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Rezensionen zu
Franz Josef Strauß

Peter Siebenmorgen

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Franz Josef Strauß, dessen Todestag jetzt am 3.Oktober war, der dieses Jahr hundert Jahre alt geworden wäre (bei einem ausgeglichenen Lebenswandel seinerseits) hat seit jeher die Menschen polarisiert. Seine emotionalen Ausbrüche sind legendär, aber auch sein Charisma und sein politischer Wagemut, sein unbedingter Wille etwas zu erreichen und auch wenn man nicht seiner Meinung war, man muss ihm zugestehen: Er war ein Vollblutpolitiker, wie es heute kaum noch welche gibt. “Von Strauß, hat man ihn erst einmal aus der Nähe erlebt, geht eine ungeheure Faszination aus. Seine Art zu denken, die Kraft seiner Sprache, das Entschiedene, Eindeutige, Unverwässerte seines politischen Urteils – das alles steckt an.” Doch was für ein Mensch war Franz Josef Strauß wirklich? Peter Siebenmorgen hat Einblick in viele persönliche Quellen des CSU-Politikers gehabt und legt uns hier ein umfangreiches Werk vor, welches den Leser mit Informationen fast erschlägt und ein detailreiches Studium der in den 80 Seiten angegebenen Quellen aufzeigt. Franz Josef Strauß wird 1915 in München als zweites Kind des Metzgers Franz Josef Strauß geboren, sein Sohn soll diesen Betrieb später übernehmen. Der Vater ist monarchistisch eingestellt und befürwortet die Abtrennung Bayerns von Deutschland. Früh zeigt sich, dass FJS für andere, höhere Aufgaben berufen ist. Er schließt sein Abitur als bayernweit Bester ab und erlangt ein Stipendium der Altphilologie und Geschichte. Der Zweite Weltkrieg stört das Studium, FJS nutzt aber jede Freizeit, um dieses in den Jahren 40/41 erfolgreich zu beenden. In den Kriegsjahren äußert er sich sehr kritisch über die Nationalsozialisten, er erkennt die propagandistische Manipulation der Nazis, hat Glück dass er trotz seiner gegensätzlichen Auffassung nicht in einem Arbeitslager verschwindet. Durch seine guten Englischkenntnisse kann er ab 1945 seine politische Karriere, erst in Bayern dann später als Minister für Atomfragen und Verteidigungsminister in Bonn, durch die Hilfe der Amerikaner starten. Seit der ersten Legislaturperiode gehörte er dem Deutschen Bundestag an. Die Titel und Verdienste von Strauß sind vielfältig, eine Aufzählung würde hier den Rahmen sprengen. Zwei Ereignisse sind für Siebenmorgen entscheidend im Leben von FJS: Die Spiegel-Affäre 1962 und die Kanzlerkandidatur 1980. Nach der ersten fällt FJS in ein tiefes Loch, zieht sich nach München zurück, erstarkt an dieser Niederlage, bis zu dem Versuch, nach der Krone zu greifen. Alleine seine eigen unbändige Natur verhindert dies. Strauß, dem man nur ein Stöckchen hinwerfen muss, damit er explodiert, erschrickt die Wähler, die seine brachiale Gewalt fürchten und öfters auch hassen. Gerade die neu entstandene APO reibt sich an ihm. Nach der Niederlage bleibt FJS in München, wo er der Landesvorsitzende bis zu seinem Tod bleibt. Per se bleibt bei einem so öffentlichen Politiker nicht viel Privates. Siebenmorgen versteht es aber sehr objektiv, den Bayern zu charakterisieren. Durch sein häufiges Fernbleiben von der Familie kommt es auch zu einer Ehekrise, die Marianne Strauß in ihrem Tagebuch schildert, Siebenmorgen zieht ein sachliches Resümee: “Was eine geglückte, was eine glückliche Ehe ist, lässt sich zumal von außen schwer beurteilen. Dass das Eheglück im Falle Strauß zeitweise am seidenen Faden hing, ist allerdings unübersehbar. […]Wahrscheinlich war es mehr – und auch mehr als bloße Gewohnheit, was sie beide aneinander hat festhalten lassen. “ FJS war ein Politiker, der öfters gegen den Strom schwamm und sich unverstanden fühlte, war er deswegen ein Großer? “Um wie viel mehr gilt dies, wenn es um die an sich schon schwer fassbare Kategorie der ‘historischen Größe’ am konkreten Beurteilungsobjekt geht. Für den Gang der Geschichte ist diese Frage belanglos, für das historische Bewusstsein hingegen zentral. […] Doch es gibt ein Merkmal, das gänzlich unverzichtbar ist: Die Großen der Geschichte stehen stets gegen ihre Zeit – die Zeit, in der sie leben.” Es steckt viel Politikwissenschaft in Siebenmorgens Biographie, dennoch ist ihm ein fast schon spannendes Buch von der politischen Zeit in der BRD nach dem Zweiten Weltkrieg gelungen. Viele Verbindungen werden sehr ausführlich behandelt, sein Verhältnis zu Adenauer war meist getrübt, auch mit Kohl und dessen indifferentem Führungs- und Politikstil kam er nicht zurecht. Gerade in Verteidigungsfragen wollte er Freiheiten haben, Unabhängigkeit vor dem großen Partner USA, die BRD sollte eine größere Rolle in Europa spielen. Hier zeigt sich die wichtigste Lebensgrundlage von FJS: “So banal es auch klingen mag. Will man Leben und Streben von Franz Josef Strauß auf einen einzigen Begriff bringen, so fällt die Antwort denkbar einfach: Freiheit. In diesem Begriff, mehr als in jedem anderen Prinzip, liegt überdies der Schlüssel zum Verständnis seiner gesamten politischen Vorstellungswelt.” Siebenmorgen verschweigt nichts – auch nicht die Wahrheiten, die die Öffentlichkeit vielleicht nie so von FJS kennengelernt hat. So habe auch ich viele Vorurteile abbauen und viele interessante Details der neueren Geschichte lernen können. Eine unverzichtbare Biographie einer wichtigen politischen Persönlichkeit Deutschlands, von einem der sich nie verbogen hat – und deswegen auch nie den Zuspruch erlangte, den er sich so sehr wünschte. “Viele Schlachten hat Strauß gewonnen, ähnlich viele, allerdings die wichtigeren, verloren, mal war er Hammer, mal war er Amboss. Der größte Horror hat ihn am Lebensende fast doch noch ereilt, er ist ihm, dem Freiheitsliebenden, allerdings erspart geblieben: Gekrümmtes Blech, das war er nie.”

