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Rezensionen zu
Der Morgenstern

Karl Ove Knausgård

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€ 28,00 [D] inkl. MwSt. | € 28,80 [A] | CHF 37,90* (* empf. VK-Preis)

Noch an Karl Ove Knausgårds „Aus der Welt“ bin ich – zumindest vorerst – krachend gescheitert, was in erster Linie in der extrem trostlosen und kalten Atmosphäre des Romans, der in einer mindestens ebenso trostlosen Phase des Rezensenten gelesen wurde, begründet liegt. Dass ich den Auftakt zur aktuellen Romanreihe des Norweger trotzdem angegangen bin, liegt in erster Linie an meiner Affinität zu Thea Dorn. Aus unerfindlichen Gründen würde ich ihr auch dann gebannt zuhören, wenn sie ein sechsstündiges Spontanreferat über Gemüseanbau in Nepal auf serbokroatisch mit Simultanübersetzung in Hindi halten würde. Und nachdem Frau Dorn vor geraumer Zeit im Fernsehen Knausgårds Roman als „auf spektakuläre Weise gelungen“ einordnete, war es dementsprechend nur folgerichtig, zu untersuchen, ob ich dessen Schreibe nicht doch gewachsen wäre. Und letztlich kann man das als wirklich klugen Entschluss einordnen, denn „Der Morgenstern“ ist nichts anderes als ein Lesehighlight. Was der norwegischen Autor hier abgeliefert hat, ist mindestens großartig. Dabei ist die äußere Form des Buches unter Umständen gewöhnungsbedürftig. Anstatt sich auf eine stringente Handlung mit einem einzelnen Protagonisten zu beschränken, schreibt Knausgård quasi neun kleine Romane in einem, indem er das Leben von neun verschiedenen Figuren über wenige Tage während des norwegischen Sommers schildert. Die Verbindung der Figuren untereinander ist dabei mal näher, mal recht lose und mal auch gar nicht vorhanden. Als verbindendes Element dient in erster Linie der urplötzlich am norwegischen Himmel neu auftauchende, strahlend helle Stern. Während Michael Bay oder Roland Emmerich spätestens mit ein Eintreffen dieses Sterns einen ohrenbetäubenden Action-Kracher aus der Geschichte gemacht hätten, bleibt Knausgård ganz bodenständig und ganz nah bei seinen Figuren. Und eben diese sind auch einer der Gründe, warum die gewählte Form so gut funktioniert. Sei es der in die Kulturredaktion strafversetzte und deshalb in Selbstmitleid versinkende, ewig saufende Journalist Jostein, sei es die Pastorin Kathrine, die von jetzt auf gleich feststellt, sich in ihrer Ehe vollkommen unwohl zu fühlen und beim Gedanken an die Rückkehr nach Hause in gänzlich fremde Verhaltensmuster abdriftet – ihnen allen ist gemein, dass sie ihr gewisses Päckchen zu tragen haben und vor allem, dass sie zutiefst menschlich und lebensecht wirken. Dazu gelingt es Knausgård – und diesbezüglich weiche ich frecherweise einen Hauch von Frau Dorns geschätzter Meinung ab -, alle seine Figuren mit einer individuellen, charakteristischen Erzähl- und Sprechweise auszustatten. Mögen die Unterschiede zwischen den Erzählstimmen manchmal nur in Nuancen liegen, so sind sie eben doch da, was vor dem Hintergrund der nicht gerade wenigen Hauptfiguren eine aus meiner Sicht bemerkenswerte Leistung darstellt. Nicht nur in diesem Zusammenhang ist „Der Morgenstern“ stilistisch großes Kino, auch insgesamt merkt man, dass der Norweger in sprachlicher Hinsicht ein überdurchschnittlich guter Erzähler ist. Der mittlerweile auch unter die Autoren gegangene Christian Berkel sprach in diesem Zusammenhang sinngemäß davon, dass am Beginn von Knausgårds Romanen beispielsweise Figuren aus dem Bett aufstehen, 50 Seiten später am Gartentor angekommen sind und in der Zwischenzeit eigentlich nichts passiert ist, diese 50 Seiten dann aber dennoch zum Besten gehören, was man seit langer Zeit gelesen hat. Diesen Eindruck bekam ich bereits bei der Lektüre von „Aus der Welt“ und er hat sich durch „Der Morgenstern“ durchaus verfestigt. Ja, Knausgård neigt zwischenzeitlich zur Weitschweifigkeit, tut das aber auf sprachlich so schöne Art – dem Übersetzer Paul Berf gebührt hier großes Lob -, dass das der Lesefreude überhaupt keinen Abbruch tut. Darüber hinaus bleibt Knausgård auch gar nichts anderes übrig, als gelegentlich abzuschweifen, denn wenn man von der reinen Handlungsebene absieht, stehen in erster Linie die Themen Tod und Klimawandel im Vordergrund. Und so lässt er seine Charaktere Arne und Egil schon mal ausschweifend über Tod und Religion philosophieren, fügt als eigenständigen Abschnitt des Buches sogar ein fiktives Essay von Egil mit dem Titel „Über den Tod und die Toten“ ein. Der Klimawandel begegnet einem in Knausgårds Roman ebenfalls an allen Ecken und Enden. Mal plakativ in Form der übermäßig hohen sommerlichen Temperaturen im norwegischen Sommer, mal etwas weniger plakativ in Form des seltsamen Verhaltens verschiedener Tiere – hier erinnert „Der Morgenstern“ irgendwie an Frank Schätzings „Der Schwarm“ – und letztlich eben subtil auch in Form des am Himmel auftauchenden Sterns. In der Reaktion der handelnden Figuren auf diesen Stern liegt für mich eine weitere Faszination der Buches. Die oben erwähnten Herren Bay und Emmerich hätten ihre Protagonisten an diesem Punkt panisch vor irgendeinem diffusen Bedrohungsszenario fliehen lassen, Knausgårds Figuren nehmen den Stern mehrheitlich zwar zur Kenntnis – und das durchaus auch mit Befremden – letztlich dann aber doch eben irgendwie nur hin – mutmaßlich, weil sie eben gerade mit eigenen, ganz persönlichen und subjektiv auch wichtigeren Dingen beschäftigt sind. So einen richtigen Reim können sich die Charaktere auf das Erscheinen des Sterns nicht machen, aber solange er jetzt nicht unbedingt stört, ist er halt da. Ganz ähnlich reagieren in meiner Wahrnehmung heute noch zahlreiche Menschen, wenn sie mit dem Thema Klimawandel konfrontiert werden, der als etwas Diffuses wahrgenommen wird, gegen das der Einzelne ja sowieso nichts machen kann, und solange es im Winter noch schneit … Gegen Ende des Romans stellt man dann einerseits fest, dass bei weitem nicht alle einzelnen Handlungsstränge auserzählt sind und ergoogelt sich überdies die Information, dass „Der Morgenstern“ nur der Auftakt eines neuen mehrbändigen Knausgård-Epos sein ist. Auch den zweiten Teil habe ich mittlerweile gelesen, und stürze ich mich nun vielleicht erst mal zeitnah wieder auf „Aus der Welt“, bis der dritte Teil der Reihe erschienen ist. Ich freu mich drauf!

