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Rezensionen zu
Ich bin zum Schweigen verdammt

Michail Bulgakow, Roger Cockrell

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Die vermutlich schwerste Bürde eines Schriftstellers ist die erzwungene Sprachlosigkeit, das von außen oktroyierte Schweigen. Zwar ist Michail Bulgakow heute einer der bekanntesten russischen Satiriker und Dramatiker, doch zu Lebzeiten hatte er immer wieder mit der Zensur seiner Stücke und Kurzgeschichten zu kämpfen. Seine Tagebucheinträge und Briefe zwischen 1921 und 1940 geben Einblick in ein fremdbestimmtes Schaffen unter sowjetischer Regierung. Es war einer seiner größten Wünsche, einmal mit seiner Frau nach Europa zu reisen. Er sollte ihm bis zu seinem Tod 1940 von der Regierung verwehrt bleiben, die immer befürchten musste, eine Ausreise zöge, im Falle einer Rückkehr, möglicherweise auch das Einschleppen konterrevolutionären Gedankenguts nach sich. Michail Bulgakow, geboren 1891, studiert, bevor er sich engültig für die Literatur entscheidet, Medizin und arbeitet einige Zeit als Landarzt. Womöglich in Anbetracht des Leides, mit dem er sich konfrontiert sieht, beginnt er selbst, seine eigenen Medikamente einzunehmen, er wird morphiumsüchtig. Auf der Basis dieser Erfahrungen entstanden nicht nur seine Arztgeschichten, sondern auch die humorig-morbide Miniserie ,A Young Doctor’s Notebook‘ mit Daniel Radcliffe und Jon Hamm. Das aber nur am Rande. Bulgakow entschließt sich – nach einer seelischen Krise, wie man sagt -, nach Moskau zu ziehen und sich dort ganz dem Schreiben zu widmen. In der Literatur komme ich langsam, aber ständig voran. Das weiß ich genau. Schlecht ist nur, dass ich nie völlig sicher bin, wirklich gut geschrieben zu haben. Eine Art Schleier verhüllt mein Gehirn und lähmt meine Hand, wenn ich beschreiben muss, was ich tief und wirklich mit den Gedanken und dem Gefühl weiß. Er ist nicht ohne Selbstzweifel und das Leben als Schriftsteller gestaltet sich hart und entbehrungsreich. Er gerät, trotzdem er ein sehr produktiver Autor ist, immer wieder in Konflikt mit der öffentlichen Meinung und den politischen Erwartungen des Literaturbetriebs. Nach der Oktoberrevolution wurde in Sowjetrussland vor allem das Proletarische und Revolutionäre gern gesehen, die Heldenhaftigkeit und Unerschrockenheit der Roten Garden besungen. In diesen Kreis wollte sich Bulgakow nie einfügen. Stand er doch seit jeder der Verkündung utopischer Gesellschaften kritisch gegenüber. In vielen seiner Werke lässt sich das herauslesen, so z.B. in ,Das hündische Herz’ oder ,Die verfluchten Eier’. Eine Gesellschaft, die fortwährend ihre eigene Perfektion, ihren unumkehrbahren Fortschritt, ihre Überlegenheit propagiert, ist ihm suspekt. Und das zeigt er deutlich, indem er pointiert genau das aufs Korn nimmt, was seitens der Mächtigen des Landes für so unfehlbar ausgegeben wird. Der Kampf gegen die Zensur, wie sie auch sei und unter welcher Macht sie auch existiert, ist meine Pflicht als Schriftsteller, ebenso wie Aufrufe zur Pressefreiheit. Ich bin ein glühender Anhänger dieser Freiheit, und ich meine, dass ein Schriftsteller, der auf die Idee käme, beweisen zu wollen, dass er sie nicht brauche, einem Fisch gliche, der öffentlich versichert, kein Wasser zu brauchen. Im Laufe der Jahre wird die Lage immer prekärer. Gelingt es Bulgakow anfangs noch, Kurzgeschichten in Literaturmagazinen unterzubringen, häufen sich negative Presseberichte, die ihn geradezu in der Luft zerreißen. Stück für Stück wird er aus dem Kulturbetrieb entfernt und mundtot gemacht, seine Geschichten werden verboten, seine Bühnenstücke von Spielplänen gestrichen. Was er auch anpackt, welchen Stoff er sich auch vornimmt (z.B. Molière), immer wieder wird eine Veröffentlichung vom zuständigen Kommitee abgelehnt. Das trifft Bulgakow nicht nur zutiefst in seinem schriftstellerischen Selbstverständnis, sondern entzieht ihm auch seine Existenzgrundlage. In Briefen an seine Geschwister, Freunde und Kollegen dokumentiert er den Kampf um künstlerische Betätigung, bittet hier und da um Hilfe, versucht, im Ausland veröffentlicht zu werden. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet ist ,Ich bin zum Schweigen verdammt’ nicht nur ein individuelles Zeugnis, sondern auch ein Porträts des Schriftstellers als (widerwillig) stiller Mann. Und eine Dokumentation des Umgangs der Sowjetunion mit unliebsamen Künstlern. So oder so eine lohnenswerte Lektüre nicht nur für Bulgakow-Interessierte. Einige Leute, die mir wohlwollen, haben sich eine sehr sonderbare Methode ausgesucht, mich zu trösten. Mehr als einmal habe ich verdächtige, salbungsvolle Stimmen gehört: “Macht nichts, nach Ihrem Tode wird alles gedruckt.” Michail Bulgakow: Ich bin zum Schweigen verdammt, aus dem Russischen von Renate und Thomas Reschke, Einleitung und Nachwort aus dem Englischen von Sabine Baumann, Luchterhand Literaturverlag, 352 Seiten, 9783630874661, 24,99 €

