalt, der ganze Rahmen dieses im Jahr 1842 spielenden Romans wie eine leidvolle Lovestory (quasi älterer Herr verliebt sich in junge Frau). Doch dem ist nicht so. Es ist nur ein Konstrukt für den Autor, um all das zu erzählen, was ihm wohl wichtig erschien. Turgenjew malt mit seinen Worten unglaubliche Bilder der damaligen Zeit. Auch wenn die Handlung selbst dahin weht wie ein laues Lüftlein, so merkt man, welcher Sturm der schreibenden Leidenschaft sich in den Zeilen verbergen mag. Das leidende „Ich“, charakteristisch für seine Protagonisten, wird eingebaut in eine Welt des russischen Landadels mit allem was dazu gehört. Manchmal kommt es einem vor wie eine ruhige Kamerafahrt durch die Landgüter, lauscht Gesprächen, bestaunt deren Leben zwischen russischer Tradition und dem Wunsch, am aufblühenden Wandel Europas teilzunehmen, und nimmt als Leser in gewisser Art selbst daran Teil. Ruhig, ohne Hektik, entsteht so ein fein skizziertes, oftmals kritisch beleuchtetes Portrait der damaligen Gesellschaft. Die russische Wehmut plätschert sanft an die Ufer, ohne zu überfluten. Und selbst eine gewisse Ironie, besonders in den Dialogen, fehlt nicht, spiegelt sich gar in versteckter Kritik wider. Ein ganz großes Lob geht an die Übersetzerin für diese sehr wundervolle Arbeit. Meine Leseempfehlung richtet sich an alle Freunde klassischer und russischer Literatur, oder jene welche es noch werden wollen. Das Buch selbst ist, wie immer beim Manesse Verlag, ein Fest für Haptik und Optik.

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Dieses Buch habe ich durch Zufall entdeckt, weil ich mir vorgenommen hatte mal wieder etwas "anspruchsvollere" Lesekost bzw. etwas klassisches zu lesen. Mir hat die handliche Ausgabe sehr gut gefallen, genauso wie die Gestaltung des Covers, die Kombination der Farben und den Ästen. Außerdem habe ich schon öfter mit den Büchern aus dem Manesse Verlag geliebäugelt und schlussendlich habe ich mich aufgrund der guten Rezensionen für dieses Buch entschieden. Als ich es dann endlich in den Händen halten konnte war ich sogar noch begeisterter, denn hier wurde sich bei der Buchgestaltung so viel Mühe gegeben und es ist das Geld auf jeden Fall Wert! Russische Literatur ist schon etwas ganz besonderes und ich habe mich immer mal wieder daran gewagt, aber man braucht einfach Zeit um diese genießen zu können. Ich habe mich in der Landschaft angekommen gefühlt, denn sie ist so wunderbar bildlich beschrieben, dass ich das Gefühl hatte selbst dort zu sein. Hier wird ohne großes "Geschwafel" sehr umfangreich beschrieben, vor allem aber sehr poetisch und das auf eine ganz leichte Art und Weise. Ich hatte Angst dafür, dass die Geschichte zu schwer sein könnte aber das war überhaupt nicht der Fall. Eine ganz besondere und vor allem dramatische Liebesgeschichte ist hier zu finden, die zeigt dass es sich durchaus lohnt auch mal den Klassikern wieder Zeit zu geben. Fazit: Zwischendurch juckt es mir in den Fingern mal etwas klassisches zu lesen, diesmal habe ich mich für diese handliche Ausgabe entschieden und es hat mir wirklich gut gefallen. Es war sehr interessant zu lesen und ich habe mir mal wieder bewusst Ruhe und Zeit genommen und konnte deswegen das Buch genießen.