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Franz Josef Strauß polarisiert bis heute. Die einen verehren den langjährigen Bundesminister und bayerischen Ministerpräsidenten, die anderen verdammen ihn. "Ich bin weder Heiliger noch ein Dämon", hat er über sich selbst gesagt. "Ich bin kein ausgeklügeltes Buch, sondern ein Mensch in seinem Widerspruch". Wie wahr: Brachial und doch geschliffen war seine Wortwahl, streitlustig und doch versöhnlich sein persönlicher Umgang, meistens prinzipienfest und doch manchmal moralisch fragwürdig seine politischen Urteile. Wie schön, dass auf der Frankfurter Buchmesse gleich zwei ausgeklügelte Bücher über Josef Strauß vorgestellt worden sind, die sich diesem widersprünglichen Machtmenschen auf ganz unterschiedliche Weise und mit unterschiedlichen Akzenten nähern: Schwarz-weiß zeichnet keine der Biografien ihren Protagonisten - und doch ist Strauß für keinen der beiden Biografen ein gewöhnlicher Titelheld. Die Lebensgeschichte von Franz Josef Strauß, die vor 100 begonnen hat, ist eine Aneinanderreihung von Superlativen: Er war der jahrgangsbeste Abiturient Bayerns, der schnellste Radrennfahrer Süddeutschlands, der jüngste Bundesminister (erst für Atomfragen, dann für Verteidigung). Er war ein Mann für die politischen Herkulesaufgaben wie den Aufbau der Bundeswehr und er hat maßgeblich Anteil daran, dass Bayern heute so gut dasteht, wie es dasteht. Strauß ist aber auch der Politiker mit den - zumindest gefühlt - meisten Verwicklungen und Skandalen. In der Starfighter-Affäre geht es um die zwielichtigen Umstände der Anschaffung von Kampfflugzeugen, in der Spiegel-Affäre um die Pressefreiheit. Auch seine Wortgewalt ist legendär. Strauß, ein intelligenter Macher mit Blick für komplexe Zusammenhänge hat gerne mal im Stile ein Stammtischbruders herumgepoltert: Über Helmut Kohl, seinen langjährigen Konkurrenten im Kampf um die Vormachtsstellung in der Union, hat er gesagt, er könne "nie Kanzler werden. Er ist total unfähig. Ihm fehlen die charakterlichen, die geistigen und die politischen Voraussetzungen. Ihm fehlt alles dafür." Strauß selbst hat es - im Gegensatz zu Kohl - nie ins Kanzleramt geschafft. In einem erbitterten Wahlkampf (1980) haben seine vielen Gegner ihren Slogan wahrgemacht: "Stoppt Strauß!" Strauß definiert sich neu: als bayerischer Weltpolitiker, der in der Heimat gefeierter Ministerpräsident ist und auf internationalem Parkett so manchen Clou landet - und zwar buchstäblich: Nach Moskau fliegt er selbst und landet die kleine Maschine im schwierigsten Wetter. Und dass auchgerechnet er, einer der schärfsten Kritiker des Kommunismus einen Milliardenkredit für die DDR aushandelt, ist auch eine politische Sensation. Als Strauß 1988 stirbt, erweisen ihm Tausende die letzte Ehre. Die Buchbesprechungen Bislang konnten Biografien über Franz Josef Strauß recht eindeutig sortiert werden: Die einen waren für ihn und die anderen gegen ihn: Heldenverehrung und Schurkendresche sozusagen. Die beiden neu erschienen Biografien von Horst Möller und Peter Siebenmorgen sind so einfach nicht abzustempeln, auch wenn gewisse Sympathien beziehungsweise Vorbehalte nicht zu übersehen sind (bei Möller kommt Strauß besser weg). Die Schlüssel zu beiden Büchern sind die Berufsbiografien der Biografen: Möller ist Historiker und hat das renommierte Institut für Zeitgeschichte geleitet. Siebenmorgen ist Politikwissenschaftler und Journalist. Beide haben jahrelang recherchiert, beide schreiben kurzweilig und dicht über den Machtmenschen Strauß. Bei Möller steht das Lebenswerk im Vordergrund, Siebenmorgen akzentuiert die Lebensgeschichte. Möllers Buch trägt dabei eher den Charakter der politischen und zeitgeschichtlichen Analyse, Siebenmorgens Biografie liest sich eine Spur mehr wie ein