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Rezensionen zu
Der Sympathisant

Viet Thanh Nguyen

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"Ich will zeigen, wie der Westen den Krieg erzählt" Dieses Zitat stammt von Viet Thanh Nguyen, der mit seinem Roman "Der Sympatisant" einen neuen Blick auf das Geschehen im Vietnamkrieg geschaffen hat. Der Autor stammt aus Vietnam und floh 1975 im Alter von vier Jahren kurz vor dem Fall Saigons mit seinen Eltern in die USA. Sein Buch ist der Versuch, den Vietnamkrieg aus einer nicht-amerikanischen Perspektive zu beschreiben. Das ist sowohl in der Literatur als auch beim Film eine große Ausnahme. Viet Thanh Nguyen erhielt dafür 2016 den Pulitzerpreis und den Edgar Allan Poe Award. Wohin gehöre ich? Der namenlose Erzähler in diesem Roman ist als Hauptmann die rechte Hand eines südvietnamesischen Generals und kann mit ihm und dessen Frau in letzter Minute aus Saigon in die USA fliehen, bevor der Vietcong die Hauptstadt einnimmt. Dem General ist nicht klar, dass sein Adjutant ein kommunistischer Spion des Vietcong ist, der seine verschlüsselten Aufzeichnungen regelmäßig an eine Kontaktperson in Europa schickt. Der Erzähler hält sich auch in den USA immer in der Nähe des Generals auf und empfindet sein Leben in Kalifornien als zwiespältig: "Die Mehrheit der Amerikaner begegnete uns mit gemischten Gefühlen, wenn nicht sogar mit unverhohlener Abneigung, da wir die personifizierte Erinnerung an ihre schmerzhafte Niederlage waren." So erklärt sich auch, dass sich die Mehrheit der Exil-Vietnamesen auf einem niedrigen sozialen Niveau einrichten muss: Der früher geachtete General eröffnet einen Schnapsladen, andere Landsleute gehen putzen oder arbeiten als Tankwart. Das ganze Leben des Mannes ist geprägt von Zerrissenheit. Er ist als Sohn einer Vietnamesin und eines französischen Missionars in Südvietnam geboren worden, was zur ersten Ausgrenzung in seinem Leben führte: Er sah nun mal nicht aus wie ein richtiger Vietnamese. Da er als junger Mann in den USA studiert hatte, wurde ihm bei seiner Rückkehr in die Heimat von den Kommunisten Misstrauen entgegengebracht: War er nicht viel zu westlich, um einer der ihren zu sein? Der ehemalige Hauptmann hat in seiner Zeit in Kalifornien das Glück, als früherer Student einen Aushilfsjob an seiner ehemaligen Universität am Institut für Orientalistik zu bekommen. Während dieser Zeit wird er auch Berater für einen Film, der sich mit dem Vietnamkrieg beschäftigt. Sein Ziel ist es, die Situation auch aus der Sicht des vietnamesischen Volks zu erklären und ein Stück weit von der amerikanisch geprägten Sichtweise abzurücken. Er widmet sich dieser Aufgabe mit vollem Einsatz, muss dann aber feststellen, dass seine berechtigten Einwände nicht berücksichtigt wurden und sein Name trotz seines intensiven Mitarbeit nicht den Sprung in den Abspann schaffte, wo sogar ein Hund aufgeführt wurde. Die Parallelen zu Francis Ford Coppola und dem bekannten Film "Apocalypse Now" sind da nicht zu übersehen. Später dann, als der Erzähler nach Südvietnam zurückkehrt, begleitet er eine revanchistische Gruppe dabei, über Laos in das Vereinte Vietnam einzudringen, wo sie dem Widerstand gegen das neue Regime Nahrung geben soll. Dieser Auftrag ist ein gefährliches Himmelfahrtskommando, das die Gruppe zum Teil in den Tod führt. Die Überlebenden werden in ein entlegenes Lager des Vietcong gebracht, wo der Erzähler gefoltert wird, obwohl er die Aktion an den Vietcong verraten hat. Man erwartet von ihm, dass er seine wahre Gesinnung bekennt und ein Geständnis aufschreibt, dass er vom Westen infiziert worden sei. Er weigert sich jedoch, Klischees zu formulieren und wird nach einem Jahr Einzelhaft fast zu Tode gefoltert. Wie war's? "Der Sympathisant" schafft es, das Geschehen rund um den Vietnamkrieg mit all seinen Gräueltaten auf amerikanischer und vietnamesischer Seite neu aufzurollen. Viet Thanh Nguyen schildert, wie sein Erzähler zwar unter seinem Doppelleben leidet, sich aber auch nicht klar für eine Lebenswelt entscheiden kann. Interessant sind dabei die Parallelen zu einem vietnamesischen Doppelagenten, der in der Zeit des Vietnamkriegs in den USA als Reporter für die Nachrichtenagentur Reuter und die TIME arbeitete und nach Feierabend Berichte nach Hanoi schickte: Pham Xuan An hatte Kontakte, die bis in die höchsten Kreise des südvietnamesischen Militärs sowie der US-Armee und dem CIA reichten, ohne dass jemand von seiner geheimen Arbeit für die Befreiungsarmee wusste. Er starb 2006. "Der Sympathisant" ist ein sehr vielschichtiger und anspruchsvoller Roman, der viele Themen aufgreift und auch da, wo es ans "Eingemachte" geht, kein Blatt vor den Mund nimmt.

