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Rezensionen zu
Die Unglückseligen

Thea Dorn

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Thea Dorn, 1970 in Frankfurt/M. geborene Schriftstellerin und TV-Moderatorin (von zumeist bücheraffinen Formaten), hat sich eines (nicht nur) deutschen Themas angenommen und es in die Jetzt-Zeit transferiert: das Faust-Thema, das Suchen nach der letzten Wahrheit, die Sehnsucht nach der Unsterblichkeit und die Bereitschaft, dafür seine Seele zu verkaufen. Unsterblichkeit – sie ist der Natur nicht unbekannt (auch wenn man strenggenommen nur von Langlebigkeit reden dürfte, denn niemand kann mit absoluter Sicherheit wissen, ob nicht morgen… oder spätestens, wenn sich die Sonne zum roten Riesen aufgebläht hat….), sie ist der Natur also nicht unbekannt, es gibt im Tierreich Spezies mit erstaunlichem Regenerationsvermögen für verlorene Gließmaßen, mit der Fähigkeit, alternde und sterbende Zellen durch neue zu ersetzen. Und auch – damit sind wie in media res – dieser seltsame Mensch, Mann, dem Johanna Mawet im Supermarkt begegnet und der in heller Panik vor ihr davon läuft, erzählt ihr, die ihn auf der Rückfahrt auf dem Highway herumirrend fast umfährt, eine seltsame, unglaubliche Geschichte. Dr. Johanna Mawet, Molekularbiologin, Genetikerin, ist auf der Suche nach Unsterblichkeit, bei dem Begriff bleiben wir jetzt einfach, dramatischer doch als Langlebigkeit klingt er… im Bedenkenland wollte man ihr ihre Forschung an Mäusen und Fischen und Menschenzellen nicht genehmigen, also ist sie nach God´s own country ausgewichen, an eins der renommiertesten Institute für derartige Vorhaben. Sie hat das fünfte Lebensjahrzehnt vor kurzem erst angefangen, ist hochintelligent, anstrengend, nervend, ehrgeizig, kompromisslos, zielorientiert mit Schwächen in der Sozialkompetenz. Und dieser heruntergekommene Mann, den sie in eine verdreckte, versiffte, vom Strom abgeklemmte Hütte irgendwo in den umliegenden Wäldern fährt? Nun, seiner Selbstauskunft nach ist Johann Wilhelm Ritter, geb. 1776 in Schlesien, (offiziell) gestorben 1810 in München. In der Periode zwischen diesen Daten einer der profilierten Physiker seiner Zeit, insbesondere die Elektrizität hatte es ihm angetan, das Galvanisieren. Bekannt mit Oerstedt, Goethe, von Humbold, Brentano, Herder, Schelling, Novalis…. kein Niemand also, jedoch: wir schreiben jetzt das Jahr 2010. Es besteht daher Klärungsbedarf…. Mithin also eher ein Irrer, ein Verwirrter, ein Freak? … andererseits ist da das unheimliche schnelle und vor allem gründliche Verheilen der selbst zugefügten Schussverletzung, der Widerspruch zwischen dem offensichtlichen Alter des Mannes und dem Ergebnis der molekularbiologischen Altersbestimmung… eine völlig unglaubwürdige Geschichte also, die ihr dieser der Körperhygiene deutlich abholde Mann auftischt, mit offen Fragen allerdings, die Mawet extrem reizen, insbesondere als sie sieht, wie sich an der Stelle des zu Demonstrationszwecken von Johann selbst abgetrennten Fingers alsbald ein Knubbel bildet, aus dem sich doch nicht etwa tatsächlich ein neuer, voll funktionsfähiger Finger entwickeln wird? Immer mehr gerät Johanna in den Bann der Geheimnisse dieses seltsamen Mannes und je mehr sie sich verfängt, desto stärker driftet sie aus ihren „eigentlich“ vorgezeichneten Bahnen als Wissenschaftlerin ab. Sie nimmt Johann bei sich auf, aber dieser ist oft störrisch, sperrt sich, kommt mit der neuen Situation nicht klar. Sie fallen auf, verlassen Amerika fluchtartig und Johanna kehrt mit ihm im Schlepptau an ihr Heimatinstitut zurück…. Die DNA-Sequenzierung der Ritterschen Gene ergibt Erstaunliches, hier offenbar liegt des Geheimnisses Lösung. Nur – wo liegt die Ursache dafür, welche Kräfte oder Einwirkungen haben das bedingt? Johanna ist schier besessen von dem Verlangen, das alles zu ergründen…. _________________ In den weit über 5oo Seiten des Romans schildert uns Dorn die Entwicklung, die Johanna Mawet von der menschlich vielleicht schwierigen, fachlich aber hochkompetenten Wissenschaftler in eine, ja: Besessene nimmt, die letztlich einem Wahn verfällt. Eine Frau, die die sterilen Räume der Wissenschaft verlassen hat, die Kollegen mit sexuellen Dienstleistungen für Gefälligkeiten „entlohnt“ und die zum Schluss bereit ist, mit dem Teufel zu paktieren: das Geheimnis der Unsterblichkeit zu ergründen erscheint ihr alles wert, ihr ist der Tod Todfeind, das Sterben eine unfassbare Dummheit der Natur. Ganz im Gegensatz dazu ist ihr Schützling, der nur langsam Vertrauen zu ihr gewinnt, anderer Meinung. Ihm, dem davon Ausgeschlossenen, deucht der Tod etwas Sinnvolles, hätte er die Möglichkeit, er würde ihn wählen…, vorbei die Zeiten, da er mit seinen Freunden einen Schwur getan, für immer jung zu bleiben und dem Alter zu trotzen. In zwei Zeit- und drei Handlungsebenen hat die Autorin ihre Geschichte gegliedert. Da sind zum einen die Epoche, in der der „historische“ Ritter lebte und die Jetztzeit mit Johann und Johanna. Auf der Ebene der Handlungen läßt sie ihre Figur „Ritter“ einmal in seiner historischen Zeit, aber natürlich auch in der Jetzt-Zeit