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Der Morgenstern

Von: TextArt

17.07.2023

"Der Morgenstern" ist Band 1 eines mehrteiligen Buchprojekts von Knausgård. Es spielt zeitlich vor "Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit". Am Ende geht im zweiten Band der Morgenstern auf. Im ersten Band erleben wir die zwei Tage nachdem der Morgenstern auftaucht. Insgesamt neun verschiedene Charaktere berichten aus ihrem Alltagsleben und von dem Morgenstern, dessen Auftauchen sich niemand erklären kann, jedoch mit merkwürdigen Geschehnissen einhergeht. Es scheint als sei die Welt aus dem Gleichgewicht und die Linie zwischen Leben und Tod verschoben. Und während es um das Alltägliche geht, wird der Roman immer dystopischer. Auf rund 890 Seiten erzählt Knausgård ausufernd und detailliert aber trotzdem intensiv und fesselnd. Für mich hatte das Buch eine Länge in der Mitte, ansonsten hätte ich auch gerne durchgelesen 😃 Es hat etwas von einer Serie, bei der sich immer mehr Fragen auf tun, denen man nachgehen möchte. Ich freue mich schon sehr auf den dritten Band & bin gespannt, wie es weitergeht und ob die Charaktere aus Band 1&2 sich begegnen! Meiner Meinung nach, müssen die Bände nicht in der Reihenfolge gelesen werden. Aus Band 1 hätte ich nichts für Band 2 mitnehmen können. Da auch die zeitliche Reihenfolge nicht stimmt. Für mich wieder ein großartiger Roman!