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Großartig

Von: G.T aus München

31.01.2018

Dieses Buch liefert ein wichtiges Puzzle-Stück in Hinblick auf Darstellung und Sichtweisen auf den Vietnamkrieg. Weder aus Sicht des Norden, des Südens, noch die viel penetrierte Sicht der Amerikaner, die sowohl kritisch wie auch heroisch in epischer Länge dargelegt wurde. Vielmehr bewegt es sich in den Zwischensphären, interkulturell. Beheimatet in der Zerrissenheit und dem Zwiespalt, ohne die schwere, lethargische Last des Krieges zu tragen. Wie oft wurden bereits von großartigen vietnamesischen Exil-Literaten die Sichtweisen des Südens und des Nordens dargelegt, ohne Beachtung im Westen zu finden? Viet Thanh Nguyen hat messerscharf erkannt, dass die perfekte Beherrschung einer westlichen Sprache, die Beheimatung in beiden Kulturen den Grundstein dazu legen, im Exil Gehör zu finden. Dieses Buch hat somit für mich, über seine Geschichte hinaus, eine historisch wichtige Bedeutung.

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INHALT (Vorsicht Spoiler!): Vietnam 1975. Saigon ist gefallen, der kommunistische Norden hat gesiegt, woraufhin ein Gruppe südvietnamesischer Regierungsmitglieder das Land Richtung Kalifornien verlassen muss. Unter ihnen der namenlose Ich-Erzähler, der im Auftrag seines Vorgesetzten und mit Hilfe des CIA auch nach dem Krieg für die Befreiung seines Landes kämpft. Der Plan ist, eine Gruppe Südvietnamesen zusammenzustellen, die als Untergrundkämpfer in die verlorene Heimat geschleust werden sollen. Doch der Ich-Erzähler hat ein Geheimnis: Er ist Doppelagent und schreibt in chiffrierten Briefen über die Fortschritte des südvietnamesischen Sonderkommandos an einen kommunistischen Kontaktmann in Paris. Als sich die Hinweise häufen, dass sich ein Maulwurf in dem Kommando befindet, muss der Doppelagent handeln, um die Spuren von sich zu lenken. Er streut Beschuldigungen und wird zum mehrfachen Attentäter innerhalb der eigenen Gruppe. Ein anderer Auftrag führt ihn auf die Philippinen, wo er ein aufwändiges Filmprojekt namens Das Dorf begleiten soll. Die Aufgabe des Agenten ist es, den Regisseur bei Fragen um die vietnamesischen Bräuche und Eigenarten zu unterstützen, um die Authentizität des Films zu gewährleisten. Als beim Set eine Ladung Sprengstoff viel zu früh in die Luft geht, kommt der Agent nur knapp mit dem Leben davon. Ein Unfall? Oder ein gezieltes Attentat? Dem Agent schwant, dass er aufgedeckt wurde. Eine Chance, zu seinen eigentlichen Vorgesetzten zurückzukehren, bietet sich, als er die kampfbereite Rebellengruppe nach Thailand begleiten soll. Von dort aus setzen sie sich durch die Grenzwälder nach Vietnam ab, geraten jedoch früh in Gefangenschaft und der Agent lernt die volle Härte seines kommunistischen Regimes kennen. FORM: Was wir hier zu lesen bekommen, ist das fünfhundert Seiten starke Geständnis unseres Haupthelden, des Doppelagenten, dessen Namen wir nicht erfahren. Er schreibt diese Beichte als Teil seiner Umerziehung in dem Lager, in dem er einsitzt. Der Autor Viet Thanh Nguyen (*1971) gibt ihm hierfür eine äußerst eloquente Stimme, die an die Zuckerman-Romane Philip Roths erinnert. Der Titelheld – der, so erfahren wir später, sein Geständnis immer wieder korrigieren muss – schreibt in einer Mischung aus regimegetreuem Antiamerikanismus und hochnäsiger Geschwätzigkeit, eine gwöhnungsbedürftige Mixtour, die aber Tiefe gibt und viele Zwischenebenen zulässt. Das Hauptthema des Romans kreist um die Frage, was mit einem Menschen passiert, der über Jahre hinweg ein Doppelleben führt, dessen Geheimhaltung über Leben und Tod entscheidet. Die beiden Seilenden, zwischen denen der Erzähler seinen gefährlichen Tanz vollführt, könnten mit dem