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Rezensionen zu
Die Unglückseligen

Thea Dorn

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Für die heutige Rezension habe ich wirklich etwas Anlauf gebraucht. Dieses Werk von Thea Dorn rezensiert sich für mich nicht so leicht, da es unglaublich komplex ist. So komplex, dass ich es mir sogar, nachdem ich das Buch gelesen hatte, noch das Hörbuch kaufte, um mir die Geschichte noch einmal vorlesen zu lassen. Doch der Reihe nach. Wie Ihr in meinen Monatsausblicken bereits gelesen habt, bin ich ein großer Thea Dorn-Fan seit ich 1999 von ihr “Die Hirnkönigin” las (was ich Euch ans Herz lege, sollte Ihr es noch nicht kennen). Als ich nun in der Vorschau des Knaus Verlag feststellen durfte, dass in diesem Frühjahr ein neuer Roman von Thea Dorn in die Buchhandlungen kommen wird, war ich mehr als angetan. Ich liebe es, wenn man stöbert, und dann feststellt, dass von einem Lieblingsautor, einer Lieblingsautorin ein neues Werk erscheinen wird. Zuletzt so gefreut hatte ich mich, als Marisha Pessls “Eine amerikanische Nacht” herauskam. Alleine das Cover des neuen Romans “Die Unglückseligen” ist ganz wundervoll! Ich möchte versuchen, Euch zusammenzufassen, um was es in dem Werk “Die Unglückseligen” geht. Die Molekularbiologin Johanna Mawet forscht an der Unsterblichkeit, hauptsächlich an den Zellen von Zebrafischen. Da ihr hier in Deutschland immer wieder Grenzen gesetzt sind, begibt sie sich zu einem Forschungsaufenthalt in die USA. Dort trifft sie auf Johann Wilhelm Ritter, Physiker, geboren 1776. Natürlich glaubt Johanna zunächst nicht, was er ihr da für eine Geschichte auftischt, doch ihre Zusammenkünfte geben immer wieder Hinweise darauf, dass es sich bei diesem merkwürdigen Mann tatsächlich um den Physiker aus dem 18. Jahrhundert handelt. Sie beginnt seine DNA zu erforschen, doch ihre amerikanischen Kollegen finden Johannas Arbeiten zunehmend besorgniserregend und werden mißtrauisch. Deshalb fliehen die beiden gemeinsam in das Land der Dichter und Denker, der schwarzen Romantik und der Wissenschaft – nach Deutschland. Neben dieser überaus spannenden Geschichte, ist es vor allem der Stil, in dem Thea Dorn schreibt, der mich an diesem Buch so faszinierte. Für jede Figur hat sie eine eigene Sprache gewählt. So schreibt sie, wenn wir mit Johanna Mawet in Kontakt sind in einem modernen Deutsch, wenn wir Johann Wilhelm Ritter begleiten in der Sprache des damaligen Jahrhunderts – und wenn der Teufel auf den Plan tritt, verwendete sie eine komplexe, rhythmische Sprache, die mich ähnlich in den Bann zu ziehen wusste, wie es Goehte mit seinem Mephisto schaffte. Als der Teufel erstmals auf den Plan tritt habe ich so gelacht! “Huch! Verehrter Leser! Da sind Sie ja! Ich habe Sie gar nicht bemerkt, verzeihen Sie!” Auf der Seite des Verlages habe ich ein wunderbares “Gespräch” mit der Autorin gefunden, das ich Euch nicht vorenthalten möchte. Dort beschreibt sie den Roman und die Sprache. Nehmt Euch ein wenig Zeit und schaut es Euch an. Gerade weil Thea Dorn dort selbst sagt, der Leser des Romans solle die Verse laut lesen, kam ich auf die Idee mir noch das Hörbuch zum Buch zu kaufen. Etwas, das ich normalerweise nie tue. Und welche eine Wucht ist diese Sprecherin?! Bibiana Beglau, geboren 1971, ist eine deutsche Schauspielerin, die 2014 als Schauspieler des Jahres von Theater heute ausgezeichnet wurde. Ich habe sie noch nie in einem Film oder auf der Bühne gesehen, bin mir aber nach dieser Lesung mehr als sicher, dass sie grandios sein muss. Eine bessere Wahl für die Sprecherin hätte es nicht geben können. Sie besticht durch eine enorme Bandbreite an stimmlich-emotionaler Darbietung. Ich kann mir vorstellen, dass Thea Dorn ähnlich begeistert über diese Wahl ist.

