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Rezensionen zu
Hagard

Lukas Bärfuss

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Endlich ist er da, der lange schon vom Verlag angezeigte neue Roman von Lukas Bärfuss. Zwischendurch, in der Zeit des Wartens, hat man immer mal wieder etwas von Bärfuss gehört. Der Schweizer hat sich mit diversen politsch-philosophischen Essays oder Beiträgen zu Wort gemeldet. Seine vorherigen Romane „Hundert Tage“ und vor allem „Koala“ habe ich gern gelesen. Und nun „Hagard“, ein schmaler Band, wie die beiden anderen auch unter 200 Seiten. „Ich bin ein Zeuge jener Märztage, und als Zeuge werde ich von ihnen berichten, vollständig und ungeschönt. Manches wird mich in ein schlechtes Licht rücken, aber das ist mir einerlei.“ So sind die Worte des in den Roman einführenden Erzählers: Eine Stimme aus dem Off. Diese Stimme prägt die Geschehnisse, sie erzählt die Geschichte und auch wieder nicht: Philip, der Protagonist, ein Endvierziger, der mit Immobilien sein Geld verdient, verfolgt eines Tages aus einem Impuls heraus, statt einen geschäftlichen Termin einzuhalten, eine junge Frau durch die Stadt, die unschwer als Zürich zu erkennen ist. Über Philip erfährt der Leser nur bruchstückweise etwas. Die Verfolgung, die letztlich einer Suche nach dem eigenen Ich gleicht, dauert schließlich ganze 36 Stunden lang, obwohl der Leser und auch der Held selbst sich immer wieder fragen, welchen triftigen Grund es dafür gibt. Davon berichtet uns der Erzähler, der Schöpfer dieser Romanfigur ist. Er lässt Philip tun und hinterfragt gleichzeitig, was und warum seine Kunstfigur das tut, was sie tut. So fährt er, der Erzähler, eines Tages nach Venedig und lässt Philip einfach in einem Bahnwaggon auf einem Züricher Bahnhof schmoren bis er nach Hause zurückkehrt. Doch auch dann ist der Protagonist nicht bereit, sein seltsames Verfolgungsunterfangen aufzugeben, mit dem Ergebnis: eine sonderbare, nicht erklärbare Wandlung der Persönlichkeit zum Outsider … „In allen Dingen muss ein Geheimnis bleiben, das uns zum Sehen bringt. Was wir verstanden haben, ist verloren.“ Bärfuss` Roman läuft auf mindestens zwei Ebenen. Das ist höchst spannend und hintersinnig erdacht. Ehrlich gesagt frage ich mich, ob es nicht sogar der Tatsache geschuldet sein könnte, dass der Autor mit seinem Schreiben im Verzug war und er den Verlauf seiner Geschichte sich deshalb so hat entwickeln lassen. Inhaltlich gibt es manche Hinweise, die man schlichtweg so deuten könnte. „Hagard“ war ja, wenn ich mich recht erinnere, bereits im letzten Frühjahr vom Verlag angekündigt (genau der Zeitpunkt, als Peter Stamms „Weit über das Land“ erschien, das ja mit einer ähnlichen Thematik aufwartet). Dann wäre ihm ein echtes Schelmenstück gelungen … Was manchmal ein wenig gewollt wirkt, sind die kurzen häppchenweise verteilten zeitkritischen Anmerkungen wie etwa über den Ukraine-Krieg, die ausbeuterische Bekleidungsindustrie mit ihren asiatischen Arbeitern oder der unerklärliche Absturz eines malaysischen Flugzeugs. Vermutlich soll dies die Geschichte in der Zeit verankern, ist aber eigentlich für die Handlung wenig bis gar nicht nötig. Aber der Röntgenblick, den Philip alias Erzähler alias Bärfuss auf seine Leistungsgesellschafts-Mitbürger während des Wartens auf die Verfolgte, inzwischen seine Göttin, nun als nicht mehr Zugehöriger richtet, gelingt absolut. Weshalb er den Selbstmord eines japanischen Mathematikers (Yutaka Taniyama, 1927-1958) allerdings mit einflicht und den Werdegang eines kriminellen Taxifahrers ausführlich beschreibt, ist nicht ganz nachvollziehbar, passt aber zur Rätselhaftigkeit des ganzen Romans. In der Tat erinnert auch mich Bärfuss` Werk an die Romane „Kraft“ von Jonas Lüscher und „Weit über das Land“ von Peter Stamm, wie es kürzlich im Feuilleton einer Zeitung zu lesen war. Im Vordergrund sind jeweils immer Männer, die eigentlich „voll im Leben stehen“ und doch plötzlich ausscheren und ungeahnte Wege gehen. Verläuft so die Krise des heutigen Mannes? Und hat es eine Bedeutung, dass alle drei Autoren Schweizer sind?

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