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Klassiker lesen? Viele verbinden damit wahrscheinlich lange Schulstunden mit abgefledderten, alten Büchereiausgaben, die nicht unbedingt zum Lesen animierten. Die Manesse Bibliothek verpackt die Geschichten in ein kompaktes, kleineres Taschenformat als Hardcover mit individuellem Design und verleiht so den lesenswerten Bänden ein neues Ich. Seit Start der Reihe im Oktober 2017 sind mittlerweile 15 Ausgaben erschienen und neben Kafkas “Das Schloss”, Swifts “Gullivers Reisen” oder Shelleys “Frankenstein” lassen sich auch unbekanntere Perlen finden. Unser Fokus lag in diesem Fall auf Iwan Turgenjews “Das Adelsgut”, das von Christiane Pöhlmann neu übersetzt und durch ein Nachwort von Michail Schischkin ergänzt wurde. coverIn “Das Adelsgut” kehrt Fjodor Lawrezki nach Jahren in Paris nach Russland zurück, um nach einer gescheiterten Ehe das Gut seines Vaters zu übernehmen. Hier vertreiben sich die Nachbarn die Tage mit Kunst, Musik und allerlei Klatsch und Tratsch und schnell wird Lawrezki durch seine wilde Vergangenheit in der Bohème zum Mittelpunkt des Geschehens. Die Annäherungen mit der schüchternen Lisa führen schließlich zum Unheil, denn die zügellenkende Mutter Lisas hat ganz andere Pläne für ihre Tochter. “Das Adelsgut” spiegelt das gesellschaftliche Leben der Höhergestellten Russlands auf dem Land wider, mit seinen ganz eigenen starren Sitten und Vorstellungen. Iwan Turgenjew gibt seinen Protagonisten viel Raum und Zeit. Und so passiert es, dass ein Treffen mehrerer Personen mehrmals unterbrochen wird, um die komplette Biografie der neu eintreffenden Gäste zu erläutern. Bis zum Erreichen der “zarten Liebesgeschichte”, wie sie im Klappentext bezeichnet wird, braucht man viel Geduld und so kann man ab und zu schon von Langeweile sprechen, die beim Lesen aufkommt und die dadurch begünstigt wird, dass alle Figuren eher blass und eindimensional wirken. Sie alle erfüllen ihren einen Zweck in der Gesellschaft. Es gibt die mondäne Dame und Mutter der Familie, den verarmten Klavierlehrer, den tratschenden Nachbarn, die gefallene Ehefrau … Sie alle erwecken leider keine Sympathie. Ich habe den Roman eher mit einem Schulterzucken beendet, die Begeisterung blieb leider aus, dennoch werde ich mich sicher noch häufiger mit weiteren Titeln dieses so bedeutenden russischen Schriftstellers befassen.

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Was uns in "Das Adelsgut" von Iwan Turgenjew begegnet ist keine weltverändernde Handlung, oder unvergessliche Romanze. Aber es ist eine Abschrift auf die Frage, "Was ist Glück?", eine mit wunderschönen literarischen Bildern. Fjodor Iwanytsch Lawrezki, unser Protagonist, kehrt nach Jahren im Westen zurück in seine russische Heimat, nachdem ihm seine Frau untreu geworden ist. Zurück in der Stadt O. möchte er pflügen, seine Bauern gut behandeln und redlich sein, da begegnet ihm die hübsche Töchter seiner Verwandten, Lisa Kalitina. Die Charaktere und wie sie scheitern sollen typisch sein für Turgenjew. Marfa, die Großtante besagter Lisa hat es mir am meisten angetan, trotz ihres Alters und ihres Pflichtbewusstsein setzt sie sich für das Glück der jungen Verliebten ein, die ihr ans Herz gewachsen sind, und dabei ist sie eine ganz knorzige, eigenwillige Figur. Was das Buch einzigartig für mich gemacht hat sind die Landschaften, die Häuser, die Einrichtungen. Sie werden bei Turgenjew zu ganz eigenen, schönen, auch romantischen Bildern. Sie sind das Gegenstück zu den unerfüllten Hoffnungen und dem Scheitern in den Figuren. Nebenbei portraitiert das Buch den Wandel des Adels im 19. Jahrhundert. Die Leibeigenschaft sollte abgeschafft werden und so überkam den Adel eine Perspektivlosigkeit und ein Gefühl überflüssig zu sein, dargestellt in der Hauptfigur. Aber auch einige der Bauern verkamen. Alles in allem: Lesen! Überhaupt vergesst ihr viel zu oft die russischen Klassiker! Vielen Dank für das zur Verfügung gestellte Rezensionsexemplar, lieber hübsch gestalteter Manesse Verlag.

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Iwan Turgenjew hat mit Das Adelsgut einen wunderbaren Roman geschrieben. Eine Geschichte mit dem typisch russischen Flair, mit hervorragend ausgestalteten Charakteren und mit einer Story, die sehr authentisch wirkt. Wer Tolstoi mag, der wird auch an diesem Buch seinen Gefallen finden. Der Manesse Verlag hat hier eine sehr schöne Ausgabe vorgelegt, die mich alleine schon von den Farben sehr begeistern konnte. Aber auch die zahlreichen Anmerkungen und die gesamte Aufmachung ist im Premiumbereich angesiedelt. Ein tolles Buch, dass mich motiviert mich auch in naher Zukunft weiter den Russen hinzugeben.