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Betrachtet man das Altern als Krankheit, so ist es eine Krankheit mit verheerender Bilanz: Eine Krankheit mit einer Erkrankungsrate von 100% und einer langfristigen Morbidität von ebenfalls 100%. Kurz gesagt: früher oder später erwischt’s uns alle. Für Dr. Johanna Mewet gibt es nichts wichtigeres, als dieser widersinnigen und trostlosen Spirale zu entfliehen. Die Molekularbiologin möchte ein Rezept gegen das Altern entwickeln. Wie passend, dass sie an der Supermarktkasse ausgerechnet Johann Wilhelm Ritter in die Arme läuft; Physiker, geboren im Jahr 1776 und höchst lebendig. Das Zusammentreffen dieser beiden (äußerst unterschiedlichen) Charaktere bringt Ereignisse in Gang, die irgendwo zwischen modernster Gentechnik und Fauststoff liegen. Diese wilde Mischung aus aktuellen, wissenschaftlichen Themen und klassischem Kammerstück hat mich wirklich begeistert. Anfangs war es durchaus ein Ringen, die Geschichte gibt sich nicht kampflos hin, hat man sich jedoch erst einmal in den eigenwilligen Erzählton und die absurden Entwicklungen eingelesen, will man immer mehr. Die Vielfalt die sprachlich und erzählerisch geboten wird, sucht wirklich ihres Gleichen. Im Großen und Ganzen wechseln nur zwei Perspektiven ab: die moderne, wissenschaftliche Sicht von Johanna steht im Kontrast zur klassischen, gottesorientierten Weltsicht Ritters. Neben diesen beiden Polen gibt es jedoch noch eine markante dritte Stimme: der Teufel kommt höchstselbst zu Wort. Die Abschnitte Ritters und des Teufels wirken recht verschlungen, wie aus einem alten Drama entnommen und zum Teil in Reimform gehalten. Der Teufel ist zudem mehr kommentierende Stimme, bringt Denkanstöße und neue Sichtweisen. Die Handlung bewegt sich nur in den Abschnitten Johannas und Ritters voran. Als wäre all das nicht genug, wird es noch ergänzt durch Einschübe in Form eines Theaterstückes, Beobachtungen einer Fledermaus und Auszüge aus Ritters Buch. Diese Vielfalt kann wohl schnell als „zu viel“ empfunden werden. Mir hat sie wunderbar gefallen. Allgemein glaube ich, dass „Die Unglückseligen“ die Leser schnell in absolute Begeisterung und absolute Abneigung aufspaltet. Die Handlung regt zum Denken an über (Un)Sterblichkeit, Lebensziele und die (engen) Grenzen der menschlichen Einsicht. Im Verlauf der Handlung werden die Grenzen der Logik mehrmals gedehnt, zum Teil gesprengt. Für mich las sich all das, wie ein irrer Fiebertraum einer ambitionierten Biologin. Insgesamt ergibt Thematik und Handlung (für mich) jedoch ein stimmiges und beeindruckendes Bild. Für mich ein Buch, dass definitiv im Kopf bleibt, zum Nachdenken anregt und ein besonderes Gefühl hinterlässt, 5 von 5 Sternen dafür. Nie war der Tapetenspruch „Carpe diem!“ so passend wie nach der Lektüre dieses Buches.