amerikanischen Kapitalismus und dem vietnamesischen Kommunismus der 1970er Jahre unterschiedlicher kaum sein, und auch der Titelheld kommt mehr und mehr ins Schlingern, geblendet und verführt von den profanen Reizen der westlichen Welt. Diese Entwicklung einzufangen, ist Nguyen hervorragend gelungen. DER SYMPATHISANT ist also nicht nur ein Spionagethriller, sondern auch eine Gesellschaftssatire, die mit den gängigen Klischees über Amerika, Vietnam und deren gemeinsamer Geschichte spielt. Doch auch Freunde des klassischen Polit-Thrillers können hier fündig werden, denn der Roman wartet mit jeder Menge Spannung auf. Der Fall Saigons und die knappe Flucht aus dem Land, die nervenaufreibenden Attentate, die Gefangenschaft und das finale Verhör (die letzten hundert Seiten habe ich atemlos verschlungen) – alles Episoden, die genregültig realitätsnah und pathosfrei geschrieben sind. FAZIT: Viet Thanh Nguyen, der selbst nach dem Vietnamkrieg als Flüchtlingskind in die USA kam, hat mit seinem ersten und bislang einzigen Roman auf Anhieb einen Riesenerfolg gelandet, hochgelobt und preisgekrönt, nicht zuletzt mit dem rennomierten Pulitzer Prize for Fiction. Ich schließe mich dem Jubelgeschrei gerne an und bestätige: DER SYMPATHISANT ist ein vielschichtiger Roman über Politik, Geschichte und Gesellschaft – lehrreich, spannend, lesenswert. Fünf Sterne!

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„In diesem düstersten aller Aprilmonate hatte der General, der auf die Frage, was zu tun sein, sonst immer etwas zu tun fand, keine Antwort mehr“. Außer, dass alle, die in die Transportmaschine (eine der letzten, die Saigon verließ) hineinpassten (und die natürlich genehm und wichtig waren), ausgeflogen werden sollten. Ins „gelobte Land“, nach Amerika. Und auch wenn der Ich-Erzähler kein besonders ranghoher Offizier war und zudem ein „Mischling“, ob seiner beratenden Nähe zum General und ob seiner besten Verbindungen in alle notwendigen Kanäle hinein (Offiziere werden bestochen, Amerikaner mögen den Mann, der General will ihn dabeihaben), reist auch eher nach Amerika. Wobei, das weiß nun keiner der Offiziellen, sondern nur der beste Freund und „die andere Seite“, der Adjutant ist ein Spion. Für den kommunistischen Teil Vietnams. Schon lange. Und das passt ganz gut, dass er nun „an der Quelle“, zumindest inmitten „des Feindes“ lebt. Wobei auch „die andere Seite“ sich der Dienste des Mannes versichert und nun, als Doppelagent, mit einem Fuß dienstlich und praktisch in beiden Welten verankert, ergibt sich eine ganz besondere, „interne“ Sicht der Gemengelage, die Nguyen trefflich ausformuliert. Was nicht ohne Gefahren für die strikte Linie der inneren Haltung sein wird. Denn mit wachen und offenen Augen, einer gehörigen Portion Ironie und einem geschulten Blick für das Wesentliche wird dieser Adjutant zwar die bizarren Auswüchse „dekadenten“ westlichen Lebens genau vermessen, aber auch die andere Seite, die „freie“ und konstruktive Seite eines Lebens ohne Diktatur wird ihren Einfluss auf den Mann nehmen. Mit Rückblicken in die Vergangenheit des Spions, mit einem tiefen Verstehen auf Seiten des Lesers führt Ngyuen den Leser in munterer, hintersinnig-humorvoller und sein „Personal“ lebendig und bestens beschreibend durch die Zeit der späten 70er und der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts. In vielen Beobachtungen, spielerisch eingebauten gesellschaftskritischen Analysen und immer wieder absurden Begegnungen und Beobachtungen hält Nguyen damit der Welt (nicht nur der Westlichen, im Übrigen) einen breiten Spiegel vor. Ein Spiel mit Vielfalt, mal plakativ, mal hintergründig angelegt, bei denen der Leser von Beginn an weiß, dass dieses für den Agenten weitgehend beendet ist. In einer Zelle