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Rezensionen zu
Die Glücklichen

Kristine Bilkau

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- SPOILER! - Was ist eigentlich Glück? Ist es ein Zustand, der erst retrospektiv existiert, der vorbei ist, sobald man sich seiner bewusst wird? Und wer ist eigentlich glücklich? "Die Glücklichen" sind es jedenfalls nicht, glücklich, das sind nur die anderen: die tote Schwiegermutter, die gecrashten, nun auf dem Land lebenden Ex-Unternehmer. Glück ist der sichere Lebensentwurf, die Antwort auf die Frage, wie will ich eigentlich leben. Kristine Bilkau fängt im Zusammenleben von Isabell und Georg viele kleine Glücks-Momente ein, ohne dass man sich beim Lesen dessen unbedingt bewusst wird. Von Anfang an spielt die konstante Unzufriedenheit der beiden eine viel größere Rolle. Die Spannung beim Lesen wächst dabei stetig an, sie lauert von der ersten Seite in den Details und der ausgewählten Szenerie. Irgendetwas stört immer. Dabei scheinen die jungen Eltern (Sohn Matti kommt im Laufe des Buches in die Kita) anfangs alles zu haben: gute Jobs - sie als Cellistin, er als Journalist, einen gesunden Sohn, eine schöne Wohnung in einem "richtigen" Viertel, den Kühlschrank voller Bio-Produkte usw. Wären da nicht die Zweifel. Das Leben ist nicht deckungsgleich mit ihrem Traum davon, es hat sich anders entwickelt, als man es sich als Jugendlicher vorstellte und: Es erfordert Veränderung. Als sich Georgs und Isabells (denen man abwechselnd folgt) Zweifel zu Existenzproblemen auswachsen, kann man das Buch längst nicht mehr aus der Hand legen: man tanzt mit den beiden am Abgrund entlang und legt es am Ende zufrieden aus der Hand, während die Fragen nach dem eigenen Lebensentwurf leise ihre Stimme erheben... Unbedingt lesen!

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Cover 006 Ein interessantes Debüt! Zu Anfang noch skeptisch aufgrund der allzu klischeehaft geschilderten “glücklichen” Szene-Kleinfamilie, bin ich spätestens im zweiten Teil des Romans in die Geschichte eingestiegen. Und jetzt wirds wirklich brenzlig! Was anfangs nur als drohende Möglichkeit im Raum stand, findet jetzt statt und legt sich wie ein grauer Schleier über das Heile-Welt-Leben der Protagonisten Isabell und Georg. Die beiden (Ende 30/Anfang 40) leben mit ihrem kleinen Sohn zufrieden und wohlversorgt in einer schönen Wohnung mit noch schöneren Berufen. Isabell ist Cellistin, beginnt nach der Elternzeit gerade wieder zu arbeiten, Georg ist Zeitungsjournalist. Doch das Haus wird renoviert (die Miete erhöht), Bauarbeiter lärmen und plötzlich kann Isabell nicht mehr spielen. Bei jedem Auftritt zittern die Hände. Sie verbirgt das wachsende Problem, lässt sich schließlich krank schreiben. Daraufhin wird ihr Vertrag nicht verlängert. Zur gleichen Zeit wird Georgs Zeitung verkauft und er entlassen. Während Georg in einen vernunftgesteuerten Sparmodus fällt und auf Jobsuche geht, versucht Isabell mit Konsum und Verdrängung der zunehmenden Unzufriedenheit und dem Zerbrechen der Beziehung entgegen zu treten. Das Kind verhält sich in dieser Szenerie als einziges total echt. Und dieser Teil des Romans ist der Beste. Denn plötzlich ist das, was vorher normal war, nämlich der Alltag in einer Beziehung mit Partner und Kind nicht mehr auszuhalten und wird von Zweifel und von der Frage, wie denn sonst zu leben wäre, durchsetzt. Das erzählt Bilkau in beeindruckender Art und Weise. Sprachlich direkt und mit tiefsten Untertönen zwischen den Zeilen. “womöglich haben manche Menschen ein Talent zur Unbeschwertheit und manche nicht; und wer diese Gabe nicht hat, wird durchlässig für alle dunklen Strömungen. Wir driften auf einen Punkt zu, den wir in uns tragen.” Leider ist mir der Schluß dann doch etwas zu lau. Das mag daran liegen, das ich kein Happy-End-Befürworter bin … na gut … man könnte es auch großzügig offenes Ende nennen.