erzählen, die Protagonisten selbstredend agiert nur in der Jetzt-Zeit. Diese Ebenen (sowohl was die Zeiten als auch die Handlungen angeht) wechseln sich häufig ab, Ritter versenkt sich oft in die Erinnerung an das in den letzten Jahrhunderten Erlebte, bevor er wieder auftaucht oder durch Johanna in die Gegenwart zurückgeholt wird. Mit der Figur des „historischen“ Ritter gibt Dorn im Lauf der Seiten eine Art Einführung in die deutsche Romantik, Schwerpunkt: naturwissenschaftliche Forschung am Beispiel der Galvanistik. Einer Forschung, die wie auch die heutige Physik die Suche nach der Einheit (der „Formel für alles“), sprich: dem Zurückführen auf oder Ableiten von einem Urgrund, etwas, das der historische Ritter in seiner weit ausholenden Sprache „All-Thier“ nannte [vgl. dazu bei Interesse den Aufsatz von Daiber in 2b]. Die Figuren ‚historischer Ritter‘ und ‚Mawet‘ (der Name ist von Dorn mit Bedacht gewählt] sind sich in vielem ähnlich. Auf der Suche nach Erkenntnis achten sie ihre eigene Gesundheit wenig, sind sie kompromisslos. Beide verachten den Tod, wo Ritter und seine Romantik-Freunde den Schwur ablegen, sich angesichts des ersten grauen Haares die Kugel zu geben [4], wettert Mawet ihrerseits gegen die Zumutung des Todes und nimmt (trotz ihres offensichtlich rationalen Ansatzes) an einem „Kongress der Immortalisten“ teil, auf dem die Vertreter esoterischer und pseudowissenschaftlicher Ansätze zur Lebensverlängerung in die Unendlichkeit ihre Parolen in die Masse der frenetischen Anhänger hinausposaunen. Beide Figuren, Ritter und Mawet, geraten durch ihre Forschung ins soziale Abseits, für Mawet geht die Analogie letztlich soweit, daß sie in personam versucht, unter Ritters Anleitung die Originalexperimente Ritters (äußerst quälende und schmerzhafte sind dies) an sich selbst vorzunehmen. Ist Ritter in seiner Zeit, der Romantik, schon neueren Entwicklungen verbunden, dem Drang, bis (quasi wörtlich) zur Besinnungslosigkeit zu experimentieren (womit er beispielsweise seinen Freund Goethe, der diese ‚Velofizierung‘ des Lebens bekanntermaßen ablehnend gegenüber stand, überforderte und förmlich ‚erschlug‘) ist Mawet Repräsentantin einer Naturwissenschaft, wie sie sich mittlerweile durchgesetzt hat, die sich nämlich voll und ganz auf die Ergebnisse von Experimenten stützt bzw. Theorien daran misst. Dies jedoch geht Ritter zu weit, hier ist er noch der Romantik verhaftet, das experimentelle Auseinandernehmen der Natur in immer kleinere Einheiten verhindert seiner Meinung nach den Blick für´s Ganze. Ihm eröffnet sich noch die Schönheit der Natur in der Betrachtung, während Johanna vor ihrem Laptop zu ergründen sucht, was die Welt im Innersten zusammenhält. Aber selbst Johanna muss anerkennen, daß gerade in der Molekularbiologie und Genetik die (mittlerweile vorhandenen) Kenntnisse des genetischen Codes vom Menschen, das Detailwissen also, allein noch nicht viel mehr aussagen, wie das Wissen, wie häufig jeder Buchstabe in einem Text vorkommt…. Die Molekulargenetik, die Gensequenzierung als Büchse der Pandora. Sie öffnet sich und Erkenntnisse (die ihrerseits jedoch wieder eine Unzahl neuer, ungelöster Fragen hervorrufen) fliegen heraus und am Boden sozusagen, als letztes, die Information, die alles ins Gegenteilige verkehrt, die die Frage stellt (oder hier, eben unerwartet die Antwort gibt): Will ich eigentlich wirklich alles wissen, will ich wissen, ob und mit welcher Wahrscheinlichkeit ich an Krebs, Alzheimer, Morbus dies oder das erkranke? Es ist die Janusköpfigkeit dieser Wissenschaft: ihr sind Ergebnisse a priori ohne Wertigkeit, die Wertigkeit, ob gut oder schlecht, ergibt sich erst in der Beurteilung durch den Forscher bzw. Betroffenen. Ohne die Gefahr einzugehen, auch das eigene vorbestimmte Verderben in den Genen zu finden, sind solche Sequenzierungen schlechterdings unmöglich. Das Fachgebiet der Genetik, der Molekularbiologie kommt nicht gut weg bei Dorn. Die Forscher, Kollegen von Mawet, sind mehr oder weniger freakig und sonderbar, haben sich der Entschlüsselung des letzten Geheimnisses des Lebens verschrieben in der Hybris, es damit beeinflussen und lenken zu können. Exponiertes Beispiel ist natürlich die Protagonistin selbst, die völlig rücksichtslos gegen sich und andere agiert – vorgeblich immer im Dienst ihrer Wissenschaft. _______________________ Ich habe bis jetzt eine dritte Person, die noch eine wichtige Rolle im Roman spielt, unterschlagen. Sie tritt nur als Stimme aus dem Off in Erscheinung, die die Ereignisse und Handlungen der beiden Hauptpersonen kommentiert. Sie scheint ihren eigenen Plan zu haben, scheint für beide, Johann und Johanna, bestimmte Rollen vorgesehen zu haben, speziell auf Johanna setzt diese Figur anscheinend große Hoffnungen. Hat sie die beiden zusammengeführt, Johann mit seiner Unsterblichkeit und Johanna, die auf der Suche nach diesem/dessen Geheimnis ist, auf daß sie es mit Hilfe Johanns lösen kann? Und was bezweckt dieser Geheimnisvolle, der sich hinter dieser Stimme verbirgt, damit? Ich will verraten es hier nicht, nur soviel: es ist letztlich ein VAter/Sohn – Konflikt, der sich hier