wartet er und nutzt die Zeit, sein Buch zu schreiben und zurückzublicken. Man würde es diesem modernen, wendigen „Alleskönner“ nun gerne wünschen, dass sich auch diese Gefahr in der Zelle noch einmal abwenden lässt, aber bis zum Ende hin ist und bleibt der Tonfall hier eindeutig. Hoffnung treibt den ehemaligen Adjutanten nicht mehr an. Nur Mitteilen, das ist ihm noch wichtig. Und damit dem Leser eine Sicht auf Vietnam, den Krieg und die Folgen zu bieten, die eben nicht „a la Hollywood“ oder von großen amerikanischen Autoren diese eher einseitige Sicht transportiert, sondern aus der anderen Richtung, der des „Siegers“, Gräuel und Absurditäten des Vietnamkrieges und seiner eher eigenwilligen Aufarbeitung in Amerika minutiös „auseinanderbaut“. Und dabei keinen Finger moralisch erhebt oder trocken Fakten begradigt, sondern die Handlungen, Ereignisse, Beobachtungen, Szenen aus sich heraus sprechen lässt. Thema, Ton, Personen und die differenzierten Blickrichtungen samt vielfach bestens geschilderter Szenen bilden eine perfekte Mischung aus Roman, Thriller und Erkenntnis-Buch, was den Menschen und sein Leben in Gesellschaften angeht. Wärmstens zu empfehlen.

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Im April des Jahres 1975 wird eine Gruppe von südvietnamesischen Offizieren in letzter Sekunde aus Saigon ausgeflogen und in die USA gebracht. Unter ihnen befindet sich auch ein als Adjutant getarnter Spion des Nordens. Seine Aufgabe ist es, in Los Angeles den Gegner weiterhin zu beobachten. In den USA angekommen, ringt er jedoch immer mehr mit seinem Doppelleben, seinem Dasein als Spion, der westlichen Konsumgesellschaft und seiner eigenen Identität. Als 1975 Saigon von der NLF, der „Nationalen Front zur Befreiung Südvietnams“, erobert wurde, ist Viet Thanh Nguyen, der Autor von Der Sympathisant, vier Jahre alt. Gemeinsam mit seinen Eltern und seinem älteren Bruder floh er auf die Pazifikinsel Guam. Von dort ging es weiter nach San José, wo die Eltern einen Lebensmittelladen eröffneten und Viet Thanh die Hollywood-Filme über den Vietnamkrieg sehen konnte. Eigentlich heißt es, dass die Geschichte von den Siegern geschrieben wird. Auf den Vietnamkrieg trifft das sicherlich nicht zu. "Hollywoods Hohepriester hatten instinktiv die Erkenntnis von Miltons Satan erfasst, wonach es besser sei, in der Hölle zu herrschen, als im Himmel zu dienen, und man besser der Schurke, Verlierer oder Antiheld im grellen Rampenlicht sei als der tugendhafte Komparse. In dem kommenden Trompe-l’oeil würden alle Vietnamesen, gleich welcher Gesinnung, schlecht dastehen, gepfercht in die Rollen der Armen, der Unschuldigen, der Bösen oder der Korrupten. Unser Schicksal war nicht, einfach zu schweigen. Wir würden zum Schweigen gebracht werden." Erzählt wird Der Sympathisant von einem namenlosen kommunistischen Spion. Er ist Adjutant eines hochrangigen Generals, ausgebildet in Verhörmethoden und findet sich nun im amerikanischen Exil wieder. Der Spion schreibt seine eigene Geschichte, seine Bekenntnisse. Warum und wo genau wird im letzten Teil des Buches enthüllt. Im Exil soll er für die Kommunisten die Geflohenen infiltrieren und über ihre Pläne berichten. Gleichzeitig verlangt der General von ihm, dass er in den USA Spione aus dem Vietnam aufspüren soll. So sitzt der Erzähler zwischen den Stühlen. Er trinkt zu viel und entwickelt zwei Seelen für zwei Auftraggeber. Dabei reflektiert er die amerikanische Konsumgesellschaft, Unterschiede zwischen Ost und West, Politik und Identität. Ein Thema, das der Roman immer wieder aufgreift, ist die mediale Vermittlung des Krieges und den Kampf um die Deutungshoheit der Ereignisse. So kommt der Erzähler als „Authentizitäts-Berater“ an ein Filmset, um einen Regisseur