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Rezensionen zu
Der begrabene Riese

Kazuo Ishiguro

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Der französische Schriftsteller Raymond Queneau hat einmal gesagt, dass jedes Buch letztendlich die Geschichte eines Konflikts oder die einer Reise sei. Normalerweise würde ich diese Aussage jetzt nicht haltlos unterschreiben, aber bei der Lektüre von „Der begrabene Riese“ musste ich immer wieder an diesen Ausspruch denken. Kazuo Ishiguro hat hier ein Buch im Sinne einer Odyssee geschrieben. Nicht nur, weil eine lange und ereignisreiche Reise im Zentrum der Geschichte steht, sondern auch weil dahinter der Schatten einer Ilias, also eines Konflikts, lauert. Ein Konflikt, dessen Auflösung erst in dieser Reise erzählt wird … „Der begrabene Riese“ spielt im dunklen Zeitalter der Britischen Insel. Eine Zeit in der die Volksstämme nach dem Abzug der Römer um die Vorherrschaft und die Siedlungsräume kämpften. Bevor die Angeln und Sachsen schließlich den größten Teil des heutigen Englands eroberten, leisteten die ansässigen Britannier ernsthaften Widerstand. In diesen Auseinandersetzungen liegt auch die Wurzel des Sagen umwobenen König Artus, der den Angelsachsen die Stirn bot. Wir begleiten das Ehepaar Axl und Beatrice, die aus ihrem Heimatdorf aufbrechen, um ihren vor langer Zeit verlorenen Sohn zu besuchen. Oder zu finden? Haben die beiden Britannier überhaupt einen Sohn? Und warum fällt es ihnen so schwer sich an die einfachsten Dinge zu erinnern? Da es nur wenige gesicherte Fakten zu dieser Zeit gibt, die den Völkerkonflikten eine klarere Dimension verleihen würden, erzählt Kazuo Ishigruo hier eine Geschichte voller Fantasie, historischen Hintergründen und Mythen. Dennoch ist „der begrabene Riese“ eine berührende und bedrückende Geschichte mit starkem Realitätsbezug. Der Autor erschafft eine märchenhafte Welt, die mich sofort in ihren Bann ziehen konnte und in der ich mich unheimlich wohl gefühlt habe. Auch wenn sich die Geschichte sehr leicht lesen lässt, ist die Erzählstimme doch anspruchsvoll und verlangt die volle Aufmerksamkeit seines Lesers. Man lässt sich schnell in die Sehnsucht des liebevollen Ehepaars hineinziehen, versteht auch sofort ihre Denkweisen und gerade deshalb möchte man schnellstmöglich alles wissen und selbst den hinterhältigen Nebel besiegen. Ich fand es beeindruckend, wie gut es dem Autor gelang die innere Welt der Charaktere, ihre Denkmuster, Realitätswahrnehmung, Moralvorstellungen und deren Wirklichkeitssinn darzustellen. Dennoch lässt die Geschichte nur wenig Raum für offensichtliche Handlungen, wichtige Aussagen oder Ansichten der Handelnden. Der alternde Ritter Gawain, der seine Lebensaufgabe zu erfüllen hat, war für mich von allen Personen wohl am beeindruckendsten. Er hat die Aufgabe, die Drachin „Querig“, die den Nebel des Vergessens verursacht, zu beschützen. Und natürlich ist auch sie nicht das, was sie vorzugeben scheint. Bei ihr hat der Zauberer Merlin die Finger mit im Spiel. Ob dies aber ein böser oder ein guter Zauber war, muss jeder für sich selbst entscheiden … Auch wenn der Roman mit Dämonen, Drachen und der Artus-Saga aufwartet, darf das Buch auf jeden Fall als Historischer Roman gewertet werden. Für mich funktioniert die Geschichte gerade deshalb so gut, weil Feen, Hexen und Menschenfresser in der damaligen Zeit ebenso real waren, wie heutzutage die Gesetze des Marktes oder die Ereignisse in den sozialen Medien. Großartige, feinmaschige Literatur!

