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Rezensionen zu
Spiel der Zeit