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Welch ein Höllentrip! An Einfallsreichtum mangelt es Thea Dorn jedenfalls nicht. Die Humangenetikerin Johanna Mawet forscht als Molekularbiologin über die Unsterblichkeit. Experimente mit Mäusen sind bereits erfolgreich, was eine Lebensdauerverlängerung angeht. Doch Johanna treibt es in Richtung Menschenexperiment. Eine lockerere Herangehensweise als das konservative Deutschland bietet da ein Institut in den USA und so zieht Johanna los, um im Land der unbegrenzten Möglichkeiten endlich den ersehnten Durchbruch zu schaffen. Kaum angekommen, begegnet sie einem merkwürdigen Typ, der in einer sehr altertümlichen Art und Weise Deutsch spricht. Es handelt sich um den Physiker Johann Wilhelm Ritter der im Jahre 1776 geboren wurde und der mit Brentano und Novalis bekannt war und selbst Goethe begegnet ist. Zu Zeiten forschte er über den Galvanismus und scheute auch vor Selbstexperimenten nicht zurück, starb allerdings (eigentlich) bereits 1810. In Thea Dorns Roman jedoch ist er unsterblich, selbst Selbsttötungsversuche scheitern, Wunden heilen wie von selbst, verlorene Gliedmaßen wachsen nach. So geistert er rastlos durch die Zeiten und ist mittlerweile todunglücklich, vor allem auch über die Entwicklung der Menschheit und wünscht sich nichts sehnlicher als zu Sterben. Während sich Ritter im Laufe ihrer Begegnungen in Johanna verliebt, betrachtet sie in als willkommenes Forschungsobjekt. Zunächst glaubt sie im kein Wort, dann lässt sie mit seinem Blut eine Genanalyse machen und stößt tatsächlich auf deutliche Abweichungen zur Norm. Die Kollegen im Institut werden jedoch schnell misstrauisch und so reist sie mit Ritter zurück nach Deutschland und hält ihn bei sich vor der Außenwelt versteckt. Johanna geht in ihrem Ehrgeiz so weit, von Ritter überwachte Selbstversuche mit Elektrizität zu machen, weil sie glaubt, dass das möglicherweise der Weg zur Unsterblichkeit ist. Danach startet sie auch für sich eine Genanalyse. Die Ergebnisse, die dabei herauskommen, lassen sie allerdings dann auch am Sinn der wissenschaftlichen Forschung (ver)zweifeln … Die Dispute der beiden Protagonisten sind köstlich und machen den Roman sehr kurzweilig, besonders auch aufgrund von Ritters, der deutschen Romantik gemäßen Sprache: Ritter, der bei allem Forschungsdrang auch zweifelt, die spirituelle Dimension sieht, an das Göttliche glaubt versus Johanna, die Nüchterne, die an nichts außer Verstand und Fortschritt glaubt. Und dann ist da noch die Stimme aus dem Off, die in Versen spricht – mags der Satan selbst sein? Auch an Spannung mangelt es nicht, denn wie kann solch eine haarsträubende Geschichte wohl ausgehen? “Blicken Sie sich um auf der Welt! Wie mögen Sie da ernstlich behaupten, der Mensch sei fortgeschritten auf dem Wege der Natur- und Selbsterlösung? Botschaften jagt ihr von einem Erdteil zum andren; ihr durchfliegt die Lüfte, durchmesst das Weltall, lasst die Nacht heller leuchten als den Tag – allein zu welchem Zwecke? Herrscht eine neue Harmonie, ein neues Glück? Nicht minder elend seh ich die Menschen denn zu meinen frühern Tagen.” Die Geschichte ist wirklich sehr schräg, gleichsam sehr besonders auch in ihrer Form. Ich habe sie mit großem Vergnügen gelesen. Es ist ein Pendeln zwischen deutscher Romantik (Ritter ist keine erfundene Figur) und heutiger aktueller Biowissenschaft. Und dem ewigen Konflikt zwischen Religion und Wissenschaft. Und der Frage: Ist Sterben sinnvoll, damit das Leben wertvoll ist? Gibt es Gott, der alles geschaffen hat oder ist alles Evolution? Was bringt es dem Menschen wirklich alles zu erforschen? Zerstört er sich damit selbst?

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Ein Meisterwerk!

Otto Harrassowitz Wiesbaden

Von: Ingo Noczynski aus Wiesbaden

27.02.2016

Deutsche Gegenwartsliteratur - oder die bohrende Frage so manchen Lesers: Wie lange noch immer dasselbe? Nichts Neues bringt sie hervor. Als Leser fühlt man sich da rasch gelangweilt. Doch Fortuna ward uns hold und schenkte uns vor wenigen Tagen den neuen Roman von Thea Dorn „Die Unglückseligen“. Ein Meisterwerk! Ich als ihr Leser, bin ihr dankbar, dass ich nicht leide, wenn ich sie lese. Ihr neuer Roman ist leicht, locker und graziös. Ein wunderliches Spiel mit Themen, Motiven und Figuren. Eine kammermusikalische Dichtung in Prosa. Thea Dorn ist ein Meisterin nicht nur der Menschenschilderung, sondern auch eine Stilistin, die der Sprache neue Nuancen abgewonnen hat. Sie liebt die tour de force, das Funkelnde, das Mehrdeutige, die versteckte Anspielung. Ein Dreifachhoch von mir.

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