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Isabell und Georg sind ein glückliches paar. Sie ist Cellistin und er arbeitet als Journalist in einer Redaktion. Gemeinsam schauen sich sich abends beim Spazieren gehen gerne die Wohnungen Fremder an. Sie sehen lauter Dinge, die ihnen ein wohliges Gefühl geben – riesige Bücherregale, stilvolle Lampen oder bunte Kinderzimmer. Doch das Gefühl verliert sich bald. Meinung Schreibstil Kristine Bilkau schreibt sehr distanziert, kühl und sachlich. Ganz ohne großes Tamtam, ohne Ausschweifungen, Verschönigungen oder viel Emotion. Und doch ist genau das der Zauber dieses Buches, auch wenn ich mich erst einmal daran gewöhnen musste. Gleichzeitig schafft sie es dennoch, die Gefühle und Gedanken von Isabella und Georg zu transportieren, sodass die stetig wachsende Verzweiflung, der Druck und die Hoffnungslosigkeit auch mich als Leser erreichten. Geschichte und Charaktere Sie verachtet seine Vernunft und nimmt ihm seinen Mangel an Eitelkeit übel. Eine gewisse Eitelkeit, die verhindert, dass sie sich den miesen Umständen vorauseilend anpassen, dass sie eins werden mit den miesen Umständen, dass sie diese Umstände eigentlich erst heraufbeschwören. (S. 224) Isabell ist Cellistin und versucht nach der Geburt ihres Sohnes Matti wieder Fuß zu fassen. Doch am Abend im Orchestergraben zittern ihre Hände. Sie versucht es zu verdrängen, nicht auszusprechen, in der Hoffnung, dass das Zittern so verschwindet, nicht real, nicht stärker wird. Sie zieht sich zurück, spricht nicht darüber. Gleichzeitig vermehren sich die Gerüchte, der Verlag würde die Zeitung, für die Georg arbeitet, verkaufen. Was mit Kürzungen und Entlassungen einhergeht. Der Traum der beiden, diese sichere, gefestigte Existenz in ihrer Altbauwohnung in der Isabella schon ihr halbes Leben wohnt, und ihr kompletter Lebensstil steht auf der Kippe. Bis auch noch das Gerüst vor der Tür steht und irgendwann ein Kronleuchter von der Decke im Treppenhaus baumelt und der Briefkasten eine Mieterhöhung ausspuckt. Während Isabell sich zurück zieht, wird Georg zum Rechner. Jeder Cent muss überlegt sein, statt Bio gibt es Discounter-Ware, eine neue Perspektive muss her, die sogar nicht zu den beiden passen will. Isabella hingegen versucht so weiter zu machen wie bisher, nur nicht wahrhaben, was passiert, nur alles auskosten, solange es noch geht. Immer mehr gelangen die beiden in diesen Strudel aus dem es immer schwerer wird, wieder herauszukommen. Ich frage mich, wie lange es hier so weitergehen kann. Ich fühle mich wie unter Wasser. Ich tauche, ich halte die Luft an, eine Weile wird es noch gehen, aber ich weiß, lange halte ich es nicht mehr durch. (S. 195) Kristine Bilkau konnte mich mit „Die Glücklichen“ trotz kurzer Eingewöhnungsphase, vollkommen überzeugen. Isabella und Georg waren hervorragend herausgearbeitet. Sie und ihre Lebenssituation waren klar und so unfassbar realitätsnah, dass man meinen könnte, man steckt selbst in der Geschichte. Was vor allem auch daran liegt, dass Kristine Bilkau ein Thema anspricht, dass uns alle in irgendeiner Weise beschäftigt und treffen kann. Eine Geschichte, wie sie jedem passieren