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Gleich vorweg: Ich bin eine große Liebhaberin von Knausgårds sechsbändigem autobiografischen Projekt. Wie es nun weitergehen würde mit dieser Liebe, war mir bis zuletzt nicht ganz klar, denn in seinem neuen – ebenfalls mehrbändigen – Romanprojekt geht es fantastisch und dystopisch zu (eigentlich so gar nicht mein Fall). Den ersten Teil dieser Reihe bildet „Der Morgenstern“, der von einem neu am Himmel erscheinenden Riesenstern handelt, der eine ganze Menge an kuriosen Begebenheiten mit sich bringt: Zunächst noch realistisch wird der Alltag von neun sehr unterschiedlichen Personen erzählt, der zunehmend aus den Fugen gerät. Wie auch in seinen Vorgängerwerken stellt Knausgård hierbei die großen Fragen nach Tod, Glauben, Sinn und Wissen – in der typischen knausgård‘schen Art: äußerst ausführlich und gespickt mit vielen essayistischen Exkursen in Theologie und Philosophie. Deshalb ist es vermutlich nicht verwunderlich, dass meine ersten beiden Anläufe „Der Morgenstern“ zu lesen, im Sande verlaufen sind: Das Buch ist im April des Vorjahres erschienen und zu dieser Zeit war es mir einfach nicht möglich, mich darauf einzulassen… Nun, beim dritten Anlauf, hat es endlich geklappt! Und ich bleibe dabei, so fantastisches/dystopisches Zeug ist so gar nicht meins EIGENTLICH… Denn ja, überraschenderweise habe ich „Der Morgenstern“ äußerst gern gelesen. Die verschiedenen Elemente und Bausteine haben sich für mich stimmig zusammengefügt. Wie auch sonst bei Knausgårds Büchern, brauchte es dazu aber ein nicht gerade kleines Maß an Konzentrationsfähigkeit und vor allem Muße. Wer dies aber aufbringen kann und will, wird meiner Meinung nach reich belohnt: mit einer düsteren, spannenden, anregenden und unterhaltsamen Lektüre voller Bezüge zu aktuellen Krisen. Ich freue mich jedenfalls schon auf den zweiten Teil, der in einem Monat erscheint.

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Ein Lesefest

Von: Marie

13.10.2022

In "Der Morgenstern" zeigt uns Karl Ove Knausgård das ganz alltägliche Leben von fünf Frauen und vier Männern. Es wird gearbeitet, geliebt, geweint und gestorben. Und es wird sehr körperlich, denn der Autor macht weder vor der Schlafzimmer- noch vor der Badezimmertür halt. Wir werden in den Tag eines Menschen hineingeworfen und wieder herausgezogen, so als ob man durch das Fernsehprogramm zappt. Manche Personen tauchen nur kurz auf, wie z. B. Vibeke, die ein Geburtstagsfest für ihren Mann vorbereitet. Manche länger, wie der Journalist Jostein, der mit seiner Arbeit im Kulturbereich hadert, in den er wegen eines nur kurz gestreiften Vorfalls abgeschoben wurde. Gemeinsam haben sie nur wenig. Sie wohnen in der Küstenstadt Bergen, wundern sich über die ungewöhnliche Hitze und schauen alle mehr oder weniger besorgt zu diesem neuen Stern hinauf. Manche Geschichten werden minimal verflochten, so wie die von Egil, der an seine erste Liebe Kathrine zurückdenkt, die nun als Pastorin arbeitet und in einer unglücklichen Ehe feststeckt. Insgesamt haben die Personen aber wenig bis gar nichts miteinander zu tun. Karl Ove Knausgård spielt gekonnt mit den verschiedenen Erzählsträngen, lässt die Menschen in ihrem jeweiligen Kapiteln als Ich-Erzähler auftreten. Sie sind auch ein Gerüst für große Fragen, die der Autor in sein Werk eingebaut hat: Klimawandel, Freiheit, das Leben nach dem Tod, Religion. Dabei wird es gerade zum Ende sehr philosophisch und es braucht Konzentration, den Gedankengängen zu folgen. Es lohnt sich, da man mit einem großartigen Roman belohnt wird. Sperrig finde ich ihn absolut nicht, im Gegenteil, er ist sehr gut lesbar. Durch die knapp 900 Seiten bin ich förmlich geflogen. Und was ist nun mit dem Morgenstern? Über dessen Bedeutung lässt Knausgård seine Charaktere im Unklaren – so wie auch den Leser. Überhaupt scheint der Autor Spaß daran zu haben, Geschichten aufzuwerfen und sie einfach wieder fallen zu lassen, so wie die von Emil, der in einem Kindergarten arbeitet und versehentlich ein Kind vom Wickeltisch fallen lässt. Aber vielleicht werden diese Geschichten später wieder augegriffen? Weitere Bücher sind geplant und die Veröffentlichung für "Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit" (was für ein wunderbarer Titel!) wurde bereits für Februar 2023 angekündigt. Fazit: "Der Morgenstern" ist ein tiefgründiger Roman, der in anspruchsvollen Episodengeschichten das alltägliche Leben von neun norwegischen Menschen beleuchtet. Ein hervorragender Schreibstil und sehr gut ausgearbeitete Charaktere machen Karl Ove Knausgårds Buch zu einem Lesefest.

