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Rezensionen zu
Frühling

Ali Smith

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€ 22,00 [D] inkl. MwSt. | € 22,70 [A] | CHF 30,50* (* empf. VK-Preis)

Endlich ist er da: „Frühling“, der dritte Teil des Jahreszeitenquartetts von Ali Smith. Mit großem Vergnügen habe ich schon die beiden Vorgänger „Herbst“ und „Winter“ gelesen und meine Erwartung an diesen dritten Teil wurde nicht enttäuscht. Der Titel passt so wunderbar zum Inhalt. Faszinierend! Wir lernen den unbekannten und erfolglosen Regisseur Richard, einen Mann mittleren Alters kennen, der in einem Bahnhof in Schottland sitzt und vergeblich auf den Zug wartet. Er schwelgt in traurigen Erinnerungen um Verlorenes und Vergangenes. Vor einigen Monaten hat er seine geliebte Freundin und Arbeitskollegin Paddy verloren und denkt unter anderem an ihr letztes Gespräch, in dem es um Rilke und um Katherine Mansfield ging, die beide ohne sich zu kennen gleichzeitig im selben Ort in der Schweiz gelebt haben. Richard ist verzweifelt und deprimiert. Er denkt darüber nach, sich das Leben zu nehmen. Dann begegnen wir Brit in ihrem heftigen und harten Berufsalltag in einem Flüchtlings- bzw. Abschiebezentrum in der Nähe von London. Sie ist dort noch nicht lange für den Sicherheitsdienst tätig und muss sich erst noch an den herablassenden Umgang mit den Flüchtlingen und an deren erschütternde Lebensgeschichten gewöhnen. Wir erleben mit, wie sie an ihrem Arbeitsplatz die 12-jährige Florence kennenlernt und sich von ihr überzeugen lässt, in einen Zug nach Schottland einzusteigen. Richard sitzt in Schottland im Bahnhof und will sich gerade vor den Zug legen und Brit und Florence sind auf dem Weg nach Schottland und kommen genau an diesem Bahnhof an. Wie man leicht ahnt, treffen die drei nun aufeinander. Wie sich das Aufeinandertreffen und die Bekanntschaft nun weiter entwickelt, erzähle ich natürlich nicht. Nur soviel: Florence ermöglicht mit ihrem jugendlichen Enthusiasmus und mit ihrer Beharrlichkeit Blicke hinter die Kulissen und ebnet damit den Weg für Veränderungen. Sie hat etwas Rebellisches und Stürmisches (wie der April) und widersetzt sich dem Althergebrachten. Etwas Neues keimt. Ein Neubeginn scheint möglich. Hoffnung und Lebendigkeit blitzen auf (wie im Frühling). Das Ende ist nicht vorhersehbar, interessant, schlüssig und stimmig. Wieder einmal überzeugte mich Ali Smith mit ihrem Talent, auf hohem literarischen Niveau zu unterhalten und gleichzeitig politische Sachverhalte aufzugreifen, bzw. unaufdringlich unterzubringen. „Frühling“ ist ein beeindruckender und besonderer Roman, der berührt und zum Nachdenken anregt. Sowohl die Gedanken Richards, als auch die Gespräche zwischen Brit und Florence animieren dazu, über das eigene Leben zu sinnieren. Ali Smith ist eine brillante und scharfsinnige Beobachterin. Sie experimentiert und spielt mit den Wörtern und Sätzen und schreibt kraftvoll, wortgewandt, anschaulich, ergreifend und poetisch. Ich empfehle den Roman und freue mich sehr auf den nächsten und zugleich letzten Band „Sommer“, der wohl im Juli 2021 im Luchterhand Verlag erscheinen wird.