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Britannien im 5.Jahrhundert. Zur Zeit der Märchen und Sagen, kurz nach Artus und seiner Tafelrunde. Das schon nicht mehr junge Paar Axl und Beatrice fühlt sich in seinem Dorf nicht mehr wohl und macht sich auf die Suche nach seinem Sohn. Dabei treffen sie auf edle Ritter und Drachen, auf verräterische Mönche und gutmütige Fährmänner. Das ist die grobe Zusammenfassung des Geschehens. Aber damit lässt Ishiguro es selbstverständlich nicht bewenden. Der Meister der Zwischentöne erkundet vielmehr das weite Feld der Erinnerung: ist eine Erinnerung an Vergangenes förderlich für das Zusammenleben? Was bleibt vom Tage, wenn die Erinnerung schwindet? Sind wir friedlicher, wenn wir jeglichen Groll gleich wieder vergessen? Oder sind wir unhaltbar verloren im Meer der Zeit, wenn die Erinnerung uns nicht als Anker dient? In Beatrices und Axls Welt verschwindet die Erinnerung in einem grauen Nebel. Auf ihrer Reise kommen sie dem Ursprung des Nebels auf die Spur und erleben längst vergessenen Schmerz erneut. Macht sie das glücklicher, vollständiger, ihre Beziehung inniger? In einer eigentümlichen Mischung aus altertümlicher Sprache in modernem Gewande erzählt Ishiguro unendlich feinfühlig von der weiten Reise des Paares zu den Wurzeln ihrer Beziehung. Der dabei zu spürende Unterbau, die Andeutungen und Querverweise liessen mich allerdings an meinem Unwissen verzweifeln. Es war, als fehle mir der Schlüssel für das wahre Textverständnis, als sähe ich nur die Außenmauern, nicht die Inneneinrichtung. Ich fühlte mich ausgeschlossen, die Figuren blieben leblos, die Worte zwar schön formuliert, aber eben Worte, weil ich sie nicht mit Leben füllen konnte. Und dann kam mir die Frage nach weitergegebener Erinnerung. Hätte ich mich bei Grimms Märchen oder besser den Nibelungen auch so verloren gefühlt? Erkennen Engländer den Unterbau, weil ihnen die Artussage so vertraut ist wie mir Siegfrieds Lindenblatt? Wie auch immer, ich habe gekämpft und verloren. Der Nebel lichtete sich nicht. Aber es war trotzdem schön, eine Weile mit Sir Gawain zu reiten und den Drachen zu suchen.

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Ja, es ist ein Märchen. Und noch nicht mal ein modernes, sondern eines, das im 5. Jahrhundert spielt; mit tapferen Rittern, wilden Kobolden, Menschenfressern und furchterregenden Drachen. Alles, was so gar nicht meins ist. Aber ich habe mir weder Augen und Ohren zugehalten noch bin ich schreiend weggerannt. Stattdessen habe ich mich für mehr als dreizehn Stunden entführen lassen, der beruhigenden und facettenreichen Stimme von Gert Heidenreich gelauscht und wieder einmal festgestellt, dass die Romane von Kazuo Ishiguro auf ganz besondere Art meine Seele berühren. Ok, vielleicht ist das etwas zu vorschnell und pauschal geurteilt, denn ich kenne neben diesem Roman aus dem Jahr 2015, der jetzt bei Random House Audio als Hörbuch erschienen ist, eigentlich nur noch Ishiguros Klassiker „Was vom Tage übrig blieb“. Gerade habe ich mir noch mal die Verfilmung aus dem Jahr 1994 mit Anthony Hopkins und Emma Thompson in den Hauptrollen angesehen, die übrigens hervorragend und sehr nah am Buch ist, und auch hier musste ich wieder mit den Tränen