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Altstadt Buchhandlung GmbH

Von: Christine Schweyer aus Murten

26.09.2022

... habe ihn erst letzte Woche gelesen, falsch, ich habe ihn verschlungen, praktisch gefressen, genial!!!

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Karl Ove Knausgårds „Der Morgenstern“ ist ein monumentaler Episodenroman, angesiedelt im Universum von „Es gibt mehr Ding‘ im Himmel und auf Erden/Als Eure Schulweisheit sich träumt“ (Shakespeare, Hamlet), „In me thou seest the twilight of such day“ (nochmal Shakespeare, Sonett 73 – ich kann nichts dafür: Shakespeare kannte sich eben aus), biblischer Weisheit und „The Sixth Sense“. Federleicht am Rand des Irrationalen schwebt Knausgårds Roman völlig entschleunigt durch die norwegische Landschaft rund um Bergen und beschreibt die kleinen, banalen, alltäglichen Leben ganz normaler, belasteter und meist nicht sonderlich sympathischer Menschen, die durch das ein oder andere verbunden sein mögen – oder eben auch nicht. Auf der Suche nach diesen (nicht-)existenten, zarten Linien der Vernetzung wird man als Leser sehr gefordert, denn der Roman ist thematisch äußerst anspruchsvoll und liest sich doch so leicht weg wie ein Norwegen-Krimi – eine große Leistung. Der Anspruch der Lektüre resultiert aus Knausgards Gedankenspielen, seinem beständigen Einflechten von Ereignissen, die merkwürdig sind und gar nicht sein können, sodass man ständig bemüht ist, einen Sinn zu erschaffen, ein Verständnis zu erlangen, das Abstruse auszugleichen, zu erklären – so ist das menschliche Gehirn schließlich geartet. Im Grunde genommen versucht Knausgård genau dies mit seinem „Morgenstern“ herauszustellen: wir können nur sehen, was wir erklären können, wir nehmen nur wahr, was wir mit unserer Sprache beschreiben können – liegt etwas außerhalb unserer Realität und Ratio, dann existiert es nicht. In genau diese Grauzone unserer Erkenntnisfähigkeit dringt der Roman zunehmend vor und liefert zahlreiche Anstöße zum (Mit-)Denken bis er zum Ende hin mit Hingabe in surreale Traumwelten im Stile von Neil Gaiman abdriftet, schließlich zwischen metaphysischen und philosophischen Reflexionen fast zum Sachbuch wird und zu einem Schluss findet, der nach einer Fortsetzung verlangt – oder eben auch nicht, denn auf viele Fragen und vor allem die eine existentielle Frage nach Leben und Tod gibt es eben einfach keine Antwort. Ich habe diesen klugen, außergewöhnlichen Roman sehr genossen, auch wenn sich auf den knapp 900 Seiten die ein oder andere Länge, vor allem in den religiösen Ausführungen, eingeschlichen hat und ich, nachdem ich mich gerade gefreut hatte, dass Knausgård ohne übertriebene Körperlichkeit auskommt, unmittelbar eines Besseren belehrt wurde. Der Text hat mich gedanklich mitgerissen und fasziniert, vor allem auch, weil Knausgård so schreibt, wie ich es mir oft von Autoren wünsche: furchtlos, befreit und auf eine seltsame Weise auch rücksichtslos, ohne den Wunsch, seinem Leser zu gefallen – das weiß ich sehr zu schätzen. Der Roman ist eine intelligente Lektüre, die nachdenklich und unruhig macht, bereichernd, begeisternd, bedrohlich und beklemmend. Ein absoluter Lesetipp für alle, die nicht nur einfach unterhalten werden wollen, sondern sich an lose Erzählfäden trauen, keine Antworten auf Fragen erwarten, aber aus einem Roman so einiges mitnehmen möchten.