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>>...Es gibt keine geschichtliche Zeit, in der wir nicht knietief in der Scheiße stecken, aus der andere Profit schlagen. ...<< „Frühling“ von Ali Smith - Was verbindet einen unbekannten Regisseur, der um verlorene Zeiten trauert, und die Angestellte eines Flüchtlingszentrums, die in modernen Zeiten gefangen ist? Was haben Katherine Mansfield und Rainer Maria Rilke mit Twitter und Fake News zu tun? Und warum schafft es ein 12-jähriges Mädchen, verkrustete Strukturen zu sprengen und allen die Augen zu öffnen? ✒Was hier zunächst viele Fragen aufwirft, lichtet sich innerhalb des Buches nach und nach. Gekonnt und mit voller Wortkraft hat Ali Smith mich mit „Frühling“ sehr bewegt, sehr schockiert und wieder in einen Lesesog gezogen, der mich kaum losließ. In „Frühling“ hält Ali Smith der Gesellschaft, der Politik und ganz groß im Fokus der gesellschaftlichen Scheinheiligkeit den Spiegel vor und macht, wie ich finde hier sehr deutlich, wie wichtig es ist für Menschenrechte einzustehen... denn was zum Beispiel Colson Whitehead in seinem Buch „Unterground Railroad“ thematisiert ist leider nichts, was lediglich in der Vergangenheit geschehen ist... es zieht sich bis in die heutige Zeit und das ist einfach unfassbar! „Frühling“ war für mich bisher von den drei bereits erschienenen Büchern aus der Jahreszeiten-Reihe das intensivste Buch, mit klaren Worten, Bildern, die mitunter verstören und doch auch Wahrheit sprechen... Meinerseits kann ich hier eine klare Leseempfehlung aussprechen, denn neben dem literarischen Aspekt, den ich hier sehr schätze, ist das Buch thematisch einfach auch sehr sehr wichtig! 📖

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Ein literarisches LeseVergnügen

Von: cule.jule

02.04.2021

Frühling, der dritte Teil des Jahreszeitenquartetts von Ali Smith, hat mich ab der ersten Seite literarisch abgeholt. Drei Teile - drei Menschen, die das Leben vereint. "Vorsicht Spoiler!" Der erfolglose Regisseur Richard, der zuvor seine geliebte Freundin und Arbeitskollegin Paddy verloren hat, sitzt auf einem Bahnhof in Schottland und wartet auf den nicht eintreffenden Zug. Der Leser taucht in Richards traurige Erinnerungen aus früheren Tagen ein, die dazu anregen sollen, über eigene Lebensereignisse nachzudenken. Der zweite Teil setzt sich mit der im Abschiebezentrum Angestellten Brit auseinander, die dem Leser ihren rauhen Arbeitsalltag schildert. Eines Tages trifft Brit auf Florence, die durch eine geschickte Taktik Brit überzeugt, mit ihr den Zug nach Schottland zu nehmen. Der im Zug geführte Dialog zwischen Brit und Florence ist tiefgründig und regt sehr zum Nachdenken an. Das Aufeinandertreffen der drei Charaktere findet schließlich im dritten Teil statt und spitzt sich zu einem nicht vorhersehbaren Ende zu, welches in meinen Augen sehr treffend gewählt wurde. Ali Smith hat es wieder einmal geschafft, Politik und Kunst zu vereinen und Aussagen zwischen den Zeilen zu kreieren, die es auf den Punkt bringen. Wo geht der Leser moralisch mit, welchem Kern stimmt er zu und welche Quintessenz zieht er aus diesem Roman. Frühling ist für mich der bisher beste Teil und absolut empfehlenswert.

