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Rezensionen zu
Die Briten und Europa

Brendan Simms

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Früher, als es noch die guten Bände der Meister Goscinny & Morris gab, sind Asterix und sein dicker Kumpel Obelix viel rumgekommen – ihr Weltbild wurde trotzdem von ihrem kleinen unbeugsamen gallischen Dorf geprägt. Dieses musste als Vergleich herhalten, fremde Sitten und Gebräuche sich daran messen lassen. Für die meisten Menschen auf der Erde hat sich an dieser Betrachtungsweise der Welt wohl bis heute nichts geändert. Ob sie aus monetären Gründen nicht verreisen, es nicht wünschen, oder wenn sie reisen ihre (Pauschal) Urlaube so gestalten, dass sie ebensogut daheim hätten bleiben können. Gegen den unangenehmen Nationalismus, der sich zusehends erneut auf unserem Planeten breitmacht, scheint das Reisen nicht zu helfen. Eine knappe Mehrheit jener Briten die wählen durften, konnten und es tatsächlich auch taten, waren der Ansicht, dass Großbritannien sich aus der EU verabschieden solle. So lag es nahe, einen tieferen Blick auf das Volk der Briten und seine mittlerweile sehr gespaltene Haltung zu Europa zu werfen. Einen, der die Beziehung Inselreich und Resteuropa von Beginn an verfolgt. Unglücklicherweise ist Brendan Simms „Die Briten und Europa“ so tiefgehend und übervoll mit Informationen und fernab jeglichen eben den Briten zugeschriebenen Humors, dass es sich zu meinem persönlichen Einschlafbeschleunigungsbuch manifestierte. Stilistisch ist es, auch für ein Sachbuch einfach nur monoton. Mein Grund es zu lesen, war ein tieferes Eintauchen in die britische Psyche via Geschichte und das liefert Brendan Simms durchaus. Allerdings zog sich das Lesen, obwohl ich wirklich schnell lese, fast so lange hin, wie der EU-Austrittsversuch der britischen Regierung. Seine, wie der Autor im Vorwort extra betont, subjektive Interpretation der politischen Vorgehensweise der Engländer ist eine Aufzählung des adeligen diplomatischen Who is Who der britischen Politik und ihrer Intentionen, sehr gut belegt durch immens viele Quellenangaben, nichtsdestotrotz tendenziös, insoweit der Autor seine Sicht damit fortwährend untermauert. Nun gut, er warnte ja vor. Dennoch hinterfrage ich schon angesichts dieser immensen Anzahl von Fakten die er präsentiert, ob das alles nicht auch völlig anders interpretiert werden könnte. Geschichte nachzuerzählen ist Auslegungssache, beginnend damit, welche Quellen herangezogen und wie sie interpretiert werden. Ein weites Feld. Fakt ist wohl, die Briten waren, wievermutlich die meisten anderen Völker in Europa, schon immer diplomatisch rührig, gerne auch bewaffnet und kriegerisch nachdrücklich und haben versucht, dass, wovon sie glauben es wäre das Beste für ihr Land durchzusetzen. Siehe Margaret Thatcher die „ihr“ Geld zurück verlangte. Es ist unbestreitbar interessant, was man in diesem Buch alles erfährt, auch wenn man nicht immer einer Meinung mit dem Autor ist, doch es ist harte Arbeit an diese Inhalte zu gelangen. Brendan Simms erzählt gehaltvoll bräsig. Beginnend bei Alfred dem Großen der die Vereinigung der englischen Kleinkönigreiche bis zum Jahr 1000 fast abgeschlossen hatte. Englands aristokratische Kultur, den Kodex der Ritterlichkeit, Turniere und Troubadoure haben sich die damaligen Feudalherren bei den Franzosen abgeschaut. Auch ein Teil der Rechtsvorschriften wurde aus Frankreich entlehnt. Der Adel wechselte problemlos über den Kanal, da hier wie dort Französisch gesprochen wurde. Einzigartig wurde