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Rezensionen zu
Heimat

Nora Krug

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Wurzeln

Von: Frau Lehmann

24.09.2018

Nora Krug hat sich mit ihrem Buch einem schwierigen Thema angenähert. Was ist Heimat? Und inwiefern nimmt unsere Herkunft Einfluss auf unser Verhalten? Und speziell für Deutsche: warum fühlen wir uns schuldig für das Grauen, dass unsere Vorfahren verbreitet haben? Und daraus abgeleitet: haben eigentlich die eigenen Vorfahren überhaupt daran teilgehabt? Und wenn ja, wie? In den meisten deutschen Familien herrscht Schweigen über die Vergangenheit. Inzwischen ist die "Täter"-Generation in großen Teilen verstorben, direkte Nachfragen zu dem Verhalten im Dritten Reich sind so nicht möglich. Von den Kindern, also unseren Eltern, hört man auch häufig nur wenig: "der Opa war nicht so" oder "die Oma hat es schwer gehabt". Aber was ist denn nun wirklich passiert? Nora Krug beginnt nachzuforschen. Sie befragt Familienmitglieder, durchforstet alte Akten, besucht Wohnorte, Archive, Bibliotheken. Und das, was sie herausfindet, bildet die Grundlage für ihr Buch. Dazu kommen Flohmarktfunde, Bilder aus der Zeit, angeordnet unter verschiedensten Gesichtspunkten, Soldaten mit Tieren z.B. oder KZ-Wärterinnen, Zeichnungen, Exkurse zu typisch deutschen Dingen wie Hansaplast oder Brot... "Heimat" ist ein ganz besonderes Buch. Gestaltet wie eine Graphic Novel, kommt es leichtfüssig daher, aber es ist kein Leichtgewicht. Es stellt unseren Umgang mit Geschichte in Frage, die Tatsache, dass wir zwar alle Daten und Fakten über die Gesamtvorgänge kennen, aber selten sagen können, welche Geschäfte in unserem Heimatort eigentlich in jüdischem Besitz waren, ob unsere Großväter in der Partei waren, wie der Krieg mit unserem Wohnort umgegangen ist. "Ach, lass die Toten doch ruhen", war die Antwort meiner Mutter auf Nachfragen. Gleichzeitig hat sie aber ein ungutes Gefühl, wenn z.B. Deutsche bei der Fußballweltmeisterschaft die Flagge im Gesicht aufgemalt herumtragen, wie alle anderen teilnehmenden Völker auch. Ruhen die Toten dann wirklich? Und hilft es uns wirklich weiter, lieber unsere gesamte Vergangenheit pauschal zu verdammen, von den Germanen über das Nibelungenlied bis zur Pickelhaube, weil Teile davon von den Nationalsozialisten für ihre Zwecke mißbraucht wurden, statt endlich aufzuarbeiten, was eben nicht ein ganzes Volk dazu bewogen hat mitzulaufen, mitzumachen, sondern viele einzelne, individuelle Personen unterschiedlichster Herkunft, meinen Großvater eingeschlossen? Nora Krug liefert eine ganze Reihe kluger Denkanstöße ohne zu Dozieren. Sie läßt uns schlicht teilhaben an ihrer persönlichen Suche nach Erkenntnis. Und das macht sie so wunderbar, dass ich ihr ganz viele Leser wünsche, ganz besonders unter den heutigen Schülern. Denn wir sollten unsere Vergangenheit nicht denen überlassen, die sie wieder zu mißbrauchen gedenken.