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Dieses Adelsgut – irgendwo in der Pampa von Russland – hat eine wechselvolle Geschichte, eine Geschichte voller Entbehrung, Liebe, Leidenschaft, Verzicht… Ebenso wechselvoll gestaltete sich das Leben von Fjodor Lawretzki, der nach seinem Studium in Moskau, einer gescheiterten Ehe in Paris und ereignisreichen Jahren in Italien endlich auf seinen Familiensitz zurückkehrt. Nach Jahren des unsteten Lebens sehnt er sich nach Beständigkeit und Traditionen. In Lisa, der Tochter seiner Cousine, scheint er eine treue Partnerin gefunden zu haben. Doch Lawretzki ist nach wie vor verheiratet, und eine Beziehung mit diesem jungen Mädchen im konservativ-katholischen Russland wäre gänzlich unmöglich…! Auf über 300 Seiten portraitiert Iwan Turgenjew die Gesellschaft Russlands des 19. Jahrhunderts: Es passiert in diesem Roman im Grunde genommen nichts weltbewegend Neues. Im Grunde genommen finden sich in diesem Roman alle Zutaten für eine kitschig-süßliche Schmonzette. Was dies verhindert? Die Sprache…! Ich lese die Sätze und bin bezaubert: Turgenjew wählt die Worte mit Bedacht, reiht sie wie Perlen auf einer Schnur auf und vereint sie zu großer Formulierkunst. Er kreiert Bilder mit diesen Worten. Seine Sprache ist voller Wehmut und Melancholie und entbehrt auch nicht einer gewissen Ironie. Ich lese die Sätze und bin begeistert: Lange Text-Passagen kommen gänzlich ohne Dialoge aus. Vielmehr stellt er sich in seiner Erzählweise als Vermittler an die Seite des Lesers und beschreibt ihm die Situationen. Dies gelingt ihm mit viel Leidenschaft und Verständnis für seine Protagonisten. Die Dialoge, besonders die Wortwechsel der gehobenen Gesellschaft, besitzen dafür einen feinen Witz. Ich lese die Sätze und bin gefangen: Die grazile Sprachmelodie nimmt mich für sich ein. Einige Sätze lese ich mit Freude zum wiederholten Mal und zolle innerlich auch der Übersetzerin Christiane Pöhlmann meinen uneingeschränkten Respekt. „Eine Sprache mit Geschick handhaben heißt, eine Art Beschwörungszauber treiben.“ Charles Baudelaire Mit „Das Adelsgut“ von Iwan Trugenjew halte ich zum ersten Mal einen Band aus der „Manesse Bibliothek“ in meinen Händen: Ich liebe schöne Bücher und würde einem gebundenen Buch immer den Vorrang geben. Der Manesse-Verlag gestaltet diese Reihe äußerst geschmackvoll und sehr hochwertig. Es kommt eben nicht nur auf den Inhalt an!

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Kürzlich stellte sich bei einem Gespräch die Frage, wen denn eigentlich bei Rezensionen "dieses ganze Geschwafel über Ausstattung und Lesebändchen - ja oder nein - und derartige Dinge" interessiere. Nun, mich. Und zwar sehr. Gibt es mehrere Ausgaben eines Buches, nehme ich mit Sicherheit erstens die gebundene und zweitens die mit Lesebändchen. Und bei einem Verlag wie Manesse kann es mir passieren, dass mich der Inhalt überhaupt nicht interessiert, aber das Buch so schön ist, dass ich es trotzdem haben will. In diesem Fall war das ganz sicher nicht so, aber dazu kommen wir gleich. Bleiben wir noch ein bißchen bei der Ausstattung. Fast nichts macht mich so glücklich wie eine liebevolle und wohldurchdachte Ausgabe eines Werkes der Weltliteratur, eine, wo Schutzumschlag, Lesebändchen und Vorsatz eine Einheit ergeben, eine mit sinnvollen Anmerkungen und einer Einführung in Werk, Leben und Zeit des betreffenden Autors. Das gelingt kaum einem Verlag so durchgehend auf gleichbleibendem Niveau wie Manesse. Und dafür möchte ich mich einfach mal bedanken bei den Menschen, die sich so viele Gedanken machen und diese dann so liebevoll umsetzen. Also ganz, ganz lieben Dank für diese wunderschönen Bände! Und hier beginnt nun die Rezension für Kaltduscher und Lesebändchenverachter. Alle anderen lesen hoffentlich auch weiter... Ich habe schon immer ein besonderes Verhältnis zu russischer Literatur gehabt. Ich liebe die Sprache seit ich in der Schule die Möglichkeit