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Rezensionen zu
Widerrechtliche Inbesitznahme

Lena Andersson

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Der Roman Widerrechtliche Inbesitznahme von der Schwedin Lena Andersson erschien im Dezember 2016 im btb-Verlag. Die Autorin beschreibt darin die zunehmende Abhängigkeit einer jungen Frau von einem Mann. Anfangs fasziniert von seiner Kunst, verliert Ester innerhalb kurzer Zeit ihre Autonomie und Selbstachtung. Ester Nilsson ist Anfang dreißig, arbeitet als Dichterin und Essayistin und lebt in einer soliden Beziehung. Als sie beruflich mit dem Künstler Hugo Rask arbeitet, verändert das alles. Das erste private Treffen, das harmloser nicht beginnen könnte, hat für Ester Folgen. Sie ist von Hugo auf eine Weise fasziniert, die fern jeder Normalität scheint. Andersson bringt all die Qualen des Liebeskummers auf den Punkt und überführt ihre Leserinnen gekonnt mit eigenen Verhaltensmustern. Obwohl sie selbst sagt, der Roman sei ein Buch über die Liebe, so ist die Figur der Ester aus meiner Sicht eher ein wachrüttelndes, mahnendes Beispiel, was unglückliche Liebe anrichten kann. Andersson beschreibt auf beeindruckende Weise, wie Ester sich mehr und mehr von Hugo abhängig macht und so immer mehr von sich selbst verliert. Obwohl sich Ester und Hugo mehrfach treffen, zusammen essen und auch miteinander schlafen, will sich weder Intimität noch Beständigkeit einstellen. Hugos Verhalten Ester gegenüber ist ausweichend, fern und unpersönlich, während Ester sich dieser Verbindung immer mehr hingibt. Für die kalte, ablehnende Art Hugos erfindet Ester immer wieder Erklärungen. Sie liebt innig und verzweifelt, sodass sie sich bald in eine Abhängigkeit stürzt, die sie immer weiter erniedrigt. Hugo hingegen bleibt unzuverlässig, abweisend und säht doch immer wieder Hoffnung in Ester. Die Situation wird für die junge Frau immer auswegloser. Denn obwohl Hugo wesentlich älter ist als sie selbst und Ester eine andere Frau vermutet, hält sie an dem Glauben fest, er könnte ihre Zukunft sein. Der Erzählstil der Autorin ist brilliant. In jeder Zeile ist die tiefe Verbundenheit zu spüren, die Ester zu Hugo empfindet. Gleichsam wird ihre Zerrissenheit deutlich, die sie zwar hier und da grübeln lässt, aber nie zu einem ernsthaften Umdenken führt. Jeder, der schon einmal geliebt hat, jeder der weiß, wie sich unerwiderte Liebe anfühlt, wird sich in der Geschichte und in Ester wieder erkennen. Der Unterschied zu vielen anderen mag der sein, dass es Ester misslingt, sich von Hugo abzuwenden, der sich ihrer nie ernsthaft annehmen will. Der Freundinnenchor, wie Andersson Esters enges Umfeld nennt, versucht dieser klar zu machen, dass sie sich verrannt hat, dass sie auf sich selbst achten und sich schützen muss. Sie stoßen bei Ester auf taube Ohren, denn aus ihrer Sicht, haben die anderen keine Ahnung, was sie durchmacht, wie tief ihre Liebe und Zuneigung ist. Ester ist klug, vorausschauend und redegewandt und doch gerät sie in eine gefährliche Spirale aus Selbstverlust, Erniedrigung und blinder Abhängigkeit. Die Autorin versteht es, die Unerträglichkeit unerwiderter Liebe und den daraus resultierenden Schmerz in Worte zu verpacken. Schonungslos beschreibt sie Esters Widersprüchlichkeit, ihren Verzicht auf sich selbst und ihre Besessenheit von einem Mann, der sich nicht binden will. So gelingt es als Leser zwar, die Handlungen Esters mit Distanz zu betrachten und dennoch ihre Qualen erahnen zu können. Auf sprachlich hohem Niveau und in kunstvoller Weise, gelingt hier ein aussergewöhnlicher Roman über die fatalen Folgen von Liebeskummer.