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Wenn man es mal ganz unverblümt benennen wollte: In gewisser Weise ist dieser Roman eine groß angelegte Täuschung! In der ersten Hälfte suggeriert der Autor der potenziellen Leserschaft, dass es um eine psychologisch tiefgründige Analyse einiger Protagonisten geht, die in ihren Lebenskonstellationen (als Journalisten, Krankenschwester oder Pfarrerin) mit verschiedenen existentiellen Herausforderungen beschäftigt sind und dabei in mehr oder weniger große Widersprüche geraten. Dabei geht es sowohl um innere psychische, als auch um beziehungsbezogene Spannungen und Konflikte. Im weiteren Verlauf verlässt der Autor – sozusagen schleichend – die Ebene von Handlungen und Erzählsträngen und wendet sich immer stärker der mikroskopischen Feinanalyse einzelner Situationen, den innerpsychischen Prozessen (einschließlich längerer abstrakter, u.a. religiöser Reflexionen) und schließlich auch (in sich abgeschlossenen) Traumepisoden zu. Zuletzt löst sich die Romanstruktur fast vollständig auf und führt zu einem längeren Traktat über die Beschaffenheit des Todes (wobei der Zusammenhang mit der „Handlung“ völlig aufgegeben wird). Natürlich sucht man als Leser/in nach einer Verbindung zwischen dem allen. Man findet sie in dem Thema „Tod“. Der Autor ist ein tiefgründiger Mensch, der auf der einen Seite ganz tief im christlichen Glauben verankert ist; gleichzeitig erlebt er sich als einen aufgeklärten, wissenschaftsaffinen und genussorientierten Menschen, dem rationales Denken und Argumentieren keineswegs fremd ist. Dieses Spannungsfeld stellt letztlich den Hintergrund für dieses insgesamt recht sperrige und inhomogene Buch dar. Während der Autor einerseits durch sein durchaus differenziert und brüchig gezeichneten Figuren deutlich macht, dass er (so springt es einen zumindest an) ein passionierter Raucher, dem Alkohol zugetan und an Sex auch nicht gerade desinteressiert ist – zeigt er auf der anderen Seite sein tiefes Bedürfnis, das Mysterium des Todes so lange zu ergründen, bis da doch ein Licht am Horizont zu leuchten scheint. Es rührt einen geradezu an, mit welcher intellektuellen Energie und Akribie KNAUSGÅRD philosophische, religiöse und historische Quellen und Orte ausleuchtet – immer auf der Such nach der kleinen Lücke, die ihm die Chance gibt, sich dem rational erkannten biologischen Gegebenheiten doch noch irgendwie zu entwinden. Man könnte also sagen: Der Tod ist das Lebensthema des Autors und seine emotionale Weigerung, die eigene (irgendwie ja auch als zwangsläufig erkannte) Endlichkeit wirklich zu akzeptieren, ist offenbar die zentrale Triebfeder seines Schaffens. Noch ein Wort zum Titel des Buches: Der Morgenstern, der sich als unerklärbares astronomisches Phänomen in Alltagsleben der Protagonisten schiebt, ist für den Autor insgesamt ein religiöses Symbol für einen Neubeginn oder Übergang in ein anderes Zeitalter. Auch ein paar andere ungewöhnliche Phänomene sind Zeichen dafür, dass sich Gewissheiten und Naturgesetzlichkeiten auflösen. Da passt es doch auch irgendwie, dass sich auch dieser Roman und seine Handlungen immer weiter zerbröseln… Man kann das Ganze natürlich als eine raffiniert angelegtes literarisches Kunstgebilde ansehen, mit der der Autor kreativ und mutig die üblichen Grenzen einer Romanerzählung sprengt. Man kann allerdings auch mit einigem Recht irritiert sein, wie hier eine Erzählung sehr lebendig und lebensnah startet und in sehr subjektiven philosophischen und religiösen Betrachtungen endet. Zu empfehlen ist es das Buch wohl nur Menschen, die eine Offenheit gegenüber tiefgründigen anthropologischen und religiösen Betrachtung haben und vielleicht auch selbst von dem Bedürfnis getrieben werden, dem rational-naturalistischen Weltbild etwas entgegenzusetzen, was den eigenen, allzu menschlichen, emotionalen Bedürfnissen mehr schmeichelt. Der Versuch, sozusagen mit den Mitteln von Wissen, Logik und Vernunft die Vorstellung vom „ewigen Weiterleben“ doch noch hoffähig zu machen, kann auch in diesem Buch nicht überzeugen.

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Ein tolles Buch

Von: Jenni34

02.08.2022

Ein sehr spannendes Buch.Man ist sofort Vertieft weil man gar nicht mehr aufhören kann zu Lesen.Kann es nur jedem weiter Empfehlen.

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