Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezensionen zu
Das Echo der Bäume

Sara Nović

(2)
(2)
(0)
(0)
(0)
€ 22,00 [D] inkl. MwSt. | € 22,70 [A] | CHF 30,50* (* empf. VK-Preis)

"Die bringen sie um", sagte der Mann. "Wen?", fragte mein Vater [...]. "Jeden." (Seite 68) Kroatien im Jahre 1991: Die zehnjährige Ana verbringt zum ersten Mal den Sommer in Zagreb und nicht an der Küste, denn die Serben haben die Straßen zum Meer blockiert. Auch in Zagreb kommt es schließlich zu Kampfhandlungen, Luftangriffen, Lebensmittelknappheit - der Krieg hat die Hauptstadt erreicht. Anas acht Monate alte Schwester Rahela ist schon länger krank, und nachdem die Eltern bereits Hilfe in Slowenien gesucht haben, machen sie sich nun zu viert auf den Weg nach Sarajevo, wo Rahela zurückgelassen wird, damit sie in den USA eine Chance auf Heilung und ein Leben ohne Krieg erhält. Auf der Rückfahrt von Sarajevo nach Zagreb werden Ana und ihre Eltern von paramilitärischen Gruppen der Serben angehalten, aus dem Auto geholt und in einen nahegelegenen Wald gebracht. Dort werden Anas Eltern erschossen, doch Ana kann durch einen Trick ihres Vaters überleben. Zehn Jahre später lebt und studiert Ana in New York. Als sie bei der UNO einen Vortrag über ihre Kriegserfahrungen in ihrer Kindheit hält, brechen alte Wunden wieder auf. Die von Albträumen geplagte Ana, die zehn Jahre lang ihre Herkunft verschwiegen hat, beschließt, dass sie erst Frieden finden kann, wenn sie zurück in ihre alte Heimat Kroatien reist. Das Echo der Bäume ist der Debütroman von Sara Nović und nimmt den Leser mit ins Kroatien der 1990er Jahre und des 21. Jahrhunderts. Nović zeigt darin, wie in einem Land, in dem jahrzehntelang "Brastvo i Jedinstvo" - Brüderlichkeit und Einheit - gepredigt wurden, wieder der Unterschied zwischen Ethnien betont und Hass gesät wurde, was schließlich in den Kriegen auf dem Balkan gipfelte. Das Echo der Bäume wird eindringlich erzählt und gibt den Verlauf der Ereignisse im Jahre 1991 zum Teil recht detailliert wieder, so dass man als Leser einen guten Einblick in die Geschichte Kroatiens und die Chronologie des Kroatienkrieges erhält. Nović schreibt sehr anschaulich vom Leben in Zagreb und im Dorf, wo Ana nach dem Tod ihrer Eltern unterkommt. Sie hat in ihrem Roman den Geruch von verbranntem Holz, Kunststoff und Fleisch, die aufsteigenden Rauchsäulen, die Erschütterungen von den Bombardierungen, die Angst und Hilflosigkeit, die Veränderungen der Handlungsorte sehr lebendig eingefangen, doch bisweilen fand ich ihre Schilderungen etwas hölzern, distanziert und bemüht emotional, was gegebenenfalls daran liegt, dass die Autorin nicht von eigenen Erlebnissen schreibt, ihr deshalb möglicherweise eine authentische emotionale Färbung fehlt. Gefallen haben mir die Ausführungen zur Suche nach sich selbst, nach verlorenen/vergessenen/verdrängten Teilen von Anas Leben, die sie nach und nach wieder zusammenfügt, sowie Novićs Beschreibungen von Anas Zerrissenheit zwischen den Kulturen. Trotz meiner - kleineren - Kritikpunkte kann ich den Roman sehr empfehlen, vor allem denjenigen, die sich mehr mit der Geschichte Kroatiens und des Balkans beschäftigen wollen. Sara Nović: Das Echo der Bäume. Aus dem Englischen von Judith Schwab. btb, 2018, 317 Seiten; 22 Euro.