zeigt…. ______________________ Der Mensch will sich den Göttern ebenbürtig machen, will ihnen Konkurrenz machen und verschreibt dafür dem Teufel seine Seele. Er löst sich mit diesem Vorhaben aus der Demut des Mittelalters und kommt um in der Hochmut und der Hybris, der er verfällt. Ein Stoff, dieser Faustmythos, der nicht erst mit, aber in Deutschland natürlich in hervorstechender Weise durch Goethe allgemein bekannt worden ist. Dorn hat ihn hier in die Gegenwart transferiert, die mit ihrer genetischen Forschung in der Tat in die Wirkungssphäre der „Götter“ hineinragt, das Leben an sich zu beeinflussen, ja, gar zu schaffen. Es wäre sicherlich sehr interessant, Dorns Roman daraufhin näher anzusehen, was sich vom Goeth´schen Faust in ihm wiederfindet – allein, dazu bräuchte ich detaillierte Kenntnisse der Tragödie. Die Szene, die beim Olympier in Auerbachs Keller spielt, verlegt Dorn beispielsweise in eine amerikanische Bar, Philemon und Baucis haben ihren Auftritt auch bei Dorn und anstatt Hexensabbat gibt es eine veritable Teufelsanrufung. Der Otter fehlt, die Fledermaus ist da – mit ansehnlichen Sprachkenntnissen und einem gerüttelt Maß an Neugier und daß sowohl Faust als auch Mawet endlich scheitern und sie ein ähnlich Schicksal sie ereilt, verwundert nicht… Man sieht, es wird etwas geboten, bei Goethe schon und auch bei Dorn. Mit der Figur des Ritter begegnet Dorn ein Problem, das im Lauf der Handlung für die Glaubwürdigkeit der Gestalt etwas abträglich ist. Ritter ist als Unsterblicher nicht vom Himmel gefallen, er hat über zweihundert Jahre auf der Erde verbracht, hat im 2. Weltkrieg auf Seiten der Amerikaner gekämpft, ist 1940 nach Amerika gekommen und hat dort gute sechzig Jahre gelebt oder – wie es an einer Stelle gesagt wird, in den Wäldern (und den Armen diverser einsamer Frauen, bei denen er unterschlopf) vor sich hingedämmert. Wenig glaubhaft wirkt es trotzdem, daß ein großer Teil der technologischen Entwicklung an ihm vorbei gegangen sein soll, ihm Gerätschaften wie Laptops anscheinend unbekannt sind und er sie als Teufelszeug ansieht und – etwas albern scheint mir – in den Nutzern von Geräten mit den Logo des angebissenen Apfels einen Geheimbund vermutet, den Apfelbund. Thea Dorn, wie gesagt, bietet etwas für´s Geld, gute Unterhaltung nämlich. An einigen wenigen Stellen „wagt“ sie tastend Ungewohntes, schiebt beispielsweise eine Seite mit Sprechblasen ein oder die Kopie eines alten Medizinbuches (und unterstellt, man könne heutzutage keine Fraktur mehr lesen….). Die Sprache, in der sie ihren Ritter sprechen läßt, ist altherthümlich, nachempfunden der, die man zu „seiner“ Zeit sprach, auch wenn dies hin und wieder wie Yoda-Sprech klingt, ist es eine Hilfe, die diversen Zeit- und Handlungsebenen auseinander zu halten. Immer wieder sind Dialoge oder Exkurse in die Handlung eingestreut, die sich mit Philosophischem, Zeitgeschichtlichem, Historischem oder auch Wissenschaftlichem befassen und selbstverständlich – eine love story ist inclusive. Daß diese nicht glücklich ausgehen kann, wir kennen es schon seit altersher von Eos und Tithonos, selbst (um in neuere Zeiten über zu wechseln) der Highlander hatte darunter zu leiden…. Sicher taucht die Frage auf, inwieweit ein Charakter wie Johanna Mawet realistisch ist. Ihre Persönlichkeit unterliegt im Verlauf nur weniger Monate einem radikalen Wandel von der rationalen, ziel- und ergebnisorientierten Naturwissenschaftlerin hin zu einer einem Wahn verfallenen Frau, die unter völliger Verwandlung ihrer Persönlichkeit Erlösung letztlich nur noch im Radikalsten finden kann. Mawet scheint mir die ultimative Kritik der Autorin an dieser Wissenschaft, Dorn läßt sie – ganz physisch gemeint – in gewisser Weise an ihrem Forschungsobjekt, etwas Unsterblichem, nicht nur scheitern, sondern sterben. Daß man beim Lesen selbst sich Gedanken macht über die Frage, ob man – hätte man die Wahl – Unsterblichkeit (oder auch nur eine verlängerte Lebenszeit) wünschen würde, liegt auf der Hand….. Der Plan des Dritten im Bunde, der die Stimme aus dem Off gibt, und der alle Hoffnung auf Johanna Mawet setzte, geht daher nicht auf. Aber Dorn gibt im letzten großen Auftritt dieser Figur eine hübsche Umdeutung der allbekannten Geschichte von der Erschaffung der Welt, der der Menschen und dem Abfall des Cherubs, der von da an der Luzifer genannt wurde von Gott, mit der sie den „Plan“, in dem Ritter und Mawet nur die Kandidaten waren, in etwas Größeres, Großes, einbettet. Die Unglückseligen ist also, fasst man alles zusammen, ein kurzweiliger, intelligenter Roman, der eine Menge an Informationen über die verschiedensten Dinge transportiert. Sicher gehen diese nicht in die Tiefe, es ist ja auch kein Sachbuch, aber sie reissen Probleme und Fragestellung so deutlich an, daß man sie gut als Ausgangspunkt für eigenen Gedanken nehmen kann. Daß man außerdem noch eine Ahnung bekommt über das Leben von vor über zweihundert Jahren und die Tragik eines Wissenschaftlerlebens seinerzeit, sei nicht unerwähnt. Facit: der Roman bietet beste Unterhaltung auf hohem Niveau. (Zusatzinfos zur Besprechung sind unter dem obigen Link einsehbar)