hatte, sie zu lernen. Das war an westdeutschen Schulen nicht üblich, daher war es ein glücklicher Zufall, dass es bei uns eine Lehrerin für Deutsch und Russisch gab, die nachmittags eine AG eingerichtet hat, um uns Sprache und Kultur zu vermitteln. Mit fünfzehn, sechzehn Jahren habe ich dann angefangen, mich durch die russische Literatur zu lesen: Dostojewski, Tolstoi, Puschkin, Gogol, Tschechov... Kein Turgenjew. Warum? Das weiß ich nicht. Es ist mir aber wieder einmal bewußt geworden als ich "Das Adelsgut" entdeckte. Und so ist diese Erzählung tatsächlich meine erste Berührung mit diesem so wunderbar lyrischen Schriftsteller. Ich kann mir vorstellen, dass der Inhalt heutzutage die Geister scheidet. Der unglücklich verheiratete Fjodor Lawretzki verliebt sich in Lisa, die tugendhafte Tochter einer Verwandten. Als er eine Meldung vom Tod seiner Frau erhält, scheint das Glück kurz möglich, wird aber durch ihr persönliches Erscheinen zunichte gemacht. Lisa geht daraufhin in ein Kloster. Ich persönlich tue mich immer sehr schwer mit religiöser Schwärmerei und dem Versuch, andere zu einem entsagungsvollen Leben zu zwingen. Von daher musste Lisa mir sehr fremd bleiben. Ich glaube auch, dass der liebe Fjodor vom Regen in die Traufe gekommen wäre, aber darum geht es eigentlich nicht. An der Geschichte selbst ist nichts Besonderes. Ähnliches wurde schon zig Male geschrieben. Älterer Mann liebt unschuldiges junges Mädchen und möchte durch diese Liebe sein Leben quasi neu starten. Aber wie sie geschrieben wurde, dass ist schlicht wundervoll. Turgenjew lässt sich Zeit. Für Gespräche, Einrichtung, Charakterbeschreibungen, Lebensläufe. Er lässt eine ganze Welt entstehen, die des russischen Adels um 1842 mit seinen Landgütern, Kutschen, Bediensteten, mit seinen Eigenheiten und der Zerrissenheit zwischen traditionellem Russland und dem eleganteren Europa, zwischen Landesliebe und dem Wunsch auf der Höhe der Zeit zu sein. Durch das ruhige überlegte Erzählen erhält die Geschichte einen Fluss, der verhindert, dass man das Buch zwischendurch weglegen möchte. Man liest, ohne zu merken, dass die Zeit vergeht. Das Bemerkenswerte daran ist, dass gar nicht so viel passiert. Man sitzt am Klavier, man spielt Karten, man geht zur Messe, man plaudert. Und zwischen all diesen Alltäglichkeiten erblüht und vergeht eine Liebe und ein junges Mädchen nimmt den Schleier, um der grausamen Welt zu entsagen. Das ist exzellent komponiert und so wundervoll formuliert, dass man eigentlich ständig ganze Passagen vorlesen möchte. Ich bin also sehr glücklich mit meiner ersten Begegnung mit Turgenjew, und werde sicherlich weitere folgen lassen. Ich danke dem Manesse Verlag herzlich für das zur Verfügung gestellte Leseexemplar.

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Scheint, Iwan Turgenjew wäre dieses Jahr 200 Jahre alt geworden. Davon hat Herr Turgenjew recht wenig, ich aber immerhin die Möglichkeit, einen gewissermaßen „neuen“ Turgenjew zu besprechen. Denn Manesse hat zum runden Geburtstag unter anderem Turgenjews Das Adelsgut (vormals u.a. Das bzw. Ein Adelsnest) in einer hübschen kleinen Ausgabe, neu übersetzt von Christiane Pöhlman, herausgegeben. Schick eingebunden und handlich mit auf Reisen zu nehmen, allerdings doch eher etwas für Leser mit guten Augen. Ein weiterer Vorteil von neuen Ausgaben etablierter Klassiker: Der Rezensent kann sich hier und da in der Forschungsliteratur oder auch einfach auf Wikipedia Hilfe holen. Denn sind wir ehrlich, die einmalige Lektüre, die einer Rezension meist zu Grunde liegt, wird immer Lücken lassen, die der Besprechung schaden können. Als Feuilletonist größerer Medien hat man, scheint’s, die Pflicht, Gewandtheit noch in den unbekanntesten Werken und Autorenbiografien der Weltliteratur zu suggerieren, bei den Kolumnisten dagegen gebe ich gerne zu: Ich nutze, was ich an Quellen zu fassen bekomme. Und sei es nur, um zumindest die verschlungene Handlung richtig