Polit-Drama. Das heißt aber nicht, dass Möller die Dramatik im Leben dieser politischen Urgewalt vernachlässigt. Und es bedeutet auch nicht, dass Siebenmorgen ein reines Skandalbuch vorgelegt hat. Das Gegenteil ist der Fall: Beide Bücher sind abwägend, wenngleich mit unterschiedlichen Prioritäten in Darstellung und Einordnung. Beide Bücher sind absolut lesenswert und es ist gerade ein Genuss, sich den doppelten Strauß sozusagen parallel zu erlesen - auch, wenn beide Biografien schon für sich viele hundert Seiten umfassen. Möller ist der Erstbesteiger eines Aktenachttausenders, Er hat viele Regalmeter an Archivakten ausgewertet (darunter den umfangreichen Nachlass) und daraus ein faszinierendes und umfassendes Bild des politischen Denkens und Handelns von Franz Josef Strauß gezeichnet. Bei diesem Buch werden Strauß-Sympathisanten wohl eher auf ihre Kosten kommen, weil Möller manche liebgewonnene und tradierte Skandalsierung gekonnt und unaufgeregt entmystifiziert. Ein Beispiel ist die Spiegel-Affäre von 1962: 'Der Spiegel' hatte unter dem Titel "Bedingt abwehrbereit" Bundeswehr-Interna publik gemacht. Die Justiz hatte wegen Verdachts auf Geheimnis- bzw. Landesverrats die Durchsuchung der Redaktionsräumer angeordnet und den Herausgeber Rudolf Augstein sowie führende Redakteure festgenommen. Oft wird das so dargestellt, als habe Verteidigungsminister Strauß - seit Mitte der 1950er Jahre ein Intimfeind Augsteins - persönlich die Durchsuchung der Redaktionsräume angeordnet. In seiner überzeugenden Analyse schlüsselt Möller die Rolle und Bedeutung des Verteidigungsministers nüchtern auf und relativiert somit den Einfluss, den Strauß gehabt hat. Ein später Freispruch wird dem im Zuge der Affäre zurückgetretenen Minister dennoch nicht zuteil: Möller erkennt in der Spiegel-Affäre "kaum ein Schurkenstück von Strauß, aber einen politischen Intrigantenstadel mit zahlreichen Dramatis personae, und nur wenigen Unschuldslämmern." Peter Siebenmorgen beurteilt Strauß ebenfalls differenziert. Doch bei allem Respekt, den er Strauß für seine Leistungen zollt, überwiegen die Darstellungen der Dissonanzen. Seine Biografie kommt in manchen Passagen wie ein Enthüllungsbuch daher. Brisante Akten habe er "auf Dachböden und in Kellern" gefunden, erzählt Siebenmorgen auf der Frankfurter Buchmesse im Gespräch mit Spiegel-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer. Wie ein investigativer Journalist deckt Siebenmorgen dubiose Geschäftspraktiken auf, mit denen Strauß viel Geld für vermeintliche Unternehmensberatungen verdient habe. "Er hat sich aushalten lassen und Geld genommen, das er als Politiker besser nicht genommen hätte", sagt Siebenmorgen, macht sich aber dieses Urteil nicht einfach. Korrupt sei Strauß jedenfalls nicht gewesen, weil sein Verhalten nicht strafrechtlich relevant gewesen wäre. Etwas zu viel der Enthüllung sind die veröffentlichten wörtlichen Zitate aus den Kalendernotizen von Strauß' Frau Marianne, die sich in einer schwierigen Ehephase den Frust von der Seele schreibt. In diesem Fall lässt sich Peter Siebenmorgen von Scheinsensationen verführen, wie sie im Boulevard gang und gäbe sind. Große Wirkung, aber eigentlich kaum überraschend. Dass Strauß gerne mal etwas tiefer in Glas geschaut hat, wissen Millionen von Fernsehzuschauern an langen Wahlabenden. Davon angesehen leistet aber auch Siebenmorgen wie vor allem Möller einen wichtigen Beitrag zur längst überfälligen differenzierten Strauß-Bewertung, weil beide nicht darauf bestehen, alle Widersprüche auszuräumen, sondern es dabei belassen, sie zu benennen. Das macht Politik und Politiker menschlicher. Es lohnt sich, in langen Winternächten mal in die eine und die andere Strauß-Biografie zu schauen.

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