Lesen Sie weiter

In ihrem Debütroman Das Echo der Bäume erzählt Sara Nović von einer kroatischen Kindheit im Krieg und einem Neuanfang in den USA. Im Mittelpunkt steht dabei vor allem auch die Frage, wie eine Rückkehr in die Normalität und ein Weiterleben mit der traumatischen Erinnerung möglich ist.  Sommer 1991. Ana hat gerade ihren zehnten Geburtstag gefeiert, als der Krieg in ihre Heimatstadt Zagreb einfällt. Während die Tage nun zusehends von Bombenangriffen und Schreckensmeldungen aus dem Fernsehen bestimmt werden, versuchen sich Ana und ihre Freunde ihre kindliche Normalität weiterhin so gut es geht zu bewahren. Sie gehen zur Schule, machen auf dem Fahrrad die Stadt unsicher oder spielen auf den Sandsäcken der Barrikaden. Doch als brächte der Krieg allein nicht schon genug Sorgen mit sich, ist da auch noch die Sache mit Anas kleiner Schwester Rahela: Da der Säugling schwer nierenkrank und die medizinische Versorgung mehr als schlecht ist, beschließen die Eltern, das Mädchen vorübergehend zu einer Pflegefamilie in die USA zu geben und ihr so die lebensnotwendige OP zu ermöglichen. Rahela befindet sich bereits in der Obhut einer Hilfsorganisation, als Ana und ihre Eltern nach einem Besuch in Sarajevo in eine Straßensperre geraten. Was dann folgt, ist an Grausamkeit und Brutalität kaum zu überbieten. Gemeinsam mit weiteren Gefangenen wird die Familie von serbischen Soldaten zu einer Grube in einem Waldstück getrieben. Nur der Geistesgegenwart des Vaters – der sie im richtigen Moment auffordert, sich tot zu stellen – ist es dabei zu verdanken, dass Ana die Gruppenhinrichtung als Einzige überlebt. Wie aber kann ein Weiterleben nach der Katastrophe gelingen? Lässt sich das Trauma  – und mit ihm das Schuldgefühl der Überlebenden – irgendwann überwinden?  Dies sind die zentralen Fragen, die Nović zum Ausgangspunkt ihres Romans macht. Stück für Stück rekonstruiert sie im Verlauf der Handlung die Lebensgeschichte ihrer Protagonistin. So erfährt der Leser, dass diese unmittelbar nach der Ermordung der Eltern Unterschlupf in einem nahe gelegenen Dorf fand und sich dort einer bewaffneten Untergrundarmee anschloss. Er erfährt auch, wie Ana nach ihrer Rückkehr nach Zagreb mithilfe ihres Patenonkels und einer UNO-Mitarbeiterin außer Landes geschafft und schließlich von den amerikanischen Pflegeeltern ihrer Schwester adoptiert wurde. Zehn Jahre später scheint Ana in ihrem neuen Leben angekommen zu sein. Sie studiert, hat einen fürsorglichen Freund und ein freundschaftliches Verhältnis zu ihren Adoptiveltern Laura und Jack. Doch der Schein trügt. Denn hinter der Fassade der vermeintlichen Normalität kämpft Ana mit den Geistern ihrer Vergangenheit. Während ihre Schwester, die bereits als Baby in die USA kam, kaum Erinnerungen an das frühere Leben in Kroatien besitzt, fühlt sich Ana innerlich regelrecht zwischen zwei Welten zerrissen. Das Gefühl, "anderswo hinzugehören", ist ihr ständiger Begleiter.  Wie eine unsichtbare Wand schiebt sich die Vergangenheit dabei zwischen Ana und ihre Umwelt. In Amerika muss Ana so immer wieder schmerzhaft erfahren, wie unbegreiflich das von ihr Erlebte für Menschen ist, die selbst nie mit der Gewalt des Bürgerkrieges in Berührung gekommen sind, wie schwer es für Außenstehende zu verstehen ist, warum sich selbst ein Kriegsgebiet  "immer noch wie Heimat anfühlen kann." Das Sprechen über die eigene Biografie, über ihre Erinnerungen, Sorgen und Ängste, wird zum Ding der Unmöglichkeit. So entwirft Ana alternative Kindheitsgeschichten: Statt um heulende Sirenen und verschwundene Angehörige geht es darin um Klingelstreiche und Spiele in Luftschutzkellern, bis Zagreb ihren Zuhörern "am Ende wie ein spaßiger Rummelplatz erscheinen musste."  Doch je älter Ana wird, desto unerträglicher wird auch das Gefühl, dass in ihrem amerikanischen Umfeld niemand – nicht einmal sie selbst – wirklich weiß,  wer sie eigentlich ist. In der Hoffnung, der eigenen Identität wieder näherzukommen, fasst sie so eines Tages den Entschluss nach Kroatien zu fahren und sich dort auf die Spuren der eigenen Geschichte zu begeben. In Zagreb trifft Ana ihren alten Freund Luka wieder, mit dem sie nach und nach die Orte ihrer Kindheit aufsucht. Anas Reise in die Vergangenheit beschreibt Nović dabei als den verspäteten Abschied von einem Zuhause, das unwiederbringlich zerstört ist – in der Erinnerung aber mit all seinen Facetten, den grausamen wie den schönen, fortbesteht. Mit klarer, anschaulicher Sprache gelingt es Nović, in ihrem Roman die Schrecken des Krieges und seine traumatischen Folgen greifbar zu machen, ohne dabei in unnötigen Gewaltvoyeurismus zu verfallen. Auf einfühlsame Weise lässt sie den Leser in  Das Echo der Bäume am Schicksal einer jungen Frau teilhaben, die in der Gegenwart nicht ankommen und der Vergangenheit nicht entfliehen kann. Dass Nović dabei einfache Lösungen zur Aufhebung dieses Konfliktes gar nicht erst anbietet, zählt dabei zu den Stärken des Romans – macht er doch auf diese Weise die Langlebigkeit und Tiefe der Verletzungen der Überlebenden des Krieges umso spürbarer. 

Lesen Sie weiter

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.