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Rezensionen zu
Erben des Holocaust

Andrea von Treuenfeld

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Für viele Deutsche ist der Holocaust Geschichte. Vergangenheit mit der man nicht mehr belästigt werden will. Diese Perspektive auf die Erinnerung des Holocaust, ist die Perspektive der Täter bzw. der Nachfolgegenerationen der Täter. Es ist eine Verweigerung der Erinnerung und eine Abwehr der Auseinandersetzung mit der eigenen (familiären) Schuld. Während den Tätern das Schweigen leicht fällt, ist es bei den Opfern ein tödliches Schweigen. Die Erinnerung an den Holocaust ist hier keine Tradition oder Pflichtübung, sondern täglich erfahrenes Leid. Die Generation, die den Holocaust überlebt und erlebt hat, gibt ihre Traumata an die zweite und dritte Generation weiter. Ob unausgesprochen oder offen kommuniziert, ist der Holocaust das prägendste Thema. Andrea von Treuenfeld hat mit Menschen der zweiten Generation gesprochen. Und zwar mit Menschen, die in das Land der Täter zurückgekehrt sind. Ausgerechnet. Wie, wenn überhaupt, wurde in den Familien über den Holocaust geredet? Wie wirken Flucht, Vertreibung und Massenmord auf das kollektive Gedächtnis? Wie erinnern Familien Auschwitz und Massenvernichtung? Was bedeutet es für die Kinder zu wissen, dass die eigene Familie potenziell von den Nachbarn vertrieben und ermordet wurde. Von Treuenfeld hat mit prominenten Persönlichkeiten über diese schwierige und intime familiäre Erinnerungskultur gesprochen. Marcel Reif, Jakob Hessing, Sharon Brauner, Andrew Ranicki, Robert Schindel, Nina Ruge, Doron Rabinovici, Andreas Nachama, Ruth Brauer-Kvam, Martin Moskowicz, Abraham Josef Lehrer, Sandra Kreisler, Norman Nathan Gelbart, Ilja Richter, Sarah Singer, Josef Schuster, Gert Rosenthal und Rachel Salamander erzählen vom Unerzählbarem und erinnern das Unerinnerbare. Das Buch bietet dadurch einen Zugang zu einer kaum kommunizierten Perspektive der deutschen Geschichte. Der Holocaust ist keine Frage einer abgeschlossenen Vergangenheit, er ist Teil der Familienerzählung der Täter wie der Opfer. Und von Treuenfeld gelingt es die Erzählungen so zu verdichten, dass dem Leser deutlich wird, wie sehr der NS-Terror nachwirkt, wie sehr er die zweite Generation geprägt hat, die wiederum die dritte Generation prägt. Das Buch ist damit nicht nur ein Baustein in der Verarbeitung der NS-Geschichte, sondern auch ein Baustein zum Verständnis jüdischen Lebens in Deutschland und nicht zuletzt ein Baustein zum Verständnis Israels, so man denn bereit ist, diese Transferleistung anzustrengen. In vielen Familien, oder was davon übriggeblieben ist, wurde über den Holocaust nie geredet. Schweigen war die Überlebensstrategie der Überlebenden. Eine kalte Mauer aus emotionsloser Abwehr sollte den Schrecken aus dem Bewusstsein verdrängen. Und gleichzeitig ist der Massenmord in den Familien immer präsent. Allein dadurch, dass die Familien so klein waren. Wo sind Oma und Opa? Wieso gibt es keine Tanten und Onkel? Und was bedeutet die eintätowierte Nummer im Unterarm? Besonders beeindruckend fand ich die Geschichten von Nina Ruge, Rachel Salamander und Sandra Kreisler. Vielleicht, weil hier die Nach- und Auswirkungen so besonders deutlich werden. Aber auch weil hier die Warnungen an die Gegenwart und Zukunft besonders deutlich mitschwingen. „Diese fünf Jahre zwischen 1933 und 1938, […] in denen konnte man alles voraussehen. Alles hat sich angekündigt. Doch wir wollten es nicht wahrhaben. Wir konnten uns einen so schnellen Wandel zum Horror nicht vorstellen, also blendeten wir das so vieles Offensichtliches aus. Wir waren nicht wachsam genug, was Unterwerfung und was Willkür gegenüber anderen Glaubensrichtungen, aber auch gegenüber anderen politischen Meinungen anging“, warnt Nina Ruge mit den Worten ihres Vaters Jürgen. Ein Buch mit Erinnerungen, Mahnungen und Warnungen, die gegenwärtig wichtiger denn je erscheinen.

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