kämpfen. Vielleicht ist es Ishiguros Sprache, dieser disziplinierte, altmodisch-unaufgeregte Erzählton, der einen auch in „Der begrabene Riese“ durch die Geschichte trägt, die Figuren sich entwickeln, Kontur gewinnen und sie einen letztendlich ganz fest ins Herz schließen lässt. So sehr, dass man jede Gefühlsregung der Helden förmlich miterlebt und erleidet und sich am Ende nur wieder schwer von ihnen trennen kann. Vielleicht ist es aber auch die Liebe, die der Autor für seine Protagonisten zu empfinden scheint. Wie sonst könnte er sie mit so viel emotionaler Tiefe ausstatten, dass man als Leser nahezu vergisst, dass es sich nicht um Menschen aus Fleisch und Blut, sondern nur um ausgedachte Romanfiguren handelt. Wie auch immer – Ishiguro bringt etwas in mir zum Klingen. So schlägt mein Herz von Anfang an für die beiden Hauptfiguren Axl und Beatrice, die sich am Ende ihres Lebens noch mal aufmachen, um ihren gemeinsamen Sohn und mit ihm ihre verlorenen Erinnerungen wiederzufinden. Beides haben sie durch den sogenannten Nebel verloren, der sich seit vielen Jahren über das ganze Land gelegt und die Vergangenheit scheinbar ausgelöscht hat. Das ganze Land leidet unter einer kollektiven Demenz, die jeden nur noch im hier und jetzt leben lässt. Was früher war, davon gibt es nur noch ein vage Ahnung. Und das ist einerseits Segen und Fluch. Denn so schön es auch ist, alle Verluste und Niederlagen ein für alle Mal hinter sich zu lassen, keine Lasten mehr auf seinen Schultern zu tragen und unbeschwert in den Tag hinein zu leben, so unvollständig ist ein Mensch auch ohne seine Vergangenheit, egal wie schwierig und belastend sie auch war. Das Thema hat Potenzial, ist interessant und erzählenswert, aber ich habe nur Augen und Ohren für Axl und Beatrice. Wie liebevoll die beiden miteinander umgehen, das ist einfach wunderschön mit anzuhören. So, ja genau so muss eine Beziehung sein. Etwas altmodisch, althergebrachte Rollenbilder zwar, aber für mich trotzdem ein Ideal. Denn in jedem Satz, in jeder Bewegung und Geste ist 100 Prozent Liebe. Und trotzdem, und das ist das Tragische, sind beide voller Zweifel. Die unbekannte Vergangenheit liegt wie ein klaffender Abgrund zwischen ihnen. Was, wenn sie sich nicht immer so geliebt haben wie jetzt? Wenn sie einander wehgetan und Dinge passiert wären, die man sich nicht verzeihen kann. Weiß man es? Warum ist zum Beispiel ihr Sohn nicht mehr bei Ihnen? Was hat ihn veranlasst, sie zu verlassen? Und, wird er sie nach all der Zeit überhaupt wiedererkennen und freudig und die Arme schließen? Am Ende besiegen sie den Nebel des Vergessens und mit Ihnen erwacht das ganze Land aus seinem Dämmer. Und sofort stellt sich die Frage: Ist es jetzt vorbei mit dem auskömmlichen Miteinander von Sachsen und Britanniern, der gelassenen Friedfertigkeit jedes Einzelnen und auch der Liebe des alten Ehepaars? Und wie bei jedem guten Märchen ergibt sich am Ende auch hier eine finale Erkenntnis, eine Lehre, die man aus dem Erzählten zieht: Dass man die Vergangenheit nicht unbedingt braucht, um gut zu leben, dass man ohne sie sogar wesentlich glücklicher wäre. Doch um zu realisieren, dass man jetzt gerade glücklich ist, dafür braucht man wiederum die Vergangenheit. Ein Teufelskreis.

