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Rezensionen zu
Wege, die sich kreuzen

Tommi Kinnunen

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"Wege, die sich kreuzen" ist ein eindringlicher Roman. Vier Personen verschiedener Generationen, alle einer Familie zugehörig, werden dargestellt, spiegeln die Probleme ihrer jeweiligen Zeit, des zweiten Weltkriegs und seiner Folgen. Erzählt wird auf vier Ebenen, in sich überschneidenden Jahrzehnten. Jede Handlung zieht einen Schweif an ungeahnten Folgen hinter sich her. Folgen, die sich manchmal über Generationen hinziehen, deren Last von mehreren Generationen getragen wird. Hin und wieder kommt es auch vor, dass etwas von einer Generation als Glück, von der anderen aber als schwere Bürde empfunden wird. Maria ist Hebamme, alleinerziehend, weil sie es so wollte. Ein Kind, das war ihr Wunsch, nicht aber der Mann dazu. Sie muss sich durchboxen, kommt aber zurecht, in den Anfängen des 20. Jahrhunderts, in der ihre größten Gegner Kälte und Unwissenheit sind. Lebt nach ihren Vorstellungen, so gut wie möglich, getrieben von Wünschen und Hoffnung. Ihre Tochter Lahja empfindet den Lebensstil der Mutter nicht als unangenehm. Zumindest nicht für die Mutter. Sie selbst möchte aber nicht so leben. Sie möchte einen Mann, der ihr unter die Arme greift, der ein guter Vater ist, der ihr zur Seite steht. Diesen Mann findet sie in Onni, der ihr all diese Wünsche erfüllt. Und doch gibt es eine tiefe Kluft zwischen ihnen. Eine Dunkelheit, die weder Lahja, noch sie beide als Paar füllen können. Es ist diese Dunkelheit, die Lahja mehr und mehr einhüllt und mit ihr alle Beziehungsgeflechte zu kommenden Personen. Ihrer Schwiegertochter Kaarina, die ebenfalls eine der Erzählebenen einnimmt, wird nie richtig warm mit Lahja, die sich mehr und mehr in Starrsinn und negativen Gedanken verkriecht. Onnis Erzählebene sorgt für erkennen, begreifen, verstehen. Kinnunen rundet damit, dass er ihn zuletzt zu Wort kommen lässt, das Buch perfekt ab. Hat bis dahin die Spannung hochgezogen und wirft dann den Leserinnen und Lesern die Geheimnisse von Onnis Seele vor die Füße. Die Dunkelheit, die ihn seit dem Krieg begleitet, die Schreie, das Blut, die ihn verfolgen und der Wunsch davon wegzukommen, ein Leben zu führen, das mit seinem nichts mehr zu tun hat. Obwohl der Erzählstil während des kompletten Romans gleichbleibend klar ist, mit kurzen Sätzen, hinter denen viel steckt, gelingt es Kinnunen jeder der Personen eine eigene Sprache zu verleihen, jede Erzählebene mit einer eigenen Atmosphäre zu versehen. Mal kühl und düster, mal kraftvoll, mal verständnisvoll, mal hoffnungslos. "Wege, die sich kreuzen" ist eine lesenswerte Annäherung an das was Krieg und Gewalt mit Menschen machen. Wie Schicksalsschläge Familien hinterlassen, wie sie Generationen beeinflussen. "Wege, die sich kreuzen" erzählt aber auch von der Kraft, die in einer Persönlichkeit steckt, und der Kraft von Wünschen, deren Erfüllung nicht immer zu einem positiven Verlauf führt, auch wenn der Gedanke dahinter noch so rein ist.