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Johanna Mawet ist Molekularbiologin. Sie forscht an Mäusen und Zebrafischen um unsterbliche Zellen zu erschaffen. Als sie während eines Forschungaufenthalts in Amerika über den merkwürdig alterslosen und verschrobenen Johann stolpert, soll sich ihr Leben völlig verändern. Erst findet sie ihn einfach nur schrecklich, aber umso länger sie ihn um sich hat umso abstruser wird es. Johann eröffnet ihr, dass er der Physiker Johann Wilhelm Ritter sein... geboren im Jahre 1776. Und das soll eine Naturwissenschaftlerin glauben? Um Sich und Johann zu beweisen, dass das nicht sein kann, lässt sie seine DNA untersuchen. Also aber Johannas Kollegen misstrauisch werden, flüchten die beiden nach Deutschland.... Wo soll ich hier anfangen? In der ersten Viertelstunde des Hörens war einer meiner Hauptgedanken: "ICH Unglückselige! Dieses Hörbuch geht gar nicht..." ABER dann hatte ich mich an den besonderen Stil gewöhnt und war völlig fasziniert! Die Sprache erinnert an "Faust"bzw an meine Schullektüre "Romeo und Julia" Es gibt Abschnitte mit medizinischen Hintergrundinfos (spannend!) und auch historischen Begebenheiten. Aber besonders die zwischenmenschliche Komponente ist so fein ausgearbeitet! Johanna wie auch Johann sind mir extrem ans Herz gewachsen. Selten habe ich so mitgefiebert. Das Ende war buchstäblich bis zum Ende des Hörbuchs unklar. Hach ich verfalle ins Schwärmen... Nicht vergessen möchte ich hier die grandiose Leistung von Bibiana Beglau. Ihre Stimme unterstreicht diese Geschichte ganz wunderbar und macht sie lebendig! Um es ganz klar zu sagen: sie hat mich echt umgehauen! Wahnsinn! Dieses Hörbuch liebt man, oder hasst es.. Eine Zwischenmeinung kann ich mir hier nicht vorstellen. Ich gehöre der ersten Gruppe an und bin wahnsinnig froh, dass ich dieses Hörbuch ausgewählt habe. Um ein ganz kurzes Fazit abzugeben: Dieses Hörbuch ist nicht einfach - aber für mich grandiose Literatur! Wer also die altertümliche Sprache mag, sich auf etwas ganz Neues einlassen mag und/oder Interesse an Medizinischem hat, ist hier super aufgehoben. Ich werde mir diese fast 19 Stunden Hörgenuss definitiv noch öfter gönnen.