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Wie wunderbar, dass ein großer Publikumsverlag wie Penguin solch ein besonderes Projekt auch für uns deutsche LeserInnen realisiert hat. Diese Heimat, die Nora Krug in diesem Buch zeigt, ist Deutschland und deutsche Geschichte. Handgeschriebene Texte, alte Fotos, Zeichnungen, die Hommagen an bekannte Gemälde und Künstler sind. So erinnert das Titelbild an Caspar David Friedrich. Hier sieht eine Frau auf gestrichelte Dörfer und ein brennendes Flugzeug anstatt aufs Meer. Andere Zeichnungen ähneln dem Zeichenstil von George Grosz. Nora Krug, 1977 geboren, wuchs in Deutschland auf, lebt und arbeitet heute in Amerika. Sie unterrichtet Illustration in New York. Akribisch forschte sie in ihrer eigenen Familiengeschichte. Mit den Ergebnissen und ihren Erkenntnissen ihrer Recherche setzt sie sich in diesem Buch bildnerisch auseinander und fand damit ein großartiges Format, ihre Eindrücke dem Leser zu vermitteln. Denn das Zusammenspiel der verschiedenen Techniken berührt. So schildert sie gleich zu Anfang die sprachlos machende Begegnung mit einer KZ-Überlebenden. Die Frau erkennt sie sofort als Deutsche. Als Nora Krug erfährt, welche Grausamkeiten die Frau in Deutschland erlitten hat, zeigt sie als nächstes eine Seite mit KZ-Wärterinnen. Schwarzweiß Porträtfotos, 1945 aufgenommen. Man könnte die ernstblickenden Frauen mit ihren kuriosen Frisuren auch für Gefängnisinsassinnen halten, gebe es keinen Text dazu. Krug beschäftigt sich mit dem Mitläufertum in der NS-Zeit, aber auch mit der Trauer, die ihre Familie durch den Verlust, den ihre Verwandten, einem verschollenen Soldaten, erlitten haben. Dokumente stehen neben Bildergeschichten. Sie zeigt einen „Katalog der deutschen Dinge“, also Gegenstände, die als typisch deutsch galten. Doch das Buch ist mehr als eine Auseinandersetzung, es ist eine persönliche Reise. In einem klug gesetzten Spannungsbogen findet die Autorin am Ende zu sich selbst und ihrer eigenen Geschichte.

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Der Begriff Heimat löst bei einigen nicht nur positive Gefühle aus. Die Schriftstellerin und Illustratorin Nora Krug zum Beispiel ist nach Brooklyn ausgewandert und tut sich noch heute schwer mit ihrer deutschen Herkunft. Was genau bedeutet Heimat für sie? Wie hat ihre Familie im Zweiten Weltkrieg gelebt und welche Verantwortung trägt sie für ihre familiären Wurzeln? Das wollte die Autorin genau wissen, begab sich auf Spurensuche und verarbeitete ihre Fundstücke, Erkenntnisse und Gedanken zu einem illustrierten Tagebuch. Der ungewöhnlich gestaltete Text- und Bildband enthält sowohl persönliche Erinnerungsstücke wie Fotos und Briefe als auch zeitgeschichtliches Material aus Archiven. Immer wieder ist ihr Gefühl von deutscher Schuld zu spüren, das in ihrer Jugend durch Erlebnisse im Ausland ausgelöst und sich mit den Jahren verstärkt hat. Dann wieder gibt es heitere Abschnitte wie einen Katalog deutscher Dinge, an die sich die „heimwehkranke Auswanderin“ gern erinnert, zum Beispiel Hansaplast Pflaster, die Gallseife oder Wärmflasche. Parallel erfahren wir Details, die Nora Krug nach und nach über ihre Familiengeschichte herausfindet. Hier interessiert sie vor allem die Frage nach Schuld und Unschuld von Mitläufern. Anhand der Erzählungen ihrer Mutter versucht sie, den Lebensweg ihres Großvaters zu rekonstruieren, der in Karlsruhe als Chauffeur eines jüdischen Textilhändlers arbeitete und später eine Fahrschule eröffnete. Ich hatte das Gefühl, dass die Autorin bei ihren Recherchen von der Hoffnung getrieben wurde, „entlastendes“ Material zu finden, das die Schuld der eigenen Familie mindert. Am meisten bewegt haben mich ihre illustrierten und handgeschriebenen Geschichten im Comic-Stil. In den gezeichneten Gesichtern und Kommentaren spiegelt sich mal das Grauen der Verbrechen, mal das Gefühl von Befangenheit oder Wehmut wider. Ich bewundere die Autorin, die sich in dieser Form der Vergangenheit ihrer Familie gestellt hat, keinen Fragen ausgewichen ist und ein kleines Kunstwerk geschaffen hat.

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Wichtig scheint mir dieses Buch

Von: Karin Witte aus 50968 Köln

27.08.2018

Gelesen habe ich das Buch noch nicht, bin aber soeben durch einen Hinweis auf dem Fernsehsender ARTE aufmerksam gemacht worden, auf dieses ungewöhnliche Buch. Recherchiert in der eigenen Familie (es hat Mitglieder der NSDAP gegeben) und gefundene Dokumente grafisch mit in die Texte eingebunden, ist das Thema und die Gestaltung, sowie natürlich auch die Frage, sehr wichtig in unserer heutigen Zeit. "Heimat ist da, wo ich mich nicht erklären muß" ist eine Aussage, die schon vor einigen hundert Jahren von einem Zeitgenossen von Goethe formuliert wurde.

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