kann, eine Geschichte von nebenan. Eine Geschichte, die mich berührte und mir noch Tage danach im Gedächtnis ist und mich aufwühlt. Trotz des klaren Schreibstil hat sie einiges zwischen den Zeilen versteckt. Als Leser muss man nur aufmerksam genug den Zeilen folgen und man wird mit vielen Erkenntnissen bereichert aus dem Buch wieder auftauchen. Fazit Kristine Bilkau hat einen klaren, sachlichen und dennoch emotionalen und berührenden Romanen geschrieben. Wahrheit, Realität, Hoffnung, Verzweiflung und ein Hauch Melancholie reihen sich aneinander ohne große Ausschweifungen ohne zu Überladen zu wirken. Eine starke, realitätsnahe Geschichte mit ebensolchen Charakteren die mich noch lange bewegen wird.

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<em>„Die Glücklichen“ hat Kristine Bilkau ihren ersten Roman genannt. Wie fühlt es sich an, ein 300-Seiten-Werk nach vierjähriger Arbeit in die Welt zu entlassen? So wurde Frau Bilkau von 3sat auf der diesjährigen Leipziger Buchmesse gefragt. Die Antwort der 40jährigen Autorin lautete: „Unwirklich.“ Und unwirklich ist auch das Leben ihrer Protagonisten. Unwirklich ist das Leben jener Generation, für die Bilkaus Protagonisten habituell sind.</em> Isabell, Georg und Matti leben als kleine Familie in Hamburg. Isabell ist Cellistin, Georg Journalist und Matti grad auf dem Weg vom Baby zum kleinen Jungen. Sie gehören jener Welt an, in der man ausschließlich schreibend, musizierend, fotographierend oder gestaltend sein Geld verdient. Diese ihre Welt gerät ins Wanken, als die Musikerin Isabell aus gesundheitlichen Gründen pausieren muss, Georgs Verlag verkauft wird und seine Stelle wegfällt und die Familie obendrein eine Mieterhöhung zu verkraften hat. Das gute Leben. Das richtige Leben. Was ist das? Wie führt man es? Einer der zentralen Fragen der Philosophie spüren nun auch die Spitzen der Exekutive nach. „Gut leben in Deutschland“ heißt der von der Bundesregierung in Form einer Veranstaltungsreihe institutionalisierte Bürgerdialog. Ein Blick in das Buch von Frau Bilkau erwiese sich fraglos als „hilfreich“, über die Koordinaten des guten Lebens jener links-liberalen bürgerlichen Mittelschicht informiert zu sein. In popliterarischer Manier und nicht lediglich im Sinne eines unverbindlichen Serviervorschlags werden die Zutaten des guten, des richtigen Lebens aufgelistet: Dinkelkekse und Dinkelpulver, Wollstoffe und hölzerne Knebelverschlüsse, Veggie-Aufstriche, getrocknete Wildfeigen und Rosenkandis, Biohonig mit Lavendelblüten, Maronenaufstrich. Und natürlich: Pasta, Pasta, nochmals Pasta. Was die semantisch-lexikalische Ausstattung der eigenen Lebenswelt anlangt, pflegt man eine wohlig-melancholische Gründerzeit-Sehnsucht: Manufakturen und Floristenwerke, postmodern bevölkerte ehemalige Schlachthöfe sorgen für erdige Ursprünglichkeit. Die Glücklichen leben in einem Haus, dessen Fassade gerade saniert wird. Einmal kommt es zu einem Gespräch zwischen Isabell und einem der Bauarbeiter auf dem Gerüst. Es geht um die Zerfallsformen des Mauerwerks, um dynamische und nichtdynamische Risse. Die nichtdynamischen seien beruhigbar, leicht zu beheben im Abschlagen des lockeren alten