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Vielen dürfte Kazuo Ishiguro vor allem durch seine Romane „Was vom Tage übrig blieb“ (1989), für das er den 'Booker Prize' bekam und „Alles, was wir geben mussten“ (2005) bekannt sein. Beide genannten Werke wurden mit namhaften Schauspielergrößen verfilmt, die Bücher sind weltweite Bestseller - So viel zu den grundlegenden Fakten. Doch was machen Ishiguros Geschichten aus? Sie berühren und bewegen den Leser sowohl inhaltlich, als auch durch dessen bildhaft schöne und leise Sprache, die selten geworden ist, seitdem moderne Literatur oft eine klare, präzise und lautstarke Wortwahl bevorzugt. In seinem neuesten Roman „Der begrabene Riese“ vermischt Ishiguro nun sämtliche Genres und schafft ein Werk, welches sich zwischen Literatur, Historie und Fantasy bewegt und wirklich alles ist, nur nicht gewöhnlich. Auch hier überwiegen leise Töne und Naturbeschreibungen, sodass man meint, man stünde tatsächlich im Wald und atme dessen frischen Duft ein. Aber, worum geht es in „Der begrabene Riese"? Wir befinden uns mit Axl und Beatrice im Britannien des 5. Jahrhunderts. Das Paar wird in ihrem Dorf als Außenseiter behandelt, weshalb sie sich dazu entschließen, sich auf die Reise zu ihrem Sohn zu machen, den sie schon lange Zeit nicht mehr gesehen haben. Dabei treffen sie auf allerhand mysteriöse und zauberhafte Gestalten (Drachen, Ritter, Merlin usw.) und sie lernen, dass ihre Welt unter einem Nebel des Vergessens liegt, weshalb alle Figuren praktisch vergangenheitslos sind. Dieser Nebel ist im Begriff alles und jeden einzuhüllen, sie sozusagen auszulöschen. Wird es Axl und Beatrice gelingen ihre Erinnerungen und somit sich selbst zu bewahren? „Der begrabene Riese“ ist ein Roman, in dem sich zwischen den Zeilen wohl jeder wiederfinden kann, denn nicht nur die Protagonisten sind von dem Nebel betroffen, sondern irgendwie wir alle. Das Leben rauscht nur so vorbei und wir vergessen, was wirklich zählt, wer wir wirklich sind. Hier bietet das Buch viel Raum für Interpretation, die jedem selbst überlassen ist. Ishiguros so wunderbar zarte Sprache und sein Erzählgeist tragen den Leser von der ersten Minute an und ziehen ihn in eine Art traumhaften Sog, dem man sich nicht entziehen kann, geschweige denn möchte. Einziger Nachteil der ausführlichen Beschreibungen Ishiguros sind die Längen, die der Roman dadurch teilweise aufweist. Zusätzlich sollte man, meiner Meinung nach, ein wenig Historie- und Fantasy affin sein – oder sich eben komplett auf die Geschichte einlassen können, dann begeistert das Buch und lässt einen auch lange Zeit später noch in Gedanken darin eintauchen, so lange man nicht dem Nebel des Vergessens begegnet.

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Inhalt Nach dem Krieg der Sachsen gegen die Briten im 5. Jahrhundert, ist Großbritannien kaum mehr als ein Trümmerhaufen. Das ältere Paar Axl und Beatrice lebt schon seit langer Zeit in einem kleinen Dorf. Doch in diesem sind sie nicht mehr erwünscht, da sie als eine Belastung für die Gemeinschaft gelten. Sie entschließen sich also ihrer Heimat den Rücken zu kehren und begeben sich auf die Suche nach ihrem Sohn, den sie schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen haben. Ihre Reise birgt nicht nur zahlreiche Gefahren, sondern ebenso überraschende und interessante Begegnungen. Doch ebenso bekommen sie die Veränderungen Großbritanniens deutlich zu spüren und schnell wird klar, dass bald nichts mehr so sein wird, wie es einmal war. . . Kritik Ich erinnere mich noch ganz genau daran, dass ich nicht begeistert war, als wir in der Schule „Alles was wir geben mussten“, im Englischunterricht lesen mussten. Für mich klang es nicht interessant und ich habe ein langatmiges und langweiliges Buch erwartet. Doch als ich es durch hatte, war ich mehr als begeistert. Kazuo Ishiguro beherrscht sein Handwerk wie kein zweiter. Er verarbeitet schwierige Themen in fabelhaften Handlungen und spielt dabei gekonnt mit Worten. Der Schreibstil ist allerdings auch in „Der begrabene Riese“ kein einfacher und die Thematik keine leichte Kost. Es dauert