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Dieses Buch ist vieles zugleich, ein Fauststoff in seiner Suche nach Unsterblichkeit, und eine Zeitreise, die einen Wissenschaftler des 17. Jahrhunderts ins Hier und Heute versetzt, ein Historischer Roman, der mit Erinnerungen und Schriftquellen in die Vergangenheit führt, und ein Wissenschaftsthriller, der seine Leser mit Theorien und Experimenten konfrontiert. Angereichert mit Fragen nach Sinn und Sein, mit Religionskritik und voll subtiler Ironie komponiert Thea Dorn diese Zutaten zu ihrem neuen Roman „Die Unglückseligen“. Spannend ist bereits der Beginn, wo der Zufall die beiden Hauptfiguren zweimal zusammen bringt. An der Kasse eines Supermarkts und am Seitenstreifen einer Autobahn trifft Johanna Mawet, eine deutsche Molekularbiologin, die in einem Institut an der amerikanischen Ostküste forscht, auf einen komischen Kautz im Hawaiihemd, der sich bald als der 1776 geborene Physiker Johann Wilhelm Ritter entpuppt. Diese überraschende Identität des noch nicht Verstorbenen wäre der Forscherin verborgen geblieben, käme ihr nicht abermals der Zufall zur Hilfe. Sie vermisst ihren Pass und kehrt zu der Hütte im Wald zurück, wo sie Ritter am Vortag absetzte. Dort findet sie ihn von einem Schuss schwer verletzt und beschließt Ritter, der sich jeder ärztlichen Hilfe verweigert, zu pflegen. In den folgenden Tagen fällt ihr nicht nur die wunderliche Ausdrucksweise ihres Patienten auf, sondern auch andere ungewöhnliche Merkmale, wie fehlende Altersflecken und der Gegensatz von weißer Körperbehaarung und schwarzem Haupthaar. Beweisen sie tatsächlich sein Geständnis, er sei über 200 Jahre alt? Das Forscherinteresse von Johanna Mawet ist geweckt. Es gilt dem Verzögern von Alterungsprozessen, was sie bisher mit biotechnologischen Manipulationen am Erbgut von Mäusen und Fischen untersucht hatte. Wenn dieser Physiker aus dem 18. Jahrhundert tatsächlich regenerative Zellen besäße, würde Johanna dann bald Ritter-Mäuse anstatt Zebrafisch-Mäuse züchten? Oder könnte gar sie selbst davon profitieren? Auf der Suche nach der Unsterblichkeitssubstanz lässt sie Ritters Genom analysieren und löst dadurch unvorhersehbare Ereignisse aus. Soweit der spannende Plot, der dem 550 Seiten umfassenden Roman zugrunde liegt. Dieser besteht aus zwei Teilen, und wird von einem Vorspiel, Zwischenspiel und Nachspiel umfasst, die dem Teufel als Bühne dienen. In direkter Ansprache wendet er sich dort an die Leser wie an die Hauptfiguren, deren Treiben er auch in der eigentlichen Romanhandlung gerne kommentierend unterbricht. Ergänzt wird dies zudem durch Texte verschiedenster Art. Darunter finden sich Liedtexte und Verse, ein Lehrbuch der Militärchirurgie, ein utopisches Drama und eine Kindergeschichte, das Protokoll eines Experiments und ein Exorzismus-Bericht. Beim letztgenannten Text, dem Brief des Justinus Kerner an Pfarrer Blumhardt handelt es sich um eine authentische Quelle, ebenso wie die von Ritter verfassten „Fragmente aus dem Nachlass eines jungen Physikers“. Beide hat Thea Dorn in Auszügen in ihren Roman übernommen. Zudem verweist sie mit Zitaten und Zeichen auf Autoren wie Goethe, Tennessee Williams, Lewitscharoff oder den Comic-Helden Werner. Zwischen dieser auch sprachlichen Vielfalt setzt die Autorin ihre beiden Helden Johanna Mawet und Johann Wilhelm Ritter. Ein Paar, das bald mehr eint als unterscheidet. Unerschrocken forschen sie nach der Essenz der Unsterblichkeit, wobei Mawet, die nach dem hebräischen Todesdämon benannt ist, sie erlangen und der unsterbliche Ritter sie überwinden möchte. An den Geschicken der Beiden diskutiert Dorn nicht nur diese gegensätzliche Position, sondern zugleich das Dilemma der Wissenschaft zwischen Forschung und Verantwortung. Soll alles, was möglich ist, auch machbar sein? Das historische Vorbild ihrer Figur, jener Johann Wilhelm Ritter wurde 1776 in Schlesien geboren und starb 1810. Als angesehener Naturforscher seiner Zeit war er mit Goethe, Schlegel und Herder bekannt. Thea Dorn entdeckte ihn, laut einem Interview in ihrer „alten“ Literatursendung „Lesenswert“, durch den Hinweis eines Archivars. Sie studierte Ritters Schrift und ließ sich von seinen Thesen und seiner Sprache inspirieren. Wie in den authentischen Quellen, bleibt diese auch im größten Teil der fiktiven Texte dem 18. Jahrhundert verhaftet. Auch die Sprache der Figur Ritter klingt altertümlich und daher ungewohnt. Daneben stehen in Bayrisch, Schwäbisch und Schlesisch gehaltene Passagen. Doch man liest sich ein und freut sich dann an Dorns schönen Wortschöpfungen, wie Laborratenrudel für die kleine Forschergruppe des Instituts oder Schoßauf für einen Laptop, der auch gerne als Apfelkasten betitelt wird. Auch aktuelle Bezüge greift die Autorin auf. Mit Ironie führt sie die Auswüchse von Selbstoptimierung und Fitnesswahn beim Kongress der Immortalisten vor. Wie Kirche und Religion sich Tod und Teufel zu Diensten machen, davon liest man ebenfalls in diesem Roman, der in seiner schönsten Szene den Teufel selbst als Whistleblower zeigt. Es lohnt sich also dran zu bleiben, auch wenn die Spannung der handlungsstarken Passagen bisweilen durch die Ergründung tiefsinniger Fragen verzögert wird. Doch wer behauptet, daß eine Lektüre, zumal eine gewinnbringende, nicht herausfordern darf?