bezüglich der vietnamesischen Rollen zu beraten. Eine Passage, die sich wie die Demontage des Films „Apocalypse Now“ liest. Das Unternehmen hat deutliche groteske und satirische Züge und ist von Beginn an zum Scheitern verurteilt, auch wenn der Erzähler sich mehrmals mit dem „Auteur“ überwirft. "Ein großes Kunstwerk ist so wirklich wie die Wirklichkeit selbst und manchmal sogar wirklicher als das Wirkliche. Lange nachdem dieser Krieg vergessen sein wird, wenn er in Schulbüchern nur noch einen Absatz einnimmt, den jeder Student überspringt, und alle Überlebenden tot, die Körper zu Staub, die Erinnerungen zu Atomen zerfallen sind und ihre Leiden keine Leidenschaft mehr hervorrufen, dann wird dieses Kunstwerk noch hell strahlen und nicht nur vom Krieg erzählen, sondern der Krieg selbst sein." Eine der größten Stärken dieses herausragenden Romans ist für mich, wie spielend einfach es dem Autor gelingt, politische Themen und Diskurse in die Handlung einzubauen, ohne dass es unpassend erscheint oder überladen wirkt. Wie selbstverständlich bringt der Erzähler seine Thesen vor, dabei stören sie in keiner Weise die eigentliche Erzählung. Ungefähr zeitgleich mit dem Roman ist ebenso ein Essayband des Autors mit dem Titel Nothing Ever Dies. Vietnam and the Memory of War erschienen, in dem er einiges aus dem Roman weiter in Essays ausführt. Aber ebenso gelungen sind die Passagen, in denen es um das Leben in Amerika nach dem Krieg geht, im Land der Verlierer, das aber dennoch weiter Einfluss nehmen will. Der Spion berichtet von den Folgen für die Gesellschaft, die Probleme für die Flüchtlinge sich zu integrieren, Arbeit zu finden und sich ein neues Leben aufzubauen. Damit verbunden sind die Suche und das Formen einer neuen Identität im Exil. Es geht nicht nur um den Vietnamkrieg, sondern auch um andere Kriege, in welche sich die USA eingemischt haben und sich dabei als oberste Instanz verhalten, die alleine entscheidet, wer gut und wer böse ist. Stilistisch verwendet der Autor eine bildreiche Sprache, voller Metaphern. Dabei gelingt es ihm, trotz des harten Themas einen satirischen Unterton zu treffen, der dem Erzählten entspricht. Der Krieg ist eines der Hauptthemen des Romans und vor allem die letzten hundert Seiten sind bei der Beschreibung von Foltermethoden, sowohl psychischen als auch physischen, sehr detailliert und heftig. Geschrieben ist der Roman eindeutig aus der vietnamesischen Perspektive, dabei macht es sich Viet Thanh Nguyen aber nicht einfach, indem er einfach nur das Freund-Feind Schema umdreht. Die Figur des Doppelagenten erlaubt es, beide Seiten darzustellen und die widersprüchlichen Motive des Spions zu beleuchten und so dem (westlichen) Leser auch eine neue Perspektive auf den Krieg zu eröffnen. Was ‚hier‘ immer selbstverständlich als „Vietnamkrieg“ bezeichnet wird, heißt im Vietnam „Amerikanischer-Krieg“. In einem Interview spricht der Autor davon, dass bei der Erinnerung an einen Konflikt das Bewusstsein dazugehören muss, dass beide Seiten Opfer zu beklagen haben und sich gleichzeitig jede Seite schuldig gemacht habe. "Wir seiften uns also ein mit Tristesse und duschten uns ab mit Hoffnung, und obwohl wir fast jedem Gerücht glaubten, das uns zu Ohren kam, weigerte sich fast jeder von uns zu glauben, dass unsere Nation untergegangen war." Mit Der Sympathisant hat Viet Thanh Nguyen einen Roman geschaffen, der sowohl sprachlich als auch inhaltlich anspruchsvoll ist und gleichzeitig voller Spannung. Bewundernswert ist die Fähigkeit des Autors, politische Diskussionen und Thesen in die Handlung einzubauen. Wer schon immer einen Roman lesen wollte, der die Perspektive auf den Vietnamkrieg umdreht, wird hier fündig. Der Sympathisant ist ein außergewöhnliches Werk der Literatur.