und Aufbringen des neuen Putzes. Die dynamischen aber seien gefährlich, denn sie reichten tief ins Mauerwerk. Was nun widerfährt unserer jungen Familie, wenn die Risse dynamisch werden? Das Buch zeigt es in eindrücklicher Weise und unter Ausbreitung großer Materialfülle. „Die Glücklichen“ ist daher weniger episch, mehr ein Vademecum dessen, was man in den Kreisen der tatsächlich oder nur vermeintlich Lactoseunverträglichen zu fühlen, zu denken, zu essen, zu kaufen hat. Jede Krisis birgt zugleich Chancen. Bei den Glücklichen indes herrscht die nackte Angst. Was, wenn es nicht gelingen wird, fragt sich Isabell. Und dieses „es“ steht letztlich für alles, was ein Leben Erwachsener in familiärer Verantwortung und Gemeinschaft ausmacht. Diese nagende, zweifelnde Angst vor dem großen Scheitern gipfelt in dem Wunsch der Isabell, ihre Amygdala, das Angstzentrum im Gehirn, möge nicht mehr funktionieren. Wo nurmehr eine körperliche Erkrankung noch Aussicht auf Erleichterung verspricht, ist Festigendes, Befestigendes nicht in Sicht. Und auch der Austritt aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit eines ökologisch-urbanen Lebens im Nahbereich guter Italiener, Sushi-Bringdienste und staatlich alimentierter sozio-kultureller Infrastruktur misslingt. Festigend könnte für Isabell das Erlebnis der Mutterschaft sein. <em>„..., überrascht von dem, was ihr Körper konnte.“</em> heißt es an einer Stelle des Romans. Und das meint: Was der Körper einer Frau und nur einer Frau vermag! Letztlich findet sich indes über den ganzen Roman verteilt das Motiv eines Antagonismus weiblicher Selbstverwirklichung und Kreativität auf der einen, Wahrnehmung der Mutterpflichten auf der anderen Seite. Bilkau zeichnet das Bild eines Kindes als etwas Ruhigzustellendes, das stetig die Übungszeiten einer auch professionellen Cellistin sein wollenden Mutter dezimiert. Festigend könnte weiter die Partnerschaft von Vater und Mutter sein. Allein Georg findet sich mehr und mehr in der Rolle des Trottels wieder, dessen Frau während des gemeinsamen Ostseeurlaubs weithin im Bett bleibt. Weil der Seeblick etwas verstellter ist als früher. Weil es keine Saunawelten mehr gibt und Massagen, keine Obstsalate und frisch gepressten Säfte. Ihr „Wegwollen“, von Georg und also von ihrer Familie, breitet Kristine Bilkau nachgerade liebevoll aus. Da ist die auf Isabells Smartphone installierte Wetter-App mit täglichen meteorologischen Meldungen von Orten, an denen sie, Isabell, gerade nicht ist. Da ist das Nachsinnen über das friedliche, freie und ach so unspießige WG-Leben der eigenen Mutter mit einer Künstlerin oder gar der Mutter mit der kleinen Isabell, nachdem der Vater verlassen ward. Während Isabells Erleben und Fühlen in Farben und Klängen und im Schmerz, ob beim Malern oder bei Einkäufen reiche Schilderung erfährt, wird Georg als verdruckster Versager gezeichnet, der nur ein einziges Schlaflied kennt und dem die Abwesenheit von Bier und Chips im heimischen Haushalt zu schaffen macht. Kein Kompliment in den Zeiten von Vielfalt, Buntheit, Diversität. Und wie steht es mit dem Austritt aus einem haltlos gewordenen Lebensentwurf? Er hätte durchaus gelingen können. Auf dem Lande hätten die drei eine Wohnung mieten können. Dort hätte es einen neuen Job für Georg gegeben. Sein Verdienst hätte für die Ernährung der dreiköpfigen Familie genügt. Wie reaktionär ist das denn? Dann schon lieber: Träumereien von Kooperativen auf morbide gammelnden Dreiseithöfen, changierend zwischen Tauschwirtschaft und per Antrag abzurufender Staatsknete. Dann lieber private Fortschrittsfeindlichkeit, private Reaktion mithin, in Form der Reinszenierung infantiler WG- und Trödelmarkt-Seeligkeit. Isabell verkauft den Nachlass von Georgs Mutter in einer kurzerhand improvisierten Second-Hand-Offensive. Endlich kommt wieder etwas Geld rein! Derart traurig sieht Nachfolge, Erbfolge für die Generation Y aus! Endgültig gelöst wird das Geldproblem, indem man sich um einen Mitbewohner für die zu teuer gewordene Wohnung bemüht. Dass in der Erzählung des Romans der Auszug von Isabells letztem Mitbewohner die eigene kleine Familie erst konstituiert hatte, ist nun vergessen. Gelöst wird das Dilemma nicht durch Beschränkung und Konzentration auf die eigene familiäre Bindung. Gelöst wird es in den institutionellen Arrangements der urbanen Postmoderne, die von Frauen besser beherrscht werden. Dass dies freilich keine Lösung, dass dies nur ein Aufschieben ist, ahnt wohl auch Frau Bilkau. Vorsichtshalber lässt sie den alten Wandtresor, den Isabell beim Malern gefunden hatte, verschlossen, lässt alle Öffnungsversuche an widerständigem Stahl scheitern. Denn sollte es schiefgehen mit dem neuen Mitbewohner, können immer noch letzte versunkende Bezirke der Altvorderen auf der Suche nach Verwertbarem ausgeleuchtet werden. Irgendwann aber, so ist der Autorin entgegenzuhalten, wenn nichts Eigenes mehr vorhanden ist, nur noch lieblos Überformtes, nur noch achtlos Vertrödeltes und größenwahnsinnig Aufgeblähtes, werden einige Wenige sich an die Öffnung alter Gründerzeittresore machen. Die darin womöglich aufgefundenen Wechsel wird indes niemand einzulösen im Stande sein. Dann wird der letzte Latte macchiato getrunken, das letzte Brot mit Maronenaufstrich gegessen sein. [embed]https://www.youtube.com/watch?v=Jm2TAPhUj_4[/embed] Die Rezension wurde verfasst von Johann Felix Baldig. Er ist Autor im Autorenpool von Detlef M. Plaisier [Der Mann für den Text]. <a href="http://backsplan.net/">http://backsplan.net/ </a>

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Richtig beigeistert

BUCH & medien Handels-GmbH

Von: Tina Krauskopf aus Bad Bramstedt

21.07.2015

Richtig begeistert hat mich die Bilkau. Ich habe mich in so vielen Punkten direkt angesprochen gefühlt. Ich mag ihre Sprache, dieses Einfühlungsvermögen und die Sicht auf die Lebenssituation heute, in der vieles anders, aber nicht unbedingt besser oder einfacher ist. Diese ganzen gut ausgebildeten Menschen, diese Gratwanderung und manchmal der tiefe Fall. Es hat mich wirklich tief berührt, vieles aufgewühlt... Kristine Bilkau gehört zu den jüngeren deutschen Autoren, die es meisterhaft verstehen, den Alltag, das Leben und die Probleme der Ü-30 Generation vor einem politisch, gesellschaftlichen Hintergrund authentisch und völlig schnörkellos zu erzählen.

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Wie rezensiert man ein Buch, das einen so vom Hocker gerissen hat, dass man vor lauter Überwältigung überhaupt nicht weiß, wie man die richtigen Worte dafür finden und ihm gerecht werden soll? Weil man sich so viele Textstellen markiert hat, die einen in ganz besonderer Form berührt haben und die man gerne erwähnen möchte – aber andererseits am liebsten einfach nur schreiben möchte: „Lest es! Flott!“ Beginnen wir mal der Reihe nach… Worum geht’s? Vordergründig geht es um Isabell und Georg sowie deren Sohn Matti. Eigentlich könnten sie eine glückliche kleine Familie sein – doch die Fassade bröckelt. Isabells Karriere als Cellistin steht auf dem Spiel, als sie das unkontrollierte Zittern ihrer Hände nicht mehr in den Griff bekommt. Georgs Stelle als Journalist bei einer Tageszeitung wird weg rationalisiert. Dazu kommt, dass sich die beiden auch erst noch in ihre Elternrolle einfinden müssen. Der Druck und die Verunsicherung wachsen ebenso wie das Schweigen und die stillen oder auch lauteren Vorwürfe zwischen den beiden. Schon auf den ersten Seiten fiel mir die tolle Sprache von Kristine Bilkau auf: sehr präzise, klar und auf den Punkt. Dennoch war mein Lesetempo deutlich langsamer als sonst, da die Sätze trotz ihrer Klarheit recht komplex sind und ich den Eindruck hatte, dass mir sehr leicht etwas entgehen könnte, wenn ich zu schnell werde. Und trotz ihrer „Stille“ schlugen einige der Sätze für mich ein wie eine Bombe. Gerade wenn man auch selbst im Alter von Isabell und Georg ist, fühlt man sich quasi ständig persönlich angesprochen. Egal, ob es Dinge sind, die einem gerade selbst unter den Nägeln brennen oder ob es Geschichten aus dem Freundes- und Bekanntenkreis sind, an die man spontan erinnert wird – einen Nerv trifft der Roman in jedem Fall. Hierzu trägt meiner Meinung nach auch die Art der Figurenzeichnung bei: sowohl Isabell als auch Georg sind beide so gezeichnet, dass man zwar ein sehr klares Bild von beiden vor Augen hat, aber dennoch genügend auf Distanz gehalten wird, um die beiden beinahe wie durch ein Mikroskop beobachten und analysieren zu können. Anhand der Figurenzeichnung wird man nicht dazu verleitet, eindeutig für einen von beiden Partei zu ergreifen, sondern kann die Handlungen und Denkweise der beiden recht analytisch und objektiv betrachten. Und was man dadurch zu sehen bekommt, ist ein großartiges Sittengemälde unserer Zeit: wie finde ich als Frau um die 30, die scheinbar alle Möglichkeiten hat (???), meinen Platz in der Gesellschaft – ohne mich dabei verbiegen oder selbst vernachlässigen zu müssen und dem allgegenwärtigen Perfektionsdruck zu unterliegen? Welche Rolle spielt hierbei meine Partnerschaft bzw. meine Familie? Inwiefern haben der eigene Beruf und der des Partners Einfluss auf dieses Gefüge? Und was passiert, wenn eines dieser zahlreichen Mosaiksteinchen plötzlich quer liegt und Perfektion nicht (mehr) möglich ist? Und, wenn auch eher am Rande: wie zur Hölle wird in diesem Land eigentlich mit der viel zitierten „Elite“ umgegangen? Wie kann es sein, dass man sich als Akademiker von Zeitvertrag zu Zeitvertrag hangeln muss und nicht einmal genügend Sicherheit hat, um einigermaßen beruhigt eine Familie gründen und sich dieser auch ausreichend widmen zu können? Kristine Bilkau ist ein genialer Roman gelungen, der von scharfen und klugen Beobachtungen lebt und hervorragend zum Nachdenken und Diskutieren einlädt. Für mich ist „Die Glücklichen“ ein Buch, an dem man dieses Jahr nicht vorbeikommt. Ich hoffe, dass es möglichst viele Menschen lesen und sich vor allem auch über das Gelesene hinaus ein paar Gedanken machen – denn letztendlich tragen wir ja alle dazu bei, dass unser derzeitiges Gesellschaftssystem in genau dieser Form aufrechterhalten wird.

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Wie beklemmend kann eine Geschichte sein? Mit “Die Glücklichen” hat Kristine Bilkau einen Roman geschrieben, der wohl jeden kreativen Großstadtmenschen an der Gurgel packt und kräftig schüttelt. Was passiert, wenn einem plötzlich die Arbeitskraft schwindet und die Existenz auf dem Spiel steht? Wir befinden uns in einem Stadtteil von Hamburg: Nach der Sanierung strahlen die Altbauhäuser in Hellblau, Himbeerrot und diversen Pastellfarben; die Straßen sind gesäumt von Manufakturen und Einrichtungsläden, Yoga-Studios und schicken Cafés. Man wohnt zwischen Fischgrätparkett und Stuckverzierung, jede Woche wird die Biokiste in den mit Teppich ausgelegten Hausflur geliefert. Nicht anders sieht es bei Georg, Isabel und ihrem kleinen Sohn Matti aus. Ihre Welt wirkt wie in einem Hochglanzmagazin, sie ist Cellistin in einem Musical-Orchester, er leitender Redakteur bei einer Zeitung. Bis diese heile Welt einen empfindlichen Riss bekommt: “Meine Hände werden nicht zittern“, schreibt sich Isabel vor jedem Auftritt auf mehrere Zettel, die sie in ihren Taschen verteilt, doch es hilft nichts – die Hände zittern, mitunter so stark, dass sie ihr Solo nicht ohne bemerkbare Patzer spielt. Gleichzeitig erwischt es auch Georg, dessen Verlag von Heute auf Morgen einen radikalen Sparkurs fährt und seine Stelle kurzerhand wegrationalisiert. Bedeutet es das Ende ihres bisherigen Lebens? Während Georg sich nach und nach mit den Umständen arrangiert, seine Fühler nach anderen Jobs – die streng genommen weit unter seinem Niveau sind – austreckt und sogar an einen Umzug aufs Land denkt, verharrt Isabel in einer trotzigen Schockstarre: —————————————————— “Ich suche keine Alternative. Ich will nicht, dass sich etwas ändert” —————————————————— Die Situation wird für das Paar zu einer Zerreißprobe, immer stärker sieht sich Isabel dem Druck von außen ausgesetzt, dem sie nicht standhalten kann: “Die gesicherten Existenzen mit ihren geschmackvollen Wandfarben sagen alle dasselbe: Wir können, du nicht.” Wie soll man da mithalten, wenn man sich noch nichtmal ein Glas Feigensenf aus dem Delikatessenladen leisten kann? Bilkau_KDie_Gluecklichen_153599Die Außenwelt wird zum Feind, der Neid auf die Familien groß, die – wenn auch nur nach außen – glücklich sind: “[...] mühelos schafft dieser Vater es mit seinem Kind, vielleicht noch weiteren Kindern, und seiner Frau, wie selbstverständlich schaffen sie es, eine Familie zu sein, wohnen hier im Viertel, stellen nichts in Frage, bemerken nicht einmal, wie leicht ihnen alles fällt”. Selbstzweifel und erbitterte Vorwürfe an ihren Mann wechseln sich ab, die Beiden drohen sich gegenseitig zu zerfleischen, bis der große Knall kurz bevor steht. Was für Beklemmungen kann eine Geschichte auslösen? Isabel und Georg, sie könnten meine Nachbarn, könnten mein Freund und ich sein, so nah geht Kristine Bilkau an die Realität heran. Sie legt den Finger auf die verwöhnte Mittelschichtsgesellschaft und drückt drauf, bis die ganzen unterdrückten Ängste herausplatzen und man Zweifel an der Sicherheit seiner eigenen Lebensexistenz hat. Wie würde man selbst reagieren, wenn der plötzliche Jobverlust zum Umdenken zwingen würde? Bilkau schildert dieses Szenario mit einer eisigen Kälte und Schlichtheit der Worte, die es so realistisch machen, dass es den Leser mitunter an die eigenen Grenzen bringt. Ein phantastisches und aufwühlendes Debüt!

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Ein Debüt, ein richtig, richtig gutes: Die Glücklichen von Kristine Bilkau. Warum1: Liest sich weg wie nix. Warum2: Die Sprache wird hier wohltuend gut und souverän eingesetzt. Warum3: Wenn Sie zwischen 30 und 40 sind, früher mal zur Generation Praktikum gehört haben und irgendwo im Kulturbereich arbeiten (oder versuchen zu arbeiten), dann geht es um: Sie. Genau. Dann geht es um Ihre Ängste, Ihre Suche nach dem Glück (das sie, so lässt sich Kristine Bilkaus Roman lesen, vielleicht längst schon haben), um Ihre Kinder und Schwiegermütter. Kurzum: Es geht um Sie. Wilkommen in Ihrem Leben. Georg und Isabella jedenfalls führen ein schönes Leben. Er ist Journalist, sie Cellistin. Sie haben Matti, ihr zwei Jahre altes Kind. Sie lieben sich. Sie lieben das Kind. Alles gut also. Nee: Isabellas Führhand zittert, ihr Job ist in Gefahr. Georgs Redaktion zittert, denn die Zeitung, für die er arbeitet, geht den Bach hinunter. Die Glücklichen ist ein Roman über Lebensängste. Wie wunderbar leichtfüßig Kristine Bilkau es versteht, in ihrem Debüt das Leben an sich und die Angst vor Veränderung, dem sozialen Abstieg einzufangen. Chapeau! Ich zitiere (S.215): Da packt sie die kalte Panik, ihnen wird die Luft ausgehen, ganz egal, wohin sie ziehen, zusammen zu scheitern ist schlimmer als allein. Wer allein ist, wird nicht beobachtet, muss keine Haltung bewahren, muss sich nicht als Ursache für das nächstbeste Problem fühlen, und die Frage, wer recht oder unrecht hat, ist auch nicht mehr wichtig. Vor allem ist dieser Roman einer über den Versuch das Gesicht zu wahren, im sozialen Gefüge. Georg und Isabell: Niemand möchte als der dastehen, der er nicht geschafft hat. Vor sich selbst, vor anderen, vor allen. Gute und sehr gute Stellen des Buches habe ich mit Kuli markiert. Öffne ich jetzt dieses Buch, dann könnte man meinen: Du hast aber viel rumgekrakelt in diesem Buch. Habe ich. Weil es so gut ist. Weil es den sprichwörtlichen Nagel auf den Punkt trifft. Weil die Sprache, und dann ist’s ja erst wirklich Literatur, weil die Sprache umwerfend schön ist, und mich staunen lässt, wie es ein paar Wörtchen schaffen, das Gefühl von Dringlichkeit zu erzeugen. Vielleicht auch weil ich zu dieser Generation gehöre, irgendwo zwischen 30 und 40, und weil Kristine Bilkau es schafft, dass ich mich in ihren Figuren wiederfinde, ohne sich mit Klischees und Plattitüden anzubiedern. Ob es Kritiken gibt, in denen der Geschichte Ereignislosigkeit vorgeworfen wird? Dass da gar nicht wirklich viel passiert? Keine Monster aus fremden Welten kommen, und irgendjemand die alle wegballert? Vielleicht. Aber zum glück geht es um andere Dinge. Danke, Kristina Bilkau für ein treffsicheres literarisches Porträt unserer Zeit. http://www.randomhouse.de/Buch/Die-Gluecklichen-Roman/Kristine-Bilkau/e462474.rhd

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