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Zum Inhalt: Die 31-jährige Protagonistin Ester Nilsson ist intelligent, lebt in Schweden und arbeitet dort als Dichterin und Essayistin. Sie analysiert ihre Umwelt sowie die Menschen in ihrem Leben sachlich und präzise und macht es sich zur Aufgabe, das Leben in all seinen Feinheiten zu erfassen und mit den richtigen Worten zu beschreiben. Doch dann erhält sie den Auftrag einen Vortrag über den schwedischen Künstler Hugo Rask zu halten und beschäftigt sich daraufhin intensiv mit dessen Leben und Schaffen. Als Hugo dann am Tag des Vortrags persönlich anwesend ist und sie für ihren hervorragenden Vortrag lobt, verliebt sich Ester Hals über Kopf in den faszinierenden Hugo und gerät in eine ganz unglückliche Liebe. Meine Meinung zum Buch: Im Normalfall kann ich mit reinen Liebesgeschichten, also Büchern in denen eine Liebesbeziehung im Zentrum der Geschichte steht, nicht viel anfangen. Auch klingt der Plot in diesem Buch nicht besonders innovativ und dennoch konnte mich dieses Buch unheimlich begeistern und wird mit großer Sicherheit ein Lesehighlight 2017. Die Autorin legt den Fokus auf die genaue Analyse und Beschreibung der Gedanken- und Gefühlswelt von Ester. Sie seziert die Situation der unglücklich Verliebten geradezu, ist dabei wertfrei und schonungslos. Der Schreibstil ist entsprechend nüchtern und erschreckend präzise. Jeder der selbst einmal in dieser Situation war oder jemanden kennt, wird die typischen Verhaltensweisen erkennen. Trotz Esters Intelligenz und Vernunft ist sie gegen ihre Gefühle machtlos und manövriert sich immer tiefer in das Leid zwischen Hoffnung und Angst. Dabei ist es fast grausam, dass Ester ihre Schwäche und Irrationalität in vollem Umfang begreift und es trotzdem nicht schafft dieser Abhängigkeit zu entkommen und sich stattdessen immer mehr verliert. Fazit: Eine schonungslose Analyse der Liebe und ihrer Auswirkungen auf Menschen. Mit sprachlicher Präzision und Finesse aber ganz ohne Kitsch und Romantik beschreibt Lena Andersson das ganze Leid der Gedanken und Gefühle einer unglücklich Verliebten. Eine Situation in der Intelligenz und Vernunft machtlos sind. Eine absolute Leseempfehlung!

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Warum ruft er nicht an? Äußerst plausible Gründe sind : Er muss so viel arbeiten, er hat die Telefonnummer verloren, er muss seinem kleinen Bruder bei den Hausaufgaben helfen, er will mich nicht mit Anrufen nerven, er muss erst noch nachdenken, sein Telefon ist kaputt …. Dass er eine Beziehung nicht will, darauf kommt Lena Anderssons Protagonistin Ester Nilsson, Essayistin, nicht, denn was nicht sein darf, kann auch nicht sein. „Sie drehte und wendete alle Perspektiven, nur die nicht, dass sie keine Rechte hatte.“ Nach der widerrechtlichen Inbesitznahme des Auserkorenen findet sie doch immer wieder kleinste Hinweise, warum er eigentlich doch will, nur jetzt eben nicht kann. Sie muss ihm nur zur Seite stehen, ihm helfen sich zu ihr zu bekennen….. Dazu kommt noch ihr Freundinnenchor „er deutete, tröstete, linderte, ermahnte und zeigte neue Marschrichtungen auf ….. und eines Tages steht er vielleicht mit einem Blumenstrauß vor deiner Tür, man weiß ja nie.“ So gibt sich Ester weiter der Hoffnung hin … eines Tages , später, vielleicht … Diese fatale Gedanken- und Verhaltenskette schildert die Autorin auf sehr hohem Niveau (intelligent, exzellent geschrieben, spannend, tragisch-komisch, dramatisch) und hat mich mit diesem Roman restlos begeistert.