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Der Vietnamkrieg (1955-1975) ist eines der größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte. Bis zu fünf Millionen Vietnamesen wurden ermordet, davon waren etwa 4 Millionen Zivilisten. Bis heute glaubt ein Großteil der amerikanischen Bevölkerung es wären gerade einmal 100.000 Vietnamesen ermordet worden. Dass die USA diesen Krieg verloren haben, ist den meisten Menschen ebenso wenig bewusst. Viet Thanh Nguyen hat mit "Der Sympathisant" einen brillanten Roman geschrieben, der die Geschichte des Vietnamkrieges aus vietnamesischer Perspektive erzählt und damit die Dominanz der US-Geschichtsschreibung zumindest zum Wanken bringt. Der Sympathisant ist ein namenloser Erzähler, der offensichtlich ein Geständnis zu Papier bringen muss. Was es damit auf sich hat, bleibt lange im Unklaren. Von Beginn an ist allerdings deutlich, was der Erzähler ist. „Ich bin ein Spion, ein Schläfer, ein Maulwurf, ein Mann mit zwei Gesichtern.“ Viet Thanh Nguyen hat einen Doppelagenten erschaffen, der zwar für die Amerikaner und Südvietnamesen arbeitet, tatsächlich aber ein Agent der Nordvietnamesen ist. Dabei ist der Spion einem realen Vorbild nachempfunden nämlich Phạm Xuân Ẩn. Wie so vieles in Nguyens Geschichte ist wenig erfunden. Es sind literarische Verdichtungen, chronologische Abweichungen, die Protagonisten sind fiktiv, sind aber zugleich auch real, wenn auch nicht im konkreten individuellen Fall. Ngyuens Roman wird vom Feuilleton als moderner Spionagethriller gelabelt. Und das liegt natürlich auch nahe, beschreibt sich der Ich-Erzähler doch als Agent. Letztlich ist das aber nur die Rahmenhandlung, die einen zusätzlichen Spannungsbogen erzeugen und vor allem die Episoden verbinden soll. Denn letztlich ist der Sympathisant vor allem eine Abrechnung. Eine Abrechnung mit dem vorherrschenden westlichen Narrativ. Und dazu muss Nguyen zahlreiche Mythen auf- und angreifen, um sie möglicherweise für den einen oder anderen Leser auch zu zerstören. Dieser Kern der Erzählung ist selbst dermaßen spannend, dass bereits diese vietnamesischere Perspektive einen unglaublichen Spannungsbogen erzeugt. Als dritte Ebene gibt es noch eine Freundschaft dreier Männer, die bis ins Kinderalter zurückreicht und über ideologische Grenzen hinweg bestehen bleibt. Allerdings schließen sich zwei der Revolution an, während sich der dritte nicht nur für Südvietnam entscheidet, sondern auch an einem der grausamsten Mord- und Folterprogramme teilnimmt, der Operation Phoenix. Ein Vabanquespiel zwischen Konfrontation und Kooperation. Der Agent ist ein Intellektueller. Trotz oder gerade wegen seiner professionellen Gespaltenheit, reflektiert er den Krieg, die USA, Vietnam, die Soldaten, Geheimdienste, Zivilisten, Politiker und nicht zuletzt sich selbst kritisch. Dadurch wird ein vielfältiger Blick auf die Jahre des Krieges und kurz danach geworfen. Kaum etwas wird ausgelassen. Ein Höhepunkt des Romans stellt sicherlich die Kritik an Hollywood dar. Der Spion verlässt 1975 am Ende des Vietnamkrieges (der in Vietnam Amerikanischer Krieg heißt), das Land und „flüchtet“ mit anderen Militärs in die Vereinigten Staaten. Hier soll er die Opposition, die Konterrevolutionäre überwachen. Er wird mehr oder weniger durch Zufall zum Berater für einen Vietnamfilm. Und dieser Film ist eine Anspielung auf die bekanntesten Vertreter des Genres. Man kann Parallelen zu Platoon, Full Metal Jacket und allen voran Apocalypse Now entdecken. Zu