ein wenig, bis man sich in die Geschichte einfindet, doch sobald das geschehen ist, liest sich das Buch relativ flüssig weg. Ich war beim Lesen sehr überrascht darüber, dass es sehr viel Märchenhaftes und einige Fantasyelemente beinhaltet. Das Paar reist durch Großbritannien und dabei stößt es auf zahlreiche mythische Wesen, die wohl jeder Leser kennt. Zunächst mögen diese nicht so recht in die Handlung passen, doch je tiefer man in die Geschichte eintaucht, desto klarer wird alles. Ich habe mit einer komplett anderen Richtung gerechnet, wurde allerdings mehr als positiv überrascht. So bekommen wir kurze Blicke auf beispielsweise den Zauberer Merlin und König Artus. Doch auch Drachen kommen hier nicht zu kurz. Es ist schwer zu erklären, weshalb mich dieses Buch so in den Bann gezogen hat, ohne zu viel von der Handlung zu verraten. Es handelt sich nämlich um eine Geschichte, die man selbst für sich entdecken muss. Der Klappentext wird dem leider so gar nicht gerecht, da er einfach nichts von den eigentlichen Geschehnissen preisgibt. Denn eigentlich dreht sich alles um das Geheimnis eines mystischen Nebels, der das Land einhüllt. Was es mit diesem auf sich hat, sollte man allerdings selber herausfinden. Auch ist es Kazuo Ishiguro wieder einmal gelungen einige wichtige Fragen des Lebens aufzurufen. Für was würde man sich entscheiden? Frieden oder seine Erinnerungen? Das alles wird in einer philosophisch-mystischen Geschichte verpackt, die zum Nachdenken anregt. Hier ist nichts, wie es scheint und man bekommt nicht alle Antworten auf einem Silbertablett serviert, sondern wird zum Nachdenken angeregt. Gerade das gefällt mir sehr. Trotzdem hat die Geschichte in meinen Augen ein paar Längen und an einigen Stellen gerät der Lesefluss aufgrund der Sprache etwas ins Stocken. Der Handlung tut das zwar keinen Abbruch, allerdings habe ich aus diesem Grund relativ lange für das Buch gebraucht. . . Fazit Das Buch ist keine leichte Kost und auch nicht für jedermann geeignet. Man muss ein ernsthaftes Interesse an Philosophie, der menschlichen Psyche und dem Mystischen aufweisen, um hier ein Lesevergnügen zu haben. Doch für all jene, ist das Buch mit Sicherheit geeignet.

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Offenbar muss ich hier länger ausholen, denn ich denke noch immer über das Buch nach. „Der begrabene Riese“ – ein Buch, auf das die Literaturwelt 10 Jahre gewartet hat. 1989 hat Ishiguro „Was vom Tage übrig blieb“ geschrieben, für das er den Booker Prize bekommen hat. 2005 kam sein letzten Buch „Alles, was wir geben mussten“ heraus, das bei ein paar Freunden von mir noch immer zu ihren Lieblingsbüchern gehört. Jetzt also endlich „Der begrabene Riese“ – das Motiv bleibt gleich, das Genre ändert sich. Ich bin so hin und her gerissen, komischerweise nicht aus den Gründen, die ich vorher angenommen hatte. Die Welt im Buch ist eine mittelalterliche Fantasywelt, mit der ich normalerweise gar nichts anfangen kann. Aber mit Landschaften hat es Ishiguro ja. Alles ist wunderbar auserzählt, so dass es das Lesen wahrscheinlich schöner macht als es dort in Wirklichkeit aussieht. Und natürlich ist das Genre (angelehnt an) Fantasy. Es spielt in einer Zeit, über die heute fast nichts bekannt ist. Als im 6. Jahrhundert die Römer sich aus England zurückziehen, verfällt das Land in tiefstes Mittelalter. Die Menschen glaubten nun mal an Drachen und Zauberwesen, die tief in den Wäldern hausten. Also laufen den Figuren auch hier und da welche über den Weg. Das hat mich überraschenderweise nicht gestört. Auch die Motiv der Geschichte, die sich ja grob in allen Romanen von Ishiguro wiederfinden, also Vergessen und Identität, haben mir gefallen. Da legt sich ein Nebel über das Land und niemand kann sich mehr an die Vergangenheit erinnern, oft nicht mal an etwas, das vor ein paar Minuten passiert ist. Wie soll da der Mensch (oder das Land) eine eigene Identität haben? Und als Gegenfrage: aber was ist, wenn dieses Vergessen nur dazu da ist, um dich selbst zu schützen? Diese Fragen muss man sich im Laufe des Buches selbst beantworten und auch ruhig auf unsere Gegenwart