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" Bin ich in der UDSSR denkbar?" Dieser Satz ist dem Buch "Ich bin zum Schweigen verdammt" vorangestellt. Michail Bulgakow (1891-1940) gehörte zu den bedeutendsten russischen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts. Das Buch "Ich bin zum Schweigen verdammt" vereint seine Tagebucheinträge und Briefwechsel im Zeitraum von 1921 bis 1940 chronologisch geordnet. Man bekommt schnell einen Einblick in das Leben von Bulgakow, der seinen Beruf- er war Arzt- an den Nagel hängt um sich fortan allein dem Schreiben zu widmen. Seit sechs Wochen ist er nun in Moskau und berichtet der Mutter in einem Brief voller Stolz, dass er genügend Kartoffeln und Brennholz für den Winter habe. Sein Ziel: in drei Jahren wieder über genügend Geld für Nahrung, Bücher und Möbel zu verfügen. Das Moskauer Leben mit seinen alltäglichen Sorgen, meist am Existenzminimum, findet immer wieder Niederschlag in den Aufzeichnungen, ebenso wie der Kampf mit den Redaktionen, der Kampf um Veröffentlichung, die Grausamkeit der Zensur und der Wille sich nicht verbiegen, zum "NEUEN MENSCHEN "erziehen lassen. Bulgakow ist immer wieder gesundheitlich angeschlagen. Auch macht ihm eine offenbar gutartiger, aber lästige Geschwulst hinter dem linken Ohr zu schaffen. Schlaglichter fallen auch auf innen- und außenpolitische Ereignisse, subjektiv gewichtet. Bulgakows Tagebuchaufzeichnungen enden 1926. Der Schock sitzt tief als bei einer Hausdurchsuchung die persönlichen Schriften beschlagnahmt werden. Später wird er auch als Schriftsteller mundtot gemacht. Seine Werke werden nicht mehr publiziert. Bulgakow stirbt innerlich und äußerlich geschwächt 1940 an Nephrosklerose Nach dem Lesen des Romanes " Der Meister und Margarita" der mich sehr begeisterte, war ich gespannt auf diese Sammlung persönlicher Aufzeichnungen. Man bekommt einen Einblick in das Leben eines nicht konform gehenden, begnadeten Schriftstellers zur Zeiten der stalinistischen Ära. Einer der schreiben muss. Einer der schreiben kann! Einer der nicht schreiben darf. Für die die Bulgakow lieben, ist dieses Buch ein Muss, aber genauso auch für Jene die ihn kennen lernen wollen. Ein wunderbares Buch! Dieses Buch kann sich auch den Lesern ohne Kenntnis des Werkes von Bulgakow erschließen. Etwas Kenntnis der stalinistischen Ära ist aber sicherlich hilfreich. Das Buch von erschien im März 2015 im Luchterhand Verlag (Random House Verlagsgruppe). Ich danke dem Verlag für das Rezensionsexemplar.