Francis Ford Coppolas Film gibt es eine herausragende Dokumentation seiner Frau Eleanor Reise ins Herz der Finsternis. Viele Szenen des Romans sind eine direkte Anspielung hierauf. Die grotesken wahren Ereignisse rund um Coppolas Film werden kongenial von Nguyen adaptiert und zu seiner Generalkritik verarbeitet. „Ich war so naiv zu glauben, den Organismus Hollywood von seinem Ziel abbringen zu können, nämlich der Lobotomisierung und Ausbeutung des Kinopublikums auf der ganzen Welt. Der zusätzliche Nutzen Hollywoods war Geschichtsschreibung nach dem Prinzip des Tagebaus. Die Realität blieb zusammen mit den Toten unter der Oberfläche, das staunende Publikum bekam nur die winzigen, funkelnden Diamanten. Hollywood erschuf nicht nur Monster, es war selbst ein Monster…“ Nguyen greift mit seiner Hollywoodkritik einen Kern des amerikanischen Selbstverständnisses an. Die Traumfabrik produziert eben nicht nur schöne Märchen und fantastische Geschichten, sondern auch und nicht zuletzt erzeugt Hollywood das herrschende Narrativ, die einzig gültige Deutung über die Geschichte und Gegenwart. „Mit Filmen klopfte Amerika den Rest der Welt weich, erbarmungslos attackierte Hollywood die mentalen Abwehrkräfte des Publikums mit der Hit-, der Smash-, der Spektakel-, der Blockbuster- und ja, sogar mit der Kassenflopbombe. Es spielte keine Rolle, welche Geschichte die Zuschauer zu sehen bekamen. Entscheidend war, dass es die amerikanische Geschichte war, die sie sahen und mochten – bis zu dem Tag, an dem sie vielleicht selbst von den Flugzeugen bombardiert wurden, die sie in amerikanischen Filmen gesehen hatten.“ Das Grauen des Krieges Eine Geschichte über den Vietnamkrieg kommt nicht ohne Folter aus. Die Wahrheit kann in einem Roman nicht verarbeitet werden, dazu waren die Foltermethoden schlichtweg zu grausam. Ngyuen greift aber einen wichtigen Aspekt der Folter auf, der zudem noch hochaktuell ist. Bei Folter geht es nicht darum Geständnisse zu erpressen oder Informationen zu gewinnen. Das ist lediglich die Rechtfertigung. Tatsächlich geht es bei Folter um Terror. Wir können euch schlimmeres antun als den Tod. Wir können euch den Tod verweigern. Die Amerikaner haben von den Nazis und den Franzosen im Algerienkrieg gelernt und die Foltermethoden verfeinert und verwissenschaftlicht. Herausgekommen ist KUBARK – das Handbuch, die Anleitung zum Foltern. Dabei geht es darum, die Persönlichkeit des Gefangenen zu brechen. Was in der Sympathisant teilweise grausam beschrieben wird, ist nichts anderes als das was immer noch gegenwärtig im Namen des War on Terror geschieht. Nicht nur hier hat Der Sympathisant Ähnlichkeiten mit dem kongenialen Roman "American War" von Omar El Akkad. "Der Sympathisant" ist nicht nur eine Lektion in Geschichte, es ist eine Lektion in Selbst- und Medienkritik. Dass Viet Thanh Nguyen dieses schwierige Thema herausragend verpackt hat, zeigt nicht zuletzt die Auszeichnung mit dem Pulitzerpreis. Was allerdings auch bedeutet, dass er nicht allzu sehr aneckt. Denn eine schonungslose Erzählung sehe noch einmal ganz anders aus. Das wäre dann aber wohl zu konfrontativ geworden und damit wäre auch das Publikum nicht erreicht worden. Sein großartiger Schreibstil trumpft mit unzähligen grandiosen Metaphern, Sprachbildern und Allegorien auf, die es trotz des teils brutalen Themas schaffen, eine satirisch groteske Stimmung zu erzeugen. Der Sympathisant ist jetzt schon ein Klassiker. Feinste Literatur mit einem wichtigen und bewegenden Thema.