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WOW

Von: HEIDIZ

19.04.2016

Die Molekularbiologin Johanna Mawet (aus Deutschland stammend) erforscht Zebrafische, um die Unsterblichkeit von Zellen zu begreifen. Während sie für einen Forschungsaufenthalt an der Ostküste USA weilt, lernt sie einen Mann kenn. Er ist mysteriös, er ist alterslos …. Bald erfährt Johanna, dass er der geborene Sohn eines Pfarrers und Physiker Johann Wilhelm Ritter ist, der 1776 geboren wurde. Johanna lebt im Heute – kann das stimmen, was dieser Ritter sagt? Seine DNA soll beweisen, ob er wirklich unsterblich ist, wie er behauptet. Er soll doch schon 1810 gestorben sein. Die beiden gehen nach Deutschland, um unentdeckt zu bleiben … Ritter möchte nur sterben, dabei kann Johanne ihm helfen. Die Biomedizin ist der sachliche Hintergrund der fiktiv spannenden Geschichte, die die Autorin perfekt inszeniert hat. Im Buch wird sogar der Mythos Faust neu gesehen und Sagenhaftes verarbeitet - werden das Leben und der Tod thematisiert – Menschheitsfragen, von jeher die Welt bewegten und bewegen. Eine Liebesgeschichte, die in die wissenschaftliche eingewoben ist, macht das Buch authentisch und abwechslungsreich kurzweilig zu lesen. Es passt sich alles perfekt aneinander an. Die Geschichte ist anspruchsvoll – mal nicht so nebenbei zu lesen – was ich nicht negativ bemerke, sondern im Gegenteil. • Gebundene Ausgabe: 560 Seiten • Verlag: Albrecht Knaus Verlag (26. Februar 2016) • Sprache: Deutsch • ISBN-10: 3813505987 • ISBN-13: 978-3813505986 • Größe und/oder Gewicht: 14,1 x 4,5 x 22,1 cm PREIS: 24,99 Euro Leseprobe: ======== Und dann geht alles durcheinander: „I warn you! No“ You won´tdo this!“, droht der zerzauste Onkel schrill und stimmt ein wölfisch Heulen an. Senator Gilligan die Zunge schnalzt, zum Zeichen, dass auch er nicht länger ist zufrieden. … „Still“ Wir wollen Brutus hören!“ Erneut brachte sich der Lausbubenkopf in Positur: „Um meiner Sache willen hört mich …! … Das Buch ist mit einem edlen Lesebändchen versehen. Die Geschichte finde ich sehr geistreich und klug geschrieben, super konzipiert und spannend aufgebaut von Anfang bis Ende. Die Idee und deren Umsetzung finde ich sehr gelungen.

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Es war mir eine Freude dieses Buch zu lesen!

Von: Schwaetzchen aus Berlin

14.04.2016

Liebe, geschätzte Frau Dorn! Der Knaus -Verlag bewirbt Ihr Buch „Die Unglückseligen“ mit dem Ausruf: „Ein Fest der deutschen Sprache“. Ihre schwerwiegende Schrift in den noch schmerzenden Händen haltend, stimme ich diesem begeistert zu. Dennoch möchte ich Ihnen übermitteln: Es war mein Begehr nicht, nach Lektüre Ihres Werkes erfahren zu haben, mit welch Vokabular Ihr englischsprachig ausgestatteter Protagonist unflätig sein ihm verhasstes Gegenüber anredet. Warum nicht gleich für die Landsleute der Autorin ein deftiges, deutliches,„Arschloch“ hindrucken lassen, wo es hingehört, da es im Kneipenmilieu ohnehin wenig zu schockieren vermag? Zu profan für das hochsprachliche Werk? Den Sinn der zweierlei Rede begreife ich wohl, allein, es müßigt mich und raubt dem Lesefluss die Wonne, da ich doch mehrmals die Lexika konsultieren muss. Aus der Unglückseligkeit über mangelnde fremdsprachliche Begabung einer Leserin dennoch ein herzliches Dankeswort für Ihren Roman! Schwaetzchen / https://twitter.com/Schwaetzchen Anno 2016, im April, den 14.

