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Rezensionen zu
Natur!

John Burnside

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Lyrik als Kämpfer gegen die Ökologische Kathastrophe? Die Lyrikanthologie "Natur"

Von: https://soerenheim.wordpress.com/2018/11/29/lyrik-als-kaempfer-gegen-die-oekologische-kathastrophe-die-lyrikanthologie-natur/

01.12.2018

Der Lyrikanthologie "Natur", herausgegeben von John Burnside, ist ein Essay vorangestellt, der aufgrund der starken, programmatischen Ausrichtung und der Tatsache, dass er prominent vor den Gedichten platziert wurde, mindestens ebenso wichtig sein dürfte, wie die Werke selbst. Darin plädiert Burnside halb für ein neues Wichtignehmen naturbezogener Lyrik, halb behauptet er, das geschehe schon, und begründet das mit dem immer unausweichlicher Scheinen ökologischer Katastrophen menschgemachter Natur (Dass selbst ein Naturlyrik-Revival, wenn es das denn gebe, die mikroskopisch kleine Minderheit der Lyrik-Lesrinnen und Leser betreffen würde, wird leider nicht thematisiert). Man kann jedoch diese Katastrophen wichtig nehmen, ohne der Meinung zu sein, diese sollten unmittelbares Arbeitsfeld der Literaur werden. Das scheint auch Burnside teils durchaus so zu sehen, wenn er etwa betont, dass politische Lyrik oft wenig politischen Effekt habe und es gerade die unpolitischen Werke seien, die langfristig zu bewegen vermögen (ganz meine Meinung!). Auf der anderen Seite haben die ausgewählten neueren Gedichte ebenso wie die gesondert von Burnside besprochenen durchaus einen deutlich appellativen Charakter und wirken dabei teils wenig kunstvoll – was natürlich auch ein Problem der Übersetzungen sein kann. Burnside begreift nach der progammatischen Vorrede in seiner Auswahl Natur naturgemäß sehr weit und nimmt viele Texte mit, die deutlich gesellschaftskritischer Art sind. Sicherlich nicht falsch: Natur und Gesellschaft durchdringen sich, und wie alles, was wir heute Natur nennen mehr oder minder von Menschen beeinflusst ist, so ist auch die Gesellschaft nicht „unnatürlich“ in einer Art und Weise, als dass man sie einfach dem „Natürlichen“ als Antagonisten gegenüberstellen könnte. Die zweite Seite dieser Dialektik wird aber in Essay und Gedichtauswahl stark vernachlässigt. Der Heidegger mehrfach als Gewährsmann heranziehende Burnside schlägt sich deutlich auf die Seite einer „unberührten“ Natur, unter den Tisch fallen lassend, dass die seit der Mensch auf Erden wandelt Chimäre ist, und damit schon immer: Denn das Konzept Natur gibt es natürlich nur aus der Perspektive des Menschen. Ohne Gesellschaft keine Natur. So verfällt Burnside, gerade dadurch, dass er gegen seinen ersten Impuls das literarische Engagement betont letztlich dem Blickwinkel der Romantik, die Natur und Gewesenes verklärt. Und versammelte entsprechend eine große Anzahl von Texten, die kaum die Fähigkeit haben dürfte, langfristig zu bewegen, weil sie all zu oft als in Zeilen gebrochene Appelle und Pamphlete dem Leser gegenübertreten. Vom Inhalt ist man dann entweder schon überzeugt, oder wird es niemals werden. Preaching to the Choir. Die Gedichtauswahl selbst zieht sich quer durch Jahrhunderte und Gesellschaften aus aller Welt, wenn auch mit amerikanisch-europäischem Schwerpunkt. Aufgrund relativ leiernd klingender Übersetzungen u.a. von Texten Mallarmés, Du Fus und anderer Klassiker sollte man auch die Qualität zahlreicher neuerer Übersetzungen mit Vorsicht genießen, es ist fraglich ob der so zentrale Klangcharakter vieler Texte auch nur annähernd reproduziert wurde. Das ist bekanntlich in der Lyrik schwer, vielleicht sogar unmöglich, zwingt aber, zum Urteil über die literarischen Qualität jeweils die Originalversion aufzusuchen. Ein zweisprachiger Band, ein entsprechendes Internetsupplement oder Ähnliches hätten der Anthologie gut getan, doch das gilt für fast alle Lyrikanthologien. Dass es möglich ist, auch klanglich sehr reiche Texte zum eigenen Kunstwerk in der Zielsprache umzuarbeiten (ich spreche bekanntlich statt Übersetzung abseits akademischer kommentierte Übersetzungen lieber von Nachdichtung), zeigt immerhin Klaus Martens mit seiner Version von Dlyan Thomas „Die Kraft die durch die grüne Kapsel Blumen treibt“ („The force that through the green fuse drives the flower“). Interessanter, und auch dem von Burnside im Essay dargelegten Zielen entsprechender wäre es vielleicht gewesen, Klassiker und vergessene Perlen wegzulassen, und sich allein auf moderne Lyrik zu konzentrieren. Da hätte man dann auch thematisch eine breitere Auswahl präsentieren können, ein breiteres Spektrum der Haltungen zur Natur heute, und im Idealfall tatsächlich auch noch die Originale beigegeben. Natur ist sicher keine schlechte Anthologie, sehr steht vor genau den Problemen, die man von einer für die breitere Leserschafft produzierten Lyriksammlung erwarten muss.

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