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Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts: Im Norden Finnlands arbeitet Maria als ausgebildete Gemeinde-Hebamme. Man begegnet der jungen Frau mit Skepsis und Misstrauen. Doch Maria ist stark, resolut und kümmert sich nicht um gesellschaftliche Zwänge. Im Laufe der Zeit erarbeitet sie sich einen guten Ruf über die Gemeinde-Grenzen hinaus und kann sich sogar den Bau eines eigenen Hauses leisten. Einen Mann will sie nicht - sie möchte frei sein, sich nicht nach jemandem richten müssen. 1905 bringt sie ihre Tochter Lahja zur Welt und erzieht sie alleine. Als Lahja 1996 auf dem Sterbebett liegt, blickt sie auf ihr Leben zurück: Nach der Kindheit, die von ihrer dominanten Mutter geprägt wurde, kann sie beruflich ihrer Leidenschaft, der Fotografie, nachgehen. Ihr Privatleben jedoch entwickelt sich weniger positiv: Sie bringt eine uneheliche Tochter zur Welt. Doch im Gegensatz zu ihrer Mutter braucht sie einen Mann an ihrer Seite. Sie heiratet und bekommt mit Onni noch zwei gemeinsame Kinder. Er ist, wie sie immer wieder betont, ein guter Ehemann und Vater. Aber glücklich wird sie mit ihm nicht, denn er kann ihr keine körperliche Befriedigung verschaffen. Lahja leidet sehr darunter und entschließt sich nach vielen Jahren zu einem furchtbaren, folgenschweren Schritt. Erst nach ihrem Tod kommt ihre Tat durch einen Brief, den Schwiegertochter Kaarina auf dem Dachboden findet, ans Licht. Resümee: Der Roman besteht aus insgesamt 5 Teilen, die wiederum in mehrere Kapitel gegliedert sind : Nach dem Abschnitt "Zurückgelegte Wege" wird das Leben von • Maria, • ihrer Tochter Lahja, • Schwiegertocher Kaarina und • Lahjas Mann Onni erzählt. Die Lebenswege dieser vier Personen kreuzen sich (Buchtitel). Als Symbol hat der Autor hier die "Vierwegekreuzung" gewählt. Auf sie können Maria, Lahja mit Onni und den Kindern sowie deren Sohn Johannes mit seiner Frau Kaarina von dem Haus aus schauen, in dem alle zusammen wohnen. Bezeichnenderweise bilden Straßennamen die Überschriften der einzelnen Kapitel und kennzeichnen die Wege, die die betreffenden Personen in verschiedenen Situationen wählen. Die eingeschlagene Richtung beeinflusst immer auch das Leben der anderen, ihre Schicksale werden dadurch immer mehr miteinander verwoben. Sie alle haben ihre ganz eigenen Vorstellungen und Träume, die sich aber zum Teil nicht realisieren lassen. So müssen sie mit Enttäuschungen zurechtkommen, Konflikte bewältigen und Kompromisse eingehen, um trotz allem noch ein Stück vom Glück abzubekommen. Tommi Kinnunen erzählt die Lebensgeschichten minimalistisch, ohne Pathos und Schnörkel, fast schon "karg". Vieles wird nur angedeutet - der Leser muss es sich im wahrsten Sinne des Wortes selbst ausmalen, sich selbst ein Bild machen. Erst dadurch werden dann Emotionen und vielleicht auch Empathie freigesetzt. Das Erstaunliche ist, dass es bei der Schilderung der vier Lebenswege so gut wie keine inhaltlichen Wiederholungen gibt. Fazit: ein sehr ungewöhnliches Buch, das viel besser ist, als der Klappentext erwarten lässt.

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1925. "Ein stetig wachsendes Haus." Immer größer wird es. Vor zwanzig Jahren hatte Maria die Kate gekauft. Mehr als eine Küche und eine Kammer war nicht vorhanden. Aber es reichte ihr zu einem bescheidenen Leben mit ihrer Tochter Lahja. Vorläufig. Heute sieht es anders aus. Zwei Kammern und ein Wohnzimmer ließ sie anbauen. Weitere Räume kommen aktuell dazu und die Dorfgemeinschaft wundert sich über die ständige Bautätigkeit, zumal man sich über den Zweck nicht einig ist. Maria weiß es selbst nicht. Sie tut es einfach. "Wieso brauchte man da besondere Gründe?" Maria geht es gut. Im materiellen Sinne jedenfalls. Das war nicht immer so. Dreißig Jahre zuvor hatte sie sich noch keinen Namen gemacht. Man schenkte der jungen, ausgebildeten Hebamme keine Beachtung. Jedes Dorf bevorzugt die eigenen "Geburtshelferinnen, Saunaweiber und Wehmütter". Der alteingesessenen Übermacht konnte die junge Gemeindehebamme nichts entgegnen. Bis man sie dennoch zu einer schweren Geburt rief ... ... und genau an jener Stelle muss man das Buch erstmals (später passiert es öfter) zur Seite legen, um den Bildersturm, den Tommi Kinnunen entfacht, zur Ruhe kommen zu lassen, und um vielleicht einmal der unzähligen Mütter zu gedenken, die in jenen Zeiten unter in jeder Hinsicht katastrophalen Bedingungen ihre Kinder zur Welt brachten. Ob in Finnland oder sonstwo. Oft auch nicht, denn nicht selten überlebten das Kind, die Mutter oder beide die Tortur nicht. Was der finnische Autor vorhat, wird, neben aller Betroffenheit, ebenfalls schnell klar. Er will eine Familiengeschichte erzählen - aber keine große Oper inszenieren. Kein intellektuelles Drama, sondern eine Geschichte in reduzierter, allgemeinverständlicher Form. Diese Rechnung geht auf, denn mit wenigen Worten erzielt er eine maximale Wirkung. Einen wachen Geist erfordert der vielschichtige Aufbau seines Dramas insofern aber schon, da sich die zunächst spärlichen Charakterisierungen seiner Hauptfiguren über Jahre ziehen können und sich jeweils aus anderen Perspektiven immer mehr konkretisieren. Das "Unausgesprochene" ist ihm ein Anliegen, was Leserinnen und Leser durchaus an die eigenen Befindlichkeiten innerhalb ihrer jeweiligen Familiensysteme erinnern mag. Nachdenklich stimmt die sich immer wieder ergebende emotionale Wucht, ausgelöst durch Marias unbändigen Willen, sich durchzusetzen, auf eigenen Beinen zu stehen und unabhängig zu sein, insbesondere von Männern. Die Verbundenheit mit ihrem Kind ist selbstverständlich, die Bindung an einen Mann jedoch nicht. Niemand, der sie herumkommandiert oder sie besteigt, "wann immer es ihm beliebte". Auch wenn sie sich den Unmut des Pfarrers einhandelt, hält sie längst ihre Meinung nicht mehr im Zaum, "was sie von dem Tun und Treiben der Männer hält". Natürlich ist die Zeit für derlei Meinungen oder gar deren Umsetzung längst noch nicht gegeben. Massive Konflikte sind somit vorprogrammiert. Nicht nur die entsetzlichen Kriegswirren und die Folgen setzen der Familie zu, sondern persönliche Krisen, Krankheiten - die manchmal gar keine sind - und das, was man ganz allgemein als erbarmungsloses Schicksal definiert. Und wehe, man ordnet sich den gesellschaftlichen Zwängen nicht unter ... Ein Buch, das Erinnerungen weckt und Feuer entfachen kann. Man möchte die alten Fotos wieder hervorkramen und sich auf die Suche nach der eigenen Geschichte machen. Sie ist eine andere und doch entdeckt man auch hier "Wege, die sich kreuzen". 100 Jahre Familiengeschichte. Kunstvoll verwebt. Ein eindringliches Konzentrat.