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Für die heutige Rezension habe ich wirklich etwas Anlauf gebraucht. Dieses Werk von Thea Dorn rezensiert sich für mich nicht so leicht, da es unglaublich komplex ist. So komplex, dass ich es mir sogar, nachdem ich das Buch gelesen hatte, noch das Hörbuch kaufte, um mir die Geschichte noch einmal vorlesen zu lassen. Doch der Reihe nach. Wie Ihr in meinen Monatsausblicken bereits gelesen habt, bin ich ein großer Thea Dorn-Fan seit ich 1999 von ihr “Die Hirnkönigin” las (was ich Euch ans Herz lege, sollte Ihr es noch nicht kennen). Als ich nun in der Vorschau des Knaus Verlag feststellen durfte, dass in diesem Frühjahr ein neuer Roman von Thea Dorn in die Buchhandlungen kommen wird, war ich mehr als angetan. Ich liebe es, wenn man stöbert, und dann feststellt, dass von einem Lieblingsautor, einer Lieblingsautorin ein neues Werk erscheinen wird. Zuletzt so gefreut hatte ich mich, als Marisha Pessls “Eine amerikanische Nacht” herauskam. Alleine das Cover des neuen Romans “Die Unglückseligen” ist ganz wundervoll! Ich möchte versuchen, Euch zusammenzufassen, um was es in dem Werk “Die Unglückseligen” geht. Die Molekularbiologin Johanna Mawet forscht an der Unsterblichkeit, hauptsächlich an den Zellen von Zebrafischen. Da ihr hier in Deutschland immer wieder Grenzen gesetzt sind, begibt sie sich zu einem Forschungsaufenthalt in die USA. Dort trifft sie auf Johann Wilhelm Ritter, Physiker, geboren 1776. Natürlich glaubt Johanna zunächst nicht, was er ihr da für eine Geschichte auftischt, doch ihre Zusammenkünfte geben immer wieder Hinweise darauf, dass es sich bei diesem merkwürdigen Mann tatsächlich um den Physiker aus dem 18. Jahrhundert handelt. Sie beginnt seine DNA zu erforschen, doch ihre amerikanischen Kollegen finden Johannas Arbeiten zunehmend besorgniserregend und werden mißtrauisch. Deshalb fliehen die beiden gemeinsam in das Land der Dichter und Denker, der schwarzen Romantik und der Wissenschaft – nach Deutschland. Neben dieser überaus spannenden Geschichte, ist es vor allem der Stil, in dem Thea Dorn schreibt, der mich an diesem Buch so faszinierte. Für jede Figur hat sie eine eigene Sprache gewählt. So schreibt sie, wenn wir mit Johanna Mawet in Kontakt sind in einem modernen Deutsch, wenn wir Johann Wilhelm Ritter begleiten in der Sprache des damaligen Jahrhunderts – und wenn der Teufel auf den Plan tritt, verwendete sie eine komplexe, rhythmische Sprache, die mich ähnlich in den Bann zu ziehen wusste, wie es Goehte mit seinem Mephisto schaffte. Als der Teufel erstmals auf den Plan tritt habe ich so gelacht! “Huch! Verehrter Leser! Da sind Sie ja! Ich habe Sie gar nicht bemerkt, verzeihen Sie!” Auf der Seite des Verlages habe ich ein wunderbares “Gespräch” mit der Autorin gefunden, das ich Euch nicht vorenthalten möchte. Dort beschreibt sie den Roman und die Sprache. Nehmt Euch ein wenig Zeit und schaut es Euch an. Gerade weil Thea Dorn dort selbst sagt, der Leser des Romans solle die Verse laut lesen, kam ich auf die Idee mir noch das Hörbuch zum Buch zu kaufen. Etwas, das ich normalerweise nie tue. Und welche eine Wucht ist diese Sprecherin?! Bibiana Beglau, geboren 1971, ist eine deutsche Schauspielerin, die 2014 als Schauspieler des Jahres von Theater heute ausgezeichnet wurde. Ich habe sie noch nie in einem Film oder auf der Bühne gesehen, bin mir aber nach dieser Lesung mehr als sicher, dass sie grandios sein muss. Eine bessere Wahl für die Sprecherin hätte es nicht geben können. Sie besticht durch eine enorme Bandbreite an stimmlich-emotionaler Darbietung. Ich kann mir vorstellen, dass Thea Dorn ähnlich begeistert über diese Wahl ist.

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Für die heutige Rezension habe ich wirklich etwas Anlauf gebraucht. Dieses Werk von Thea Dorn rezensiert sich für mich nicht so leicht, da es unglaublich komplex ist. So komplex, dass ich es mir sogar, nachdem ich das Buch gelesen hatte, noch das Hörbuch kaufte, um mir die Geschichte noch einmal vorlesen zu lassen. Doch der Reihe nach. Wie Ihr in meinen Monatsausblicken bereits gelesen habt, bin ich ein großer Thea Dorn-Fan seit ich 1999 von ihr “Die Hirnkönigin” las (was ich Euch ans Herz lege, sollte Ihr es noch nicht kennen). Als ich nun in der Vorschau des Knaus Verlag feststellen durfte, dass in diesem Frühjahr ein neuer Roman von Thea Dorn in die Buchhandlungen kommen wird, war ich mehr als angetan. Ich liebe es, wenn man stöbert, und dann feststellt, dass von einem Lieblingsautor, einer Lieblingsautorin ein neues Werk erscheinen wird. Zuletzt so gefreut hatte ich mich, als Marisha Pessls “Eine amerikanische Nacht” herauskam. Alleine das Cover des neuen Romans “Die Unglückseligen” ist ganz wundervoll! Ich möchte versuchen, Euch zusammenzufassen, um was es in dem Werk “Die Unglückseligen” geht. Die Molekularbiologin Johanna Mawet forscht an der Unsterblichkeit, hauptsächlich an den Zellen von Zebrafischen. Da ihr hier in Deutschland immer wieder Grenzen gesetzt sind, begibt sie sich zu einem Forschungsaufenthalt in die USA. Dort trifft sie auf Johann Wilhelm Ritter, Physiker, geboren 1776. Natürlich glaubt Johanna zunächst nicht, was er ihr da für eine Geschichte auftischt, doch ihre Zusammenkünfte geben immer wieder Hinweise darauf, dass es sich bei diesem merkwürdigen Mann tatsächlich um den Physiker aus dem 18. Jahrhundert handelt. Sie beginnt seine DNA zu erforschen, doch ihre amerikanischen Kollegen finden Johannas Arbeiten zunehmend besorgniserregend und werden mißtrauisch. Deshalb fliehen die beiden gemeinsam in das Land der Dichter und Denker, der schwarzen Romantik und der Wissenschaft – nach Deutschland. Neben dieser überaus spannenden Geschichte, ist es vor allem der Stil, in dem Thea Dorn schreibt, der mich an diesem Buch so faszinierte. Für jede Figur hat sie eine eigene Sprache gewählt. So schreibt sie, wenn wir mit Johanna Mawet in Kontakt sind in einem modernen Deutsch, wenn wir Johann Wilhelm Ritter begleiten in der Sprache des damaligen Jahrhunderts – und wenn der Teufel auf den Plan tritt, verwendete sie eine komplexe, rhythmische Sprache, die mich ähnlich in den Bann zu ziehen wusste, wie es Goehte mit seinem Mephisto schaffte. Als der Teufel erstmals auf den Plan tritt habe ich so gelacht! “Huch! Verehrter Leser! Da sind Sie ja! Ich habe Sie gar nicht bemerkt, verzeihen Sie!” Auf der Seite des Verlages habe ich ein wunderbares “Gespräch” mit der Autorin gefunden, das ich Euch nicht vorenthalten möchte. Dort beschreibt sie den Roman und die Sprache. Nehmt Euch ein wenig Zeit und schaut es Euch an. Gerade weil Thea Dorn dort selbst sagt, der Leser des Romans solle die Verse laut lesen, kam ich auf die Idee mir noch das Hörbuch zum Buch zu kaufen. Etwas, das ich normalerweise nie tue. Und welche eine Wucht ist diese Sprecherin?! Bibiana Beglau, geboren 1971, ist eine deutsche Schauspielerin, die 2014 als Schauspieler des Jahres von Theater heute ausgezeichnet wurde. Ich habe sie noch nie in einem Film oder auf der Bühne gesehen, bin mir aber nach dieser Lesung mehr als sicher, dass sie grandios sein muss. Eine bessere Wahl für die Sprecherin hätte es nicht geben können. Sie besticht durch eine enorme Bandbreite an stimmlich-emotionaler Darbietung. Ich kann mir vorstellen, dass Thea Dorn ähnlich begeistert über diese Wahl ist.