wiederzugeben: Darum geht’s: Der noch relativ junge Fjodor Lawrezki kehrt in das russische Dorf O. zurück, nachdem er Jahre im Westen verbracht hat. Er hat die „Westlerin“ Warwara Pawlowna geheiratet, ist mit dieser nach Paris gezogen, wo er sich nie ganz einleben konnte und endlich auch noch erfahren muss, dass ihm seine Frau fremdgegangen ist. Nun soll er das Gut des Vaters übernehmen. Doch Lawrezki verliebt sich bald in Lisa, die aber von elterlicher Seite einem anderen versprochen ist. Die Nachricht vom Tod der Frau gibt Lawrezki den Freibrief, die Sache dennoch zu verfolgen. Doch dann taucht die Totgeglaubte ausgerechnet in O. auf. Ich bin mit dem heute viele berühmteren Väter und Söhne Turgenjews nie so wirklich warm geworden. Zu thesenhaft, zu konstruiert, zu plakativ dieser gewollt politische Roman, der Dostojewskis Karamasinow-Satire in Die Dämonen dann wirklich verdient erscheinen lässt. Meisterhaft dagegen sind kürzere Erzählungen wie Erste Liebe. Thematisch ist Das Adelsgut sicherlich eher im Bereich von letzteren zu verorten. Eine dramatisch zugespitzte Liebesgeschichte, große Gefühle, menschliche Abgründe. Und doch natürlich auch ein Thema, das obschon universell, sich politischen Perspektiven nicht ganz entziehen kann. Die Frage: Kann ein Mensch sein Glück finden? – Eingekeilt in das ideologische Schlachtfeld zwischen Heimatliebe, Slawophilie und Westlertum. Länge sorgt für Längen Allerdings scheint mir, die Länge bekommt diesem Autor nicht wirklich (und dabei ist Das Adelsgut noch nicht wirklich ein langer Roman, wie man sie von Tolstoi oder Dostojewski gewohnt ist). Eine deutliche Dialoglastigkeit und lange familienbiografische Rückblenden torpedieren die wohlkomponierte Entwicklung der Geschichte, mit denen Turgenjew ansonsten in vielen seiner Erzählungen zu begeistern weiß. Gewonnen wird darin nicht sonderlich viel, das meiste, was hier ausschweifend erzählt wird, wusste der Autor an anderer Stelle stärker zu pointieren. Nicht wirklich nachvollziehbar finde ich die konstanten Hinweise auf die lyrische Natur des Werkes und insbesondere dessen Naturbeschreibungen. Die stellen die Werbung, das Nachwort und auch die deutschsprachige Wikipedia in den Mittelpunkt. Gewiss gibt es ein paar Stellen, an denen sich die Stimmung von Protagonisten in der Natur reflektiert, dominant ist das allerdings keineswegs. Über weite Strecken stehen tatsächlich Dialoge im Mittelpunkt, die teilweise wie im Theater ohne jegliche Einrahmung durch erzählenden Text montiert werden. Man kennt das auch von Dostojewski. Den Einwänden zum Trotz handelt es sich bei Das Adelsgut allerdings um einen durchweg lesenswerten Roman. Auch in der Übersetzung spürt man dieses im Erzählen zuhause Sein eines großen Romanciers, wie sie die vormoderne europäische Literatur vielleicht ein knappes Dutzend hervorgebracht hat. Ob man dafür zur neuen Auflage greifen muss, sollte jeder Leser selbst nach Geldbeutel und Vorlieben entscheiden. Die Übersetzung liest sich gut, flüssig, scheint dabei aber – nach den ersten paar Seiten zu urteilen – eher größere Kompromisse einzugehen als vorherige. Insbesondere die im Russischen generell oft dichte Satzstruktur wird aufgebrochen, wo ältere Übersetzungen sie eher reproduzieren. Dafür erfindet Übersetzerin Pöhlmann wohl keine Satzteile gänzlich neu, was in Ausgaben aus dem 19. Jahrhundert durchaus vorkommt. In jedem Fall lesenswert ist auch das Nachwort von Machail Schischkin, das die Art und Weise beleuchtet, wie Turgenjew sich immer wieder vom Druck der öffentlichen Meinung hat hinreißen lassen, zeitpolitische Romane zu verfassen, die zwar nicht seinen politischen Überzeugungen, aber doch seiner schriftstellerischen Haltung deutlich entgegenstehen. Das dürfte einer der Gründe sein, warum Turgenjew unter den ganz großen Schriftstellern seiner – nein, jeder – Zeit das durchwachsenste Gesamtwerk produziert hat.

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