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Wow, was für ein schrecklich-schönes Buch! Der dritte Band von Ali Smiths Jahreszeiten ist für mich der bisher düsterste Band, kraftvoll und politisch expliziter formuliert, dennoch wieder großartig experimentell von Smith komponiert. Sie spielt mit den Gefühlen der Leser ebenso wie mit den Worten, Geschichten und Kulturreferenzen, streut Worthülsen des Internet-Slangs genauso wie Troll-Kommentare zwischen den Kapiteln ein. Der Frühling selbst meldet sich zu Wort und lässt seine Muskeln spielen. Und doch. Er beginnt sehr traurig, dieser Roman und leicht verstörend. Denn Richard, ein unbekannter Regisseur mittleren Alters, steht im Oktober auf einem Bahnhof in Schottland und wartet auf einen Zug, der nicht kommt. Es hat etwas von Godot und doch ist es ungleich tragischer. Richard hat Paddy, eine geliebte Freundin, Arbeitskollegin und Seelenverwandte im Frühjahr davor verloren und denkt nun in springenden Rückblenden an sie zurück. Er sinniert über Katherine Mansfield als an Tuberkulose erkrankte, junge Frau, über die er zuletzt mit der sterbenden Paddy sprach. Gleichzeitig mit Rilke lebte sie im selben Ort in der Schweiz, wo sie, ohne einander zu kennen, aneinander vorbeigelebt haben.Die Einsamkeit einer Nicht-Beziehung, die von der modernen Filmindustrie in eine kitschige Liebesgeschichte umgeschrieben werden soll. Richard graut davor und er spielt mit dem Gedanken an Suizid. Der zweite Teil spielt in einem spezialgefertigten Abschiebezentrum in Gefängnisbauweise für Flüchtlinge nahe London. Brit, die dort seit kurzem für den Sicherheitsdienst arbeitet, versucht, sich an den herrschenden Ton der brutalen Herablassung zu gewöhnen sowie an die teilweise brutalen Lebensgeschichten der Insassen: Mord, Selbstmord, Verzweiflung und Vergewaltigung. In dieses Paralleluniversum der Angst, dieses Herz der Finsternis, den düsteren Kern des Romans dringt ein Schulmädchen ein, wie ein magischer Engel. Es werden plötzlich die Toiletten gereinigt und man munkelt, sie habe andernorts Zwangsprostituierte befreit. Das Mädchen heißt Florence und sie erreicht mit ihren unnachgiebig freundlichen Nachfragen, dass die Menschen ihre Wünsche erfüllen. Sie bringt Brit dazu, mit ihr einen Zug nach Schottland zu nehmen und exakt dort auszusteigen, wo sich Richard gerade vor den Zug legen will. Im dritten Teil verschränken sich die Schicksale miteinander und es wird kämpferisch und rücksichtslos. Ein panharmonisches Musikstück von Beethoven, in dem französische und englische Melodien miteinander streiten, klingt an, ebenso wie die Abschlachtung der Highländer bei Culloden. Nur dem unvermeidlichen Charlie Chaplin gelingt es, die Dickensschen Verweise auf Kindersklaven in den modernen Kobaltminen, an die Florence erinnert, abzumildern. Sie vergisst nichts, dieses Kassandra-Kind, legt den Finger in jede Wunde, lässt uns hinschauen auf die Ausbeutung von Mensch und Natur. Florence scheint zunächst die Rolle der guten Fee zuzukommen. Doch sie ruft zum Umsturz auf, zur Umwälzung der bestehenden Gewohnheiten, der Normalität, der Gesellschaft. Eine Revolution, eine Re-Volte, eine Umkehr, ein Neuanfang. Wie der März scheint will sie die harte, kalte, kürzlich noch gefrorene Welt aufbrechen, durch die sich hellgrüne, weiche Knospen der Hoffnung schieben. Eine Ballonfahrerin fängt Luft ein, das Leben scheint auszubrechen und endlich wieder möglich zu sein. Doch wir haben die Rechnung ohne Brit gemacht. Sie ist zu sehr ein Rädchen im Getriebe und erweist sich als der Judas dieser Geschichte, während alle anderen Zeugen sich ab und wieder ihren Zerstreuungen zu wenden. Das war hart und erschütternd und traf mich ziemlich unvorbereitet. Auf ihre unvergleichliche Art hat Ali Smith ein sehr sozial engagiertes und moralisches Buch geschrieben und hält uns, diesmal unversöhnlich, den Spiegel der Scheinheiligkeit vor. Mit freundlicher Überzeugungsarbeit ist nichts gegen diese menschenverachtende Maschinerie auszurichten, scheint sie zu sagen. Dazu braucht es starken Aufwind und womöglich einen ausgewachsen Sturm. So einen, wie ihn nur der April bereithält.

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