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Rezensionen zu
In der Ferne der Fuji wolkenlos heiter

Wakayama Bokusui

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Vor einigen Jahren begann ich, mich mit der an den Universitäten abseits der Sinologie leider sträflich vernachlässigten chinesischen Literatur auseinander zusetzen. Ein Leseerfahrung, wie man sie sonst eigentlich nur in den frühen Zwanzigern hat, wenn man herausfindet, was die literarische Welt abseits dröger Schullektüre, Scott O'Dell, Böll und Grass noch so alles zu bieten hat. Besonders die klassische chinesische Lyrik dürfte in großer Breite Werke hervorgebracht haben, die zu den ästhetisch gelungensten der gesamten Weltliteratur gehören. Folgendermaßen umschrieb ich die Erfahrung der Auseinandersetzung einmal gegenüber der Literaturzeitschrift Experimenta: „Wie kann ein Ganzes sein, ohne dass dem Einzelnen Gewalt angetan wird“, formuliert Adorno die „Frage aller Musik“. Ich denke man kann das auf alle Künste übertragen. Mir scheint die strenge Form klassischer chinesischer Lyrik, die doch so frei schwebende Klänge hervorbringt (was dann ja auch zum Beispiel vor allem englischsprachige europäische Modernisten und den Beat inspirierte – so schließen sich Kreise), gibt zumindest eine Ahnung davon, was das heißen könnte. Das stellt dann natürlich wieder Fragen an das eigene Schreiben, die man ästhetisch so gut es geht zu beantworten versucht.“ Sehr grundlegende Übersetzungsproblematik Zuletzt habe ich versucht, ob sich ähnliches auch für japanische Literatur wiederholen lässt. Bisher, auch jetzt mit dem Neuübersetzungen der Tanka von Wakayama Bokusui, weitgehend erfolglos. Das mag in einer besonderen Form von lyrischer Sprachbarriere begründet liegen. Auch die chinesische Literatur leidet fast zwangsläufig unter entstellender Übersetzung, sei es durch typisch deutsche Leierreime oder durch formlose, an Glückskekssprüche gemahnende Übertragung. Doch mit etwas Mühe kann sich auch der, der der chinesischen Sprache nicht mächtig ist, zumindest den Reiz der gleichzeitig so streng gewebten und so frei klingenden Klangstrukturen erarbeiten. Etwa durch die Kombination aus Übertragungslektüre, Annotationen, Hörbeispiele und Mitlesen der Umschrift. Über das japanische Dichtungsideal aber berichten übereinstimmend die Norton Anthologie of international Literature und Wikipedia, dass der Reim nicht nur ein irrelevantes, sondern sogar ein verachtetes Stilmittel sei. Stattdessen geschätzt wurden ursprünglich Spiele mit der Bedeutung der aus dem chinesischen entlehnten Zeichen und ihrer neueren Bedeutung im Japanischen sowie später allgemein Wortspiele. Das lässt sich nicht nur kaum übertragen, da hilft auch das Hören auf Klangstrukturen im Original nicht weiter und selbst erklärende Fußnoten würden dem Ganzen höchstens den Reiz eines erklärten Witzes verleihen – also keinen. Erschwerend kommt allerdings hinzu, dass die Umschriften von Haiku und Tanka mir als nicht Kundigem durchaus immer wieder nahe legen, dass Klang eben doch eine größere Bedeutung haben könnte. Etwa das in der Wakayama-Ausgabe von Manesse dem Buch vorangestellter Gedicht: Shiratori wa kanashikarazu ya sora no ao umi no ao ni mo somazu tadayou Selbst wenn man voraussetzt, dass aufgrund mir unbekannter Ausspracheregeln hier tatsächlich keine Reime vorkommen, sollte man nicht zumindest voraussetzen, dass das dichte Netz der Assonanzen eine literarische Funktion hat, der sich auch der muttersprachliche Leser nicht entziehen kann, selbst wenn offiziell der Reim in der japanischen Lyrik keine Rolle spielen soll? Und wie kann eine Übersetzung damit umgehen? Zwiespältiges Bild Entsprechend möchte ich diesen Text auch nicht als Rezension begriffen wissen. Der Band In der Ferne der Fuji wolkenlos heiter enthält mehr als 250 Tanka des Dichters Wakayama Bokusui, der im ausführlichen und instruktiven Nachwort als der vielleicht bedeutendste Dichter der frühen japanischen Moderne vorgestellt wird. Tanka unterscheiden sich von dem viel später entstandenen Haiku durch ihre größere Länge, wobei die letzten beiden Zeilen in der typischen Übersetzungsschreibweise (im japanischen werden die Texte oft in einer Zeile geschrieben) das ursprüngliche Bild in vielen Fällen überraschend wenden. Einige der in diesen kurzen Gedichten entworfenenen Bilder sind wirklich stark und die Wendungen sehr gelungen. So etwa das sicher nicht zufällig für den Klappentext ausgewählte: Den Fluss hinunter geht es zum Meer: blauwogende Wellen – die Stadt gefärbt von aufbrechenden Knospen der Bergkirschbäume Viele andere Texte aber kommen in der deutschen Übersetzung kaum über Tagebucheinträge und Sinnsprüche heraus. Das ist, wie gesagt, glaube ich, weder Schuld des Dichters, noch des Übersetzers, sondern der „(lyrischen) Sprachbarriere“. So wirklich empfehlen kann ich den Band daher allerdings nur Lesern, die wissen, worauf sie sich einlassen, sowie solchen, die bereit sind zahlreiche nette Betrachtungen nach einigen auch im deutschen leuchtenden Perlen zu durchforsten.

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