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Betrachtet man das Altern als Krankheit, so ist es eine Krankheit mit verheerender Bilanz: Eine Krankheit mit einer Erkrankungsrate von 100% und einer langfristigen Morbidität von ebenfalls 100%. Kurz gesagt: früher oder später erwischt’s uns alle. Für Dr. Johanna Mewet gibt es nichts wichtigeres, als dieser widersinnigen und trostlosen Spirale zu entfliehen. Die Molekularbiologin möchte ein Rezept gegen das Altern entwickeln. Wie passend, dass sie an der Supermarktkasse ausgerechnet Johann Wilhelm Ritter in die Arme läuft; Physiker, geboren im Jahr 1776 und höchst lebendig. Das Zusammentreffen dieser beiden (äußerst unterschiedlichen) Charaktere bringt Ereignisse in Gang, die irgendwo zwischen modernster Gentechnik und Fauststoff liegen. Diese wilde Mischung aus aktuellen, wissenschaftlichen Themen und klassischem Kammerstück hat mich wirklich begeistert. Anfangs war es durchaus ein Ringen, die Geschichte gibt sich nicht kampflos hin, hat man sich jedoch erst einmal in den eigenwilligen Erzählton und die absurden Entwicklungen eingelesen, will man immer mehr. Die Vielfalt die sprachlich und erzählerisch geboten wird, sucht wirklich ihres Gleichen. Im Großen und Ganzen wechseln nur zwei Perspektiven ab: die moderne, wissenschaftliche Sicht von Johanna steht im Kontrast zur klassischen, gottesorientierten Weltsicht Ritters. Neben diesen beiden Polen gibt es jedoch noch eine markante dritte Stimme: der Teufel kommt höchstselbst zu Wort. Die Abschnitte Ritters und des Teufels wirken recht verschlungen, wie aus einem alten Drama entnommen und zum Teil in Reimform gehalten. Der Teufel ist zudem mehr kommentierende Stimme, bringt Denkanstöße und neue Sichtweisen. Die Handlung bewegt sich nur in den Abschnitten Johannas und Ritters voran. Als wäre all das nicht genug, wird es noch ergänzt durch Einschübe in Form eines Theaterstückes, Beobachtungen einer Fledermaus und Auszüge aus Ritters Buch. Diese Vielfalt kann wohl schnell als „zu viel“ empfunden werden. Mir hat sie wunderbar gefallen. Allgemein glaube ich, dass „Die Unglückseligen“ die Leser schnell in absolute Begeisterung und absolute Abneigung aufspaltet. Die Handlung regt zum Denken an über (Un)Sterblichkeit, Lebensziele und die (engen) Grenzen der menschlichen Einsicht. Im Verlauf der Handlung werden die Grenzen der Logik mehrmals gedehnt, zum Teil gesprengt. Für mich las sich all das, wie ein irrer Fiebertraum einer ambitionierten Biologin. Insgesamt ergibt Thematik und Handlung (für mich) jedoch ein stimmiges und beeindruckendes Bild. Für mich ein Buch, dass definitiv im Kopf bleibt, zum Nachdenken anregt und ein besonderes Gefühl hinterlässt, 5 von 5 Sternen dafür. Nie war der Tapetenspruch „Carpe diem!“ so passend wie nach der Lektüre dieses Buches.

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