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"Der Sympathisant" vom US-amerikanischen Autor Viet Thanh Nguyen ist nichts weniger als eine der literarisch besten Analysen des Zusammenspiels von Kolonialismus, Kapitalismus und Kommunismus. "Ich bin ein Spion, ein Schläfer, ein Maulwurf, ein Mann mit zwei Gesichtern", mit diesen Worten beginnt der fulminante Politroman rund um einen Vietcong-Spion, der 1975 in die Fänge seiner eigenen Leute gerät und zu einem Geständnis über seine Fehlbarkeit gezwungen wird. "Ich besitze einfach die Fähigkeit, alles von zwei Seiten zu betrachten. ... " ... "Aber in dem Monat, mit dem dieses Geständnis beginnt, erschien mir meine Art, die Welt zu betrachten, noch eher ehrenwert als gefährlich, wie das anfangs manchmal so ist mit den Dingen, die gefährlich sind." Aller Ehren wert, denkt der Leser, ist der Kampf der Vietcong gegen die amerikanischen Besatzer, die die französischen Kolonialherren in Vietnam abgelöst hatten. Doch im Laufe des Romans zeigen alle Krieger ihre Fratzen, Dämonen und Begierden. Mitten drin steht der "Bastard", der Sohn einer Vietnamesin und eines französischen Priesters. Er gehört nirgendwo dazu. Für alle Seiten ist er der Fremde. Nur für seine Jugendfreunde Man und Bon ist und bleibt er der Freund. Wie erkennt man, wer man ist? Wie bleibt man Freund im Krieg, nach dazu als Spion? Über den Weg der Erkenntnis: "Während nichts wertvoller ist als Unabhängigkeit und Freiheit, ist nichts wertvoller als Unabhängigkeit und Freiheit!". Wer den Witz verstehen will, sollte das Buch bis zum Ende lesen. Prädikat: Unbedingt lesenswert!

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Üblicherweise werden historische Ereignisse aus der Sicht des Siegers geschildert. Anders verhält es sich mit dem Vietnamkrieg, an dem sich die Vereinigten Staaten aktiv seit Beginn der sechziger Jahre (und der Präsidentschaft JFKs) im großen Stil bis zum bitteren Ende beteiligten. Und entgegen der festen Überzeugung der Amerikaner gingen sie aus diesem Krieg nicht als Sieger sondern als Verlierer hervor. Ein Trauma, das bis heute nicht wirklich verarbeitet wurde. Was die Amerikaner aber nicht davon abhielt, die westliche Welt mit ihre Sichtweise dieses Krieges zu fluten. Man denke nur an die unzähligen Blockbuster, TV-Serien und B-Movies zur Vietnam-Thematik, mit denen Hollywood phasenweise den Markt überschwemmt hat, aber auch die unterschiedlichsten Romane und Sachbücher. Viet Thanh Nguyen, geboren in Vietnam und als Vierjähriger 1975 mit seinen Eltern in die Vereinigten Staaten geflohen, hat nun mit „Der Sympathisant“ einen Polit-Thriller geschrieben, in welchem er die Sichtweise umkehrt. Und offenbar hat er damit einen Nerv getroffen, denn für diesen Roman wurde er 2016 sowohl mit dem Pulitzer Preis als auch mit dem Edgar Award ausgezeichnet. Der titelgebende „Sympathisant ist ein namenloser halbvietnamesischer Ich-Erzähler, der nach dem Fall Saigons in die USA eingeschleust wird. Angeheuert wird er nicht nur von den Amerikanern sondern auch von den Vietnamesen. Und so lebt er sein Leben als Undercover-Doppelagent mit zwei Dienstherren und zwei Seelen. Es ist diese Dualität, die die Schilderung seiner Vergangenheit und Gegenwart so interessant macht. Die Reflexionen über den Vietnamkrieg und dessen Folgen für die amerikanische Gesellschaft. Aber auch seine Rolle als Maulwurf in dem Land der Verlierer, das noch immer die Strippen ziehen will. Von daher geht es dem Autor nicht nur um Vietnam, sondern ebenso um all die anderen Kriege, in die sich die Vereinigten Staaten einmischen und eingemischt haben. Um die USA als moralische Instanz, die entscheidet, wer oder was gut oder böse ist. Vernetzt ist der Namenlose nach allen Seiten und in alle Richtungen, kann aber doch nicht immer unter dem Radar durchschlüpfen. Und so gerät er in ein Umerziehungslager, wo er diese seine Geschichte, sein Geständnis, niederschreibt. Mich hat diese anspruchsvolle Story voller Querverweise sehr gut unterhalten. Viet Thanh Nguyen gibt dem Leser jede Menge Denkanstöße. Sei es die Thematik der medialen Verwertung des Krieges wie in Coppolas „Apocalypse Now“, die Integration, die in der neuen Heimat nicht gelingen will, weil trotz Anpassung die Akzeptanz des Fremden fehlt, die Suche nach der eigenen Identität, die unter einer Vielzahl von Maskierungen verborgen ist. Spannend und ironisch, politisch und dennoch höchst unterhaltsam – eine klare Leseempfehlung!

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