anwenden. In welchen Situationen wollen wir die Vergangenheit vergessen und neu anfangen? Wo ist es besser, sich Dingen zu stellen und daraus zu lernen? Trotzdem hat sich das Buch für mich hingezogen! Denn gerade das Problem mit dem Vergessen lässt die Figuren ohne Hintergundgeschichte dastehen. Sie sind flach und existieren nur für den Moment – und sind mir im großen und ganzen egal. Das ist schade, denn normalerweise bleiben Ishiguros Figuren lange bei mir. Und dann die Sprache! Die ist wie immer wunderbar klar und leise. Allerdings ist die Förmlichkeit, mit der die Figuren sprechen, für das Lesen anstrengend und kräftezehrend. Jemand auf Goodreads schreibt sehr passend, dass das Buch wahrscheinlich 50 Seiten kürzer wäre, wenn man jedes „Prinzessin“ herausstreichen würde. Da müsst ihr euch wahrscheinlich selbst ein Bild machen.

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Nach erbitterten Kämpfen zwischen Briten und Sachsen ist Britannien im 5. Jahrhundert verwüstet. Dem älteren Paar Axl und Beatrice wird deutlich zu verstehen gegeben, dass sie in ihrem Dorf nicht mehr willkommen sind, da sie eine Bürde für die Gemeinschaft sind. In der Hoffnung, ihren Sohn zu finden, verlassen die beiden ihre Heimat. Die Reise der beiden ist voller überraschender Begegnungen und Gefahren. Schon bald ahnen sie, dass ihrem Land Veränderungen bevorstehen, die alles aus dem Gleichgewicht bringen können, sogar ihre Beziehung. Gemeinsam mit dem alten Paar Axl und Beatrice reist der Leser durch ein vom Krieg gezeichnetes Land, das bevölkert wird von mythischen Wesen und Gestalten. Da sind zum Beispiel König Artus, Merlin und die Ritter der Tafelrunde, aber auch Menschenfresser und Drachen. Das Land ist befallen von einem geheimnisvollen Nebel, der die Erinnerung unterdrückt. Zunächst war ich überrascht, denn so viel Märchenhaftes hatte ich nicht erwartet. Nach der Lektüre muss ich aber sagen, dass Kazuo Ishiguro für Der begrabene Riese genau die richtige Form gewählt hat. Beim Lesen habe ich mich immer wieder gefragt, ob das Erzählte wirklich die Realität spiegelt oder der Fantasie der Figuren entspringt. Erst nachdem Axl und Beatrice dem Kämpfer Wistan begegnen und von seiner Mission erfahren, hatte ich das Gefühl, richtig zu verstehen, worum es im Roman geht. Vor dieser Begegnung war ich beim Lesen etwas verunsichert. Ich fand zunächst keinen roten Fanden in der Handlung und hatte keine klare Vorstellung davon, was das Ganze eigentlich soll. Aber dann, nach vielen Andeutungen und kurzen Erinnerungen, fand ich es immer spannender, Axl und Beatrice bei ihrer Reise zu begleiten und mit ihnen das Geheimnis des Nebels zu lüften. Während des Lesens sind mir Axl und Beatrice sehr ans Herz gewachsen. Die tiefe Zuneigung der beiden zueinander wird von Ishiguro sehr eindrücklich beschrieben und wirkte auf mich in keiner Weise zu kitschig. Vor allem das Ende des Buches, das bereits früh angedeutet wird, war sehr emotional und melancholisch und regt zum Nachdenken an. Letztlich geht es um die Frage, ob es besser ist, in Unwissenheit in den Tag zu leben, dafür in Frieden und Ruhe, oder in Freiheit, aber mit der Last der Erinnerungen, die sowohl das einzelne Leben, als auch den Zusammenhalt einer Gemeinschaft bedrohen können. Was den Stil des Romans betrifft war ich an manchen Stellen etwas zwiegespalten. Die altertümlich anmutenden Dialoge sind wunderbar gestaltet und toll zu lesen, ebenso wie die Beschreibung der Liebe zwischen Axl und Beatrice, die sehr detailliert und in vielen Facetten dargestellt wird. Ab und zu bin ich aber auch über Wörter gestolpert, die nicht recht in den Lesefluss passten. Ein paar Mal ist mir der Begriff „Tohuwabohu“ aufgefallen, der mir sehr unpassend erschien. Ob das nur ein Problem der Übersetzung ist, kann ich nicht beurteilen. Nachdem ich mich richtig auf den Roman einlassen konnte und mich in die Handlung reingefunden hatte, war ich wirklich sehr begeistert. Die Art des Erzählens und die philosophischen Fragen, die Ishiguro scheinbar so einfach verarbeitet, haben mich sowohl emotional mitgenommen, als auch zum Nachdenken angeregt.