England durch die Magna Charta, jenen Rechtsgedanken der besagt, dass die Freiheit der Untertanen (zumindest theoretisch) über der Königsmacht stünde. Das Parlament und die beeindruckende Fähigkeit zur Steuererhebung (nicht zu vergessen die daran hängende Bürokratie), um die Kriege der Könige zu finanzieren. Diese Errungenschaften sind bemerkenswert weil sie eine lange Liste an Folgen die Großbritannien geprägt haben mit sich brachten. Ziel der Engländer war es zuallerst eine Invasion zu verhindern indem sie alle Scharmützel und Querelen auf dem Kontinent abfingen und austrugen. Churchill schrieb 1930 „Wir sind bei Europa, aber nicht in ihm.Wir sind verbunden, aber nicht eins.“ Ihm schwebte vor, eine Art Vereinigte Staaten von Europa aufzubauen, dabei außen vor zu bleiben als „Freunde und Förderer des neuen Europa“, zusammen mit dem „mächtigen Amerika“ und dem britischen Commonwealth zu werden. Sicher waren nicht die Briten allein die treibende Kraft hinter der europäischen Union, ihr Interesse daran jedoch groß. Als Schmankerl gab es noch die Auseinandersetzungen mit Ägypten um die Verstaatlichung des Suezkanals etliche Jahre davor, bei der Großbritannien und Frankreich sich dem Druck der öffentlichen Meinung und besonders dem des US-Präsidenten Eisenhower beugten. Besonders interessant wird das Buch gegen Ende, wenn es um die Schaffung der EU geht, hier waren die Meinungen nie ganz so klar wie damals unter Churchill. Es wurde erbittert debattiert und es war ein langer Weg. Ganz überzeugt waren die Briten wohl noch nie von der EU. So liest es sich zumindest auf den letzten Seiten. Wie es weitergeht mit Großbritannien wird sicher interessant. Bei interessant muss ich immer an den chinesischen Fluch denken, der dem unangenehmen Gegenüber wünscht, es möge „in interessanten Zeiten“ leben. Der großartige John Lanchaster hat in „Die Mauer“ den Brexit samt Klimawandel schon weitergedacht. Wollen wir hoffen es kommen langweilige Zeiten und vor allem friedliche auf Großbritannien und den Rest der Welt zu. John Cleese scheint das nicht zu denken. Er verlässt das Land um in ihm besser erscheinende Gefilde zu entfleuchen. Fazit oder Kurzfassung für Eilige: Autor Simms hat hier ein akribisch mit Quellen ausgestattes Werk vorgelegt, das sehr informativ und erhellend ist, die Historie aber erheblich subjektiv auf Großbritannien verengt betrachtet. Mir fehlte ein wenig die „andere Seite“. Er interpretiert Fakten und zeichnet so ein Bild das nicht unbedingt „rund“ ist. Auch hatte ich erwartet, mehr über die Kultur, Traditionen und Eigenheiten der Briten zu erfahren, eine soziologisch erweiterte Perspektive. Was treibt die Bewohner dieser Insel an, gibt es so etwas wie historisch begründetes allgemeines Volksgedächtnis? Was bringt sie dazu sich ein kostenintensives, völlig überholtes Königshaus zu halten, obwohl es doch gar nicht nötig wäre? Der Einblick in die englische Seele blieb mir verwehrt, hier wären ein Shakespeare, ein Dickens, Huxley oder andere Briten wohl die aussagekräftigeren Quellen und die unterhaltsamere Wahl für die Besonderheiten der Bevölkerung. Doch es lohnt sich Brendan Simms Darlegung zu lesen, den wunderbaren britischen Humor darf man in dieser Auferzählung jedoch nicht erwarten. Die Briten (gemeint ist die Regierung … wobei, wenn ich es mir recht überlege …) spinnen übrigens keineswegs, sie suchen nur, wie alle Nationen ihren persönlichen Vorteil in einer extrem angespannten Weltlage wie wir sie schon lange nicht mehr hatten.

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