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<strong>Autor und Werk</strong> Michail Afanassjewitsch Bulgakow wurde am 15. Mai 1891 in Kiew geboren und zählt zu den bedeutendsten Satirikern der russischen Literatur. Nach dem Abitur absolvierte er zunächst erfolgreich ein Medizinstudium, bevor er im Oktober 1921 nach Moskau ging und dort zu schreiben begann. An dieser Stelle setzt das Werk "Ich bin zum Schweigen verdammt" an. Es umfasst die Briefe und einige Tagebucheintragungen Bulgakows aus den Jahren 1921 bis 1940 und wurde im März 2015 zu seinem 75. Todestag veröffentlicht. <strong>Schreiben unter schwersten Bedingungen – Opfer der Zensur</strong> Ließen sich die ersten Moskauer Jahre noch gut an (Bulgakow schrieb und publizierte in verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften und veröffentlichte auch einige Prosastücke), wendete sich das Blatt im Jahr 1929 gravierend. Bei einer Hausdurchsuchung wurden Bulgakows persönliche Tagebücher sowie seine satirische Erzählung "Hundeherz" beschlagnahmt und erste Verbote seiner Bücher und Theaterstücke auf den Weg gebracht. Ab 1930 wurden die Werke Bulgakows endgültig nicht mehr veröffentlicht und seine Stücke verschwanden von den Spielplänen des Theaters. Eine unwürdige Existenz und ein Kampf ums Überleben begannen für den Mann, dessen Leben allein die Schriftstellerei war. In seinen Briefen beklagt er dies bei Freunden und Bekannten, sucht nach Rat und bittet um Hilfe - auch bei staatlichen Instanzen. Solle es keine Arbeit für ihn geben, dann wolle er wenigstens kurz das Land verlassen, um neue Kraft zu tanken oder Aufträge zu finden. <strong>Gefangen im eigenen Land</strong> Doch auch die Ausreise, und sei sie auch nur zu Urlaubszwecken, wurde Bulgakow verwehrt. Er war somit gezwungen, in Moskau zu bleiben, bei unveränderter Arbeitssituation und immer schlechterer Gesundheit. Bulgakow arbeitete als Dramaturg und schrieb, immer mit dem Wissen, nie veröffentlicht zu werden oder erneut dem Verriss und der Zensur zum Opfer zu fallen. Der Kampf gegen die Windmühlen setzte sich unerbittlich fort und sollte bis zu seinem frühen Tod im Jahr 1940 nicht enden. <strong>Politik und Schriftstellerei</strong> Neben seinen Problemen als Schriftsteller wird in seinen Briefen und Tagebüchern auch das große Interesse am Zeitgeschehen deutlich. So beschäftigt er sich gerade in den ersten Jahren stark mit den politischen Geschehnissen in der UdSSR und der internationalen Situation außerhalb des eigenen Landes, die er mit scharfem Blick verfolgt. <strong>Mein Fazit</strong> Für mich sind Briefromane und Tagebuchaufzeichnungen immer ein besonderer Lesegenuss, schildern sie die Geschehnisse doch immer aus einer authentischen und persönlichen Sicht. "Ich bin zum Schweigen verdammt" ist eine klare Buchempfehlung für jeden Leser, der biografische Lektüre zu schätzen weiß und dabei noch ein großes Interesse für den Menschen Bulgakow, Russland, das Theater und die geschichtlichen und politischen Ereignisse der Zeit hat. Ergänzt werden die Briefe und Aufzeichnungen durch einen ausführlichen biographischen und bibliographischen Anhang, sodass das Buch in seiner Gesamtheit zu einem unverzichtbaren Zeugnis des Lebens Bulgakows wird. Die Rezension wurde verfasst von Julia Groß aus dem Autorenpool von [Der Mann für den Text] Detlef M. Plaisier.

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