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<em>Was ist erstrebenswerter? Keine Erinnerungen an die früheren Lebensjahre zu besitzen und dafür in Frieden zu leben, oder all die Erinnerungen wiederzuerlangen und damit einen blutigen Krieg heraufzubeschwören? Kazuo Ishiguro widmet sich dieser Frage in seiner Geschichte über kleine und große Entscheidungen des Lebens und die Treue zueinander.</em> <strong>Ohne Erinnerungen</strong> Das ältere Ehepaar Axl und Beatrice lebt zurückgezogen in einem britannischen Bauerndorf. Nur der Nebel, der die Landschaft umfangen hält, stört den Frieden. Fast scheint es so, als lasse er alle Erinnerungen an die früheren Lebensjahre verblassen. Dennoch treibt Beatrice das unstillbare Verlangen an, ihren Sohn zu finden. Das Ehepaar bricht auf, um ihn zu suchen und zugleich das Geheimnis des Nebels zu lüften. <strong>Feinsinnige Fantasy</strong> Ins Auge fällt, wie ausgesprochen höflich alle Protagonisten miteinander umgehen. Flüche findet man so gut wie keine, den auftretenden Rittern tut es sogar leid, dass sie gegeneinander antreten müssen, weil sie keinen Konsens finden können. Es wirkt, als schienen hier Ishiguros japanische Wurzeln durch. Mit viel Liebe und Gefühl begleitet der Erzähler die beiden Protagonisten auf ihrem Abenteuer. Die Handlung mag ordinär wirken: Die Helden ziehen aus, um etwas oder jemanden zu finden und am Ende sogar einen Drachen zu erschlagen. Doch in der Handlung finden sich, fein eingewoben, Botschaften und Denkanstöße. In unserer Zeit scheint der Lebenspartner so austauschbar wie das nächste Smartphone. Da wirkt eine langjährige und innige Beziehung wie die zwischen Axl und Beatrice geradezu außergewöhnlich. Sie hat es ihnen ermöglicht, ihr Abenteuer gemeinsam durchzustehen. Axls stete Sorge um seine „Prinzessin“, wie er Beatrice nennt, ist herzerwärmend. Gerade die Einfachheit, in der Axl und Beatrice miteinander leben, macht die Geschichte interessant. Sie sind beide einfache Leute, keine großen Helden oder Ritter. Damit sind sie in einer ähnlichen Position wie der Leser. Dennoch sehen sie sich auf einmal einer Situation gegenüber, eine fremde Rolle einnehmen zu müssen und über Krieg oder Frieden zu entscheiden. <strong>Mein Fazit</strong> Zum Schluss bleibt eine Frage im Raum stehen: Was würde ich selber wählen – Frieden oder Erinnerungen? „Der begrabene Riese“ ist ein Buch, das lange nachwirkt. Autorin der Rezension ist Maria Schönberg. Sie gehört zum Autorenpool von [Der Mann für den Text] Detlef M. Plaisier, Leipzig

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