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Mit "Wege, die sich kreuzen" legt Tommi Kinnunen einen beachtenswerten Debütroman vor. Er erzählt die Geschichte einer Familie aus Nordfinnland über drei Generationen hinweg. Sehr geschickt verwebt er die einzelnen Stimmen zu einem Ganzen, beginnend mit Maria, die als junge Hebamme in ein nordfinnisches Dorf kommt und sich erst mühsam einen Ruf erarbeiten muss, über ihre Tochter Lahja, die zusammen mit ihrer Familie nach dem Zweiten Weltkrieg gezwungen ist, komplett neu anzufangen, bis zu Kaarina, Lahjas Schwiegertochter, die unter der Herrschsucht und Kälte Lahjas leidet. Aber erst die Stimme Onnis, des Ehemanns von Lahja, komplettiert den wie ein Puzzle angelegten Roman. Mit jeder Stimme erfährt man mehr über die Familie, wechseln die Sichtweisen, wird das Bild genauer. Düster ist dieses Buch. Dunkel und kalt scheint es in Nordfinnland zu sein, wo die Menschen in Holzhäusern wohnten und zu einem strengen, unnachgiebigen Gott beten. Wo jeder, der von der üblichen Lebensweise auch nur einen Deut abweicht, mißtrauisch beäugt oder sogar zwangsweise auf den "rechten" Weg zurückgeführt wird. Wo eine Frau zum Gebären und Arbeiten gemacht ist und ein Frauenleben nicht viel Wert hat. Noch düsterer ist es während und nach dem Krieg, nach Zwangsevakuierung und Verlust aller Habe, wenn die Menschen, in Erdhäusern zusammengepfercht, versuchen, die kalten Winter zu überstehen und Essen und Wärme knapp sind. Doch am düstersten ist es in den Herzen dieser Menschen, wenn einer vom Weg abgekommen ist, abkommen musste, weil es gar nicht anders sein kann. Einer, der ein guter, heller Mensch ist, ein wunderbarer Vater mit lachenden Augen, der trotzdem kein Verzeihen findet. Dieser Roman nahm eine völlig andere Wendung, als ich dank des Klappentextes vermutet hätte, ist dunkler, kälter und hoffnungsloser. Und stellt sie wieder, die Frage nach der Menschlichkeit, nach dem Recht der Gesellschaft, zu urteilen und zu bestrafen, obwohl niemandem ein Leid geschah. Gerechnet hatte ich mit einem typischen Generationenroman - hier ein paar Geheimnisse, dort ein paar unerlaubte Liebschaften -, bekommen habe ich einen Roman, der trotz seiner schlichten Sätze, seinem lakonischen Ton, tiefer geht, mit ein paar Strichen Menschen und Beziehungen seziert, und der nachhallt. Ein Buch, das ich zornig weggelegt habe, zornig und traurig, weil es deutlich zeigt, was Menschen sich anzutun imstande sind, aus Selbstgerechtigkeit, Zorn und Einsamkeit. Ein Roman, dem ich viele Leser wünsche und ein Autor, der hoffentlich weitere Bücher schreibt. »Ein eindrucksvolles Plädoyer für die Würde des Menschen.« Aus der Juryerklärung für den Finlandia Preis.

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Ein traurig-schöner Familienroman

Buchladen Neusser Straße

Von: Markus Felsmann aus Köln

01.01.2018

Kunstvoll gebaut versteht es der Roman, dem Leser die Protagonisten als Menschen näher zu bringen, ihre Hoffnungen und Träume - aber auch Fehler - zu vermitteln. Für mich schon jetzt eines der schönsten Bücher im Frühjahr 2018!

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