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Für ihren Roman 'Egenmäktigt förfarande', der 2015 unter dem deutschen Titel 'Widerrechtliche Inbesitznahme' erschien, wurde die schwedische Schriftstellerin Lena Andersson 2013 mit dem renommierten August-Preis in der Kategorie Belletristik ausgezeichnet. Zurecht, wie ich finde, denn sie hat einen ganz wunderbaren philosophischen Roman über die Liebe, bzw. das Leiden an unerwiderter Liebe geschrieben. Dabei ist die Geschichte nicht besonders originell, denn Romane über verschmähte Liebende gibt es viele; außergewöhnlich ist jedoch, wie präzise und analytisch die Autorin das Leiden an unerfüllten Sehnsüchten und die zerstörerische Kraft der Hoffnung, die Liebende überhaupt in solch emotionale Abhängigkeiten geraten lässt, beschreibt. Das Buch ist so voller kluger und wunderschöner Sätze, dass man sie am liebsten alle anstreichen möchte. Die Sprache ist lakonisch, schlicht und äußerst einfühlsam, zieht den Leser vollkommen in seinen Bann und macht Esters Verletzungen ebenso nachfühlbar wie ihre immer wieder aufkeimende Hoffnung. Der recht ungewöhnlich Titel 'Widerrechtliche Inbesitznahme' bezieht sich gleichermaßen auf beide Hauptprotagonisten, denn nicht nur Hugo, sondern auch Ester werden widerrechtlich in Besitz genommen. Hugo, indem Ester unnachgiebig versucht, ihn für sich einzunehmen, und Ester, indem Hugo sie für seine Zwecke benutzt, sie zwar nicht liebt, aber auch nicht gehen lässt, weil er ihre Bewunderung braucht. Ester weiß: "Hugo Rask schuldete ihr keine Liebe. Es gab kein Recht darauf, geliebt zu werden." Ihrer Logik folgend hat sie aber zumindest das Recht auf eine Erklärung, um zu verstehen, was er empfindet. Auch wenn sie weiß, dass Hugo nicht für sie verantwortlich ist, leitet Ester aus den intimen Gesprächen und sexuellen Annäherungen eine moralische Verpflichtung zur Erklärung ab. Ein klares Nein könnte sie akzeptieren, könnte ihr helfen, sich von ihm zu befreien, aber stattdessen verharrt Hugo in seiner Unverbindlichkeit und verweigert, in der Annahme, ihr nichts schuldig zu sein, jedes klärende Gespräch. Ihr Leiden ist nicht sein Problem – für ihn besteht kein Klärungsbedarf. Kommunikation über Gefühle sind ihm fremd, machen ihm Angst, weil sie Intimität schaffen und er Nähe nicht ertragen kann. Er folgt einem ganz anderen System – dem der Ignoranz und Gleichgültigkeit gegenüber den Gefühlen anderer. Ester und Hugo leben in unterschiedlichen Welten, in denen vollkommen verschiedene Spielregeln gelten – Ester in einer Welt mit einem unbedingten Absolutheitsanspruch an die Liebe und Hugo in einer Welt, die jegliche verbindliche Form von Liebe und Nähe ausschließt. Dass dies fatal enden muss, ist nur logisch. Blind für die Gefühle und Bedürfnisse anderer, aber getrieben von dem unbedingten Wunsch nach Bewunderung, versteht es Hugo aber sehr geschickt, Esters Hoffnung wiederholt neue Nahrung zu geben. Man kann ihm nicht vorwerfen, dass er sie nicht liebt, offenbar überhaupt nicht zur Liebe fähig ist, aber man darf ihm vorwerfen, dass er ihr stets gerade so viel Aufmerksamkeit schenkt, wie notwendig ist, um ihre hingebungsvolle Liebe am Leben zu erhalten, statt aufrichtig und offen zu sein. Und so hofft Ester weiterhin, erniedrigt sich immer wieder, aber für sie ist es keine Erniedrigung, denn in ihrer Welt, in ihrem System, ist das Leiden an und das Kämpfen für die Liebe eine noble Sache. Sie glaubt, dass sie nur lange und intensiv genug leiden muss, um sich Hugos Liebe zu verdienen. Als Leser ist man häufig versucht, in den Freundinnenchor einzustimmen, der unablässig versucht, sie zu Vernunft zu bringen, aber jeder, der schon in Esters Situation war, weiß, wie hilflos man der Liebe ausgeliefert sein kann und Liebe ein Phänomen ist, dem mit Rationalität und gutgemeinten Ratschlägen nicht beizukommen ist. Der Roman 'Widerrechliche Inbesitznahme' ist eine präzise Analyse der Welt, in der unglücklich Verliebte leben und die einer eigenen Logik folgt. Gekonnt, erbarmungslos und völlig jenseits von Romantik und Kitsch seziert die Autorin die verborgenen Winkel menschlichen Fühlens und Liebens. Jeder, der schon verliebt war und das zweifelhafte Vergnügen hatte, dabei ausgerechnet an einen egozentrischen Narzissten wie Hugo geraten zu sein, wird sich in diesem Buch wiederfinden. Ein wunderbarer und intelligenter Roman über das Unglück der Liebe, Selbstbetrug, Autonomieverlust und die zerstörerische Kraft der Hoffnung.

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Inhalt Die 31jährige Ester Nilsson ist Dichterin und schreibt Essays. Als sie den Auftrag erhält, den Künstler Hugo Rask zu porträtieren, nimmt ihr Leben eine entscheidende Wende. Die vernünftige junge Frau, die ihre Umgebung ganz genau wahrnimmt und diese Genauigkeit in der Sprache sucht, wandelt sich zu einer vor Liebe blinden Frau, die sich weigert die Realität anzuerkennen. Während sie ihren Vortrag über den Künstler schreibt, fühlt sie eine Verwandschaft mit ihm. Nach der Begegnung mit Hugo Rask, der angetan ist vom Vortrag Esters, steigert sich ihre Sehnsucht nach ihm und sie treffen sich regelmäßig. Sie beendet schließlich ihre Beziehung, um sich ganz dem Künstler zu verschreiben, der sie jedoch offenkundig nicht liebt und mit einer anderen Frau liiert ist. Jedes Mal, wenn es Ester fast gelingt, sich von ihm zu befreien, wirft er ihr einen "Knochen" hin, um sich ihrer erneuten Hingabe zu versichern und ihrer Hoffnung neue Nahrung zu geben. Hugo Rask ist ein Narzisst, was Ester jedoch vehement vor sich und ihrem Freundinnenchor leugnet. Anstatt ihr deutlich zu sagen, dass es keine Hoffnung für sie beide gibt, nährt er diese immer wieder mit beiläufigen Bemerkungen. Bewertung Die Geschichte an sich ist nichts Neues - sensationell ist jedoch die lakonische Sprache, die mit wenigen Worten die Gefühlswelt Esters einfängt und uns ihre Blindheit vor Augen führt. Erzählt wird zwar aus der personalen Perspektive Esters, aber aufgrund der Sie-Form und dem Fokus auf Esters Reflektionen, baut sich eine wohltuende Distanz zum Geschehen auf, so dass man einen mehr oder weniger objektiven Blick auf ihre Besessenheit werfen kann. Gerade weil man nicht mit Ester miterlebt, sondern ihren Leidensweg von außen betrachtet, kann man über ihre durchaus intellektuellen Erklärungsansätze lächeln. Der Roman entlarvt Esters "widerrechtliche Inbesitznahme" des geliebten Individuums als nicht berechtigt. Gleichzeitig verurteilt er implizit Hugos Verhalten, der mit seinem narzisstischen Wunsch nach Verehrung, Esters Hoffnung nährt. Diese Distanz und die philosophischen Betrachtungen machen den Roman in meinen Augen zu etwas Besonderem. Ein wunderbarer "Liebesroman", der die Mechanismen von Besessenheit und der immer wieder aufkeimenden Hoffnung einer Verschmähten sprachlich seziert.

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Lena Anderson ist mit “Widerrechtliche Inbesitznahme” ein wunderbar intelligentes Buch über eine intellektuelle Frau, die Liebe im Allgemeinen und im Besonderen gelungen, welches auf sprachlich hohem Niveau fasziniert und dank Wertungsfreiheit auch ab und an lächeln lässt. Mit Sicherheit ein Buch, welches bei wiederholtem Lesen neue Facetten bietet. Ester ist eine sympathische Protagonistin, hochintelligent, gebildet, als Dichterin von, mit und durch Sprache lebend, analytisch und reflektiert. Sie hat ihr Leben im Griff, bis sie Hugo Rask begegnet und sich Hals über Kopf in ihn verliebt. Sie verliebt sich in den Künstler – die Idee, dass selbiger und der Mensch dahinter nicht unbedingt eine Personalunion bilden, kommt ihr nicht und liegt sicher auch anfänglichen außerhalb ihrer Wahrnehmungsfähigkeit. Ester selbst ist absolut und unbedingt, beseelt von der Suche nach Wahrhaftigkeit: diesen hohen Anspruch hat sie auch an andere Menschen. In diesem Buch passiert nicht viel: ein paar Treffen zwischen Hugo und Ester nach dem Vortrag von ihr und nachdem sie von einer Freundin die Gelegenheit für ein in der Presse veröffentlichtes Interview mit ihm erhalten hat und ihn deshalb aufsucht. Diese Treffen sind zwar intensiv und inhaltsschwer: es geht um Kunst, Philosophie, Wissenschaft und Weltanschauung. Sie sind aber letztendlich auch sehr einseitig: Zitata “Jedes Mal, wenn sie etwas kommentierte, kehrte Stille ein. Hugo bezog sich nie auf das, was Ester gesagt hatte. Ester bezog sich immer auf das, was Hugo gesagt hatte. Sie interessierten sich beide nicht sonderlich für Ester, aber sie interessierten sich beide sehr für Hugo.” Und während Ester bereits lichterloh brennt, bekommt der Leser schon eine Ahnung, in welche Kategorie Mann Hugo gehört: Zitat:»Man sollte sich davor hüten, Gefühle zu schildern«, sagte Hugo. »Es geht doch immer nur darum, das Gegenüber so zu manipulieren, dass es das empfindet, was man es empfinden lassen will. Und das geschieht nicht, indem man die Gefühle zeigt, sondern indem man sie hervorruft. Was ganz andere Mittel erfordert.« Ester flirtet nicht unter Einsatz typischer weiblicher Reize, Ester flirtet mit Sprache und Intellekt, jedes ihrer intensiven Gespräche ist für sie “erotisch aufgeladen”. Hugo ist und bleibt zwischenmenschlich unverbindlich. Und nach dreimaliger sexueller Begegnung war`s das dann für ihn. So wenig Lena Andersson auch über Hugo schreibt, so deutlich kann der Leser genau das spüren. Auch Ester spürt das, nur will sie es nicht wahr haben. Zitat: "Zwischen ihnen herrschte eine absolute Kontaktlosigkeit, eine unbehagliche Entfremdung. Er saß neben ihr in einem öffentlichen Lokal, verleugnete sie also nicht. Er frühstückte mit ihr, wenn auch kärglich, am Morgen danach. Das hätte also ein Fortschritt sein müssen. Aber sie waren Fremde füreinander. Diese Begegnung war nur eine Form. Ihr fehlte der Inhalt, und sie war deshalb bis zum Bersten gefüllt mit einem anderen Inhalt." "Sie hatten in dem Moment, in dem ihre Körper einander berührten, aufgehört zu sprechen. Die Liebe braucht Wörter. Für einen kurzen Moment kann man dem wortlosen Gefühl vertrauen. Aber auf Dauer gibt es keine Liebe ohne Worte und keine Liebe mit nur Worten. Die Liebe ist eine hungrige Bestie. Sie lebt von Berührung, wiederholten Versicherungen und dem Auge, das in ein anderes Auge schaut." Im Folgenden wird Esters Odyssee mit der rosaroten Liebesbrille beschrieben und zwar so gekonnt und fein nuanciert, dass es jedem Leser/in möglich ist, der schon mal unglücklich verliebt war, eine Stelle zu finden, an der er sich wieder erkennt. Und genau an diesen Stellen zaubert Lena Andersson uns ein Lächeln ins Gesicht, obwohl wir ansonsten schon mit Ester mitleiden oder uns zumindest gut in sie hinein versetzen können. Immer und immer wieder blockiert sie den eigenen Erkenntnisprozess, immer und immer wieder analysiert sie en Detail mit scharfem Verstand das eigene Fehlverhalten, nur um sich unmittelbar nach der Erkenntnis bewusst wieder falsch zu verhalten. Sie WILL diese Liebe, sie WILL die Beziehung mit diesen Menschen, den sie eigentlich wegen seiner Unverbindlichkeit und Rückgradlosigkeit zutiefst verachtet. Hugo Rask ist es nicht einmal in der direkten Auseinandersetzung, die von Ester mehrfach zu endgültiger Klärung gesucht wird, möglich, eindeutig Stellung zu beziehen. Ester könnte mit einem klar ausgesprochenen “nein” einen Schlussstrich ziehen, Hugo vermeidet dieses klare “nein”, für ihn ist Ester Projektionsfläche. Sie muss sich alleine quälen, denn auch der mahnende “Freundinnenchor” verkündigt ihr doch nur, was sie längst weiß. Zitat: "Folgendes hatte Ester Nilsson klar vor Augen: Hugo Rask schuldete ihr keine Liebe. Es gab kein Recht darauf, geliebt zu werden. Es gehörte zu einer einengenden Ehrenkultur, dass man Verpflichtungen erwarb, wenn man eine Frau umwarb oder mit ihr schlief, und noch mehr, wenn man nach dem ersten Beischlaf noch zu zwei weiteren Nächten in fleischlicher Gemeinschaft zurückkehrte. Und doch argumentierte sie auf diese Weise. Klar und deutlich sah sie, dass ihre Logik so funktionierte. Floh sie in eine alte und für ihr Ziel besonders untaugliche Geschlechterrolle, um mit ihrer Enttäuschung fertigzuwerden? Sollte sie nicht erhaben sein über diese törichten alten Vorstellungen von den männlichen Verpflichtungen gegenüber dem schwachen Geschlecht?" Ein langer Weg für Ester, großartig beschrieben von Lena Andersson. Ich habe mir noch nie so viel Leseeindrücke angestrichen wie in diesem Buch. Fazit: ein großartiges Buch über Liebe, Hoffnung und Menschsein, absolut empfehlenswert!

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"Seit Ester Nilsson mit achtzehn Jahren begriffen hatte, dass es im Leben darum geht, die Traurigkeit zu verjagen, und seit sie zu diesem Zweck auf eigene Faust Sprache und Ideen entwickelt hatte, hatte sie sich im Leben nie mehr unwohl gefühlt, war kaum je einmal niedergeschlagen gewesen, Sie arbeitete stetig an der Entzifferung der Welt und der Beschaffenheit der Menschen." Das alles ändert sich schlagartig, als Ester den Auftrag bekommt einen Vortrag über den Künstler Hugo Rusk zu halten. Ester ist 31, freie Autorin, eine kluge, gebildete Frau und mit ihrer Arbeit recht erfolgreich. Sie lebt in Stockholm in einer wenig aufregenden, aber harmonischen Beziehung mit Per. Als sie an dem Vortrag über Hugo Rusk, einem charismatischen, sehr bekanntem bildenden Künstler schreibt, versenkt sie sich tiefer als gewohnt in dessen Werke und beginnt sich ein eigenes Bild von ihm zu machen. Ester ist fasziniert. Der Vortrag wird ein Erfolg, sie begegnet Hugo persönlich, er ist begeistert von ihrem Vortrag und bietet ihr an, ihn doch einmal in seinem Atelier zu besuchen. Ester ist sofort vollkommen eingenommen und verliebt (und verliert) sich auf Anhieb. "Sie erinnerte sich vage, dass sie sich noch vor kurzer Zeit mit anderen Dingen beschäftigt hatte als mit ihren Gefühlen, sie hatte sich für die Welt interessiert, versucht, alles Mögliche zu lernen, und sich darüber gefreut, dass sie existierte. Jetzt versuchte sie nur zu begreifen, ob er sie wollte oder nicht." Die beiden treffen sich öfter, es entwickelt sich eine Beziehung, die zunächst geprägt ist von intensiven philosophischen Gesprächen über Kunst und Weltanschauung. Irgendwann landen sie auch im Bett. Ester lässt sich so stark auf Hugo ein, dass sie sich binnen kürzester Zeit soweit von ihrem bisherigen Partner entfernt, dass die Beziehung in die Brüche geht. "Jedes Mal, wenn sie etwas kommentierte, kehrte Stille ein. Hugo bezog sich nie auf das, was Ester gesagt hatte. Ester bezog sich immer auf das, was Hugo gesagt hatte. Sie interessierten sich beide nicht sonderlich für Ester, aber sie interessierten sich beide sehr für Hugo." Was sich nun entspinnt, ist der Wahnsinn einer unerfüllten Leidenschaft, einer einseitigen Liebe und zwar beeindruckend genau und auf hohem Niveau erzählt. Andersson schafft eine Atmosphäre, die den Leser derart in die Geschichte hineinzieht, dass er glaubt sie am eigenen Leibe zu erleben, alles zu verstehen, allen Schmerz, alle Höhenflüge und dennoch ständig eingreifen will, um die masslos Liebende vor dem absehbaren Abgrund zu bewahren. Das Warten, das Sehnen, das Hoffen. Das Buch hat sicher auch deshalb eine so starke Wirkung, weil wohl jeder etwas dergleichen schon erlebt hat. Der Freitag quälte sich dahin. Die üblichste Frage seit der Erfindung des Telefons könnte sein: Warum ruft er nicht an? Es war zwei, drei, vier Uhr, und er rief nicht an. Sie legte sich aufs Bett und las Majakowskis "Wolke in Hosen", weil er es als wichtig bezeichnet hatte. Der Titel war phantastisch, die Gedichte hatten ihre Vorzüge, aber vieles daran lies sie unberührt." Ester ist eine reflektierende Frau, die sich durchaus selbst durchschaut und dennoch nicht anders handeln kann. Den mahnenden Stimmen des "Freundinnenchores" zum Trotz verliert sie ihre Selbstbestimmtheit Hugo hingegen bleibt unabhängig, er leidet nicht, er zieht sich einfach zurück, ist Meister im Ausweichen, Verschweigen und Hoffnung schüren. "Sie hörte alles, was sie zu hören brauchte, um endlich zu verstehen, dass sie ihrer Wege gehen müsste und nie mehr über diesen Mann nachdenken dürfte. Aber sie konnte dieses Wissen nicht ihrem autonomischen Erkenntnissystem einverleiben. Es blieb auf einem äußerlichen Niveau, wo Ausflüchte sich davon ernähren, was gerade zu haben ist." Anderssons Buch wird getragen von den gekonnt geschilderten(auch inneren) Dialogen und der geschliffenen, genau analysierenden Sprache. Es ist einer der interessanteren und anspruchsvolleren Romane über die Liebe. Ein Buch, dass mich stark in seinen Bann gezogen hat! Sehr sehr empfehlenswert! Lena Andersson lebt als Autorin und Journalistin in Stockholm und hat für diesen Roman 2013 den renommiertesten Literaturpreis Schwedens erhalten.

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Thalia Deutschland GmbH & Co. KG

Von: Isabell Dröse aus Münster

10.07.2015

Ich habe es mit großer Begeisterung gelesen, in diesem Buch steckt einfach so viel... Wahrheit. So oft habe ich gedacht: "Ja, genauso war es auch bei mir" oder "Oh Gott, war das wirklich auch so bei mir?!", nach diesem Erlebnis hab ich den anderen Auszubildenden davon erzählt, das Buch macht seitdem bei uns die Runde, und jeder bringt irgendwie das gleiche Feedback zurück. "Es ist, als hätte mich und mein unglückliches Liebesleben von oben herab beobachtet und das in wunderbare Worte gefasst", hab ich zum Beispiel zu hören bekommen. Wir sind alle wirklich sehr begeistert und finden es schade, das dieses Buch medial so wenig Aufmerksamkeit bekommen hat. Also, um es nochmal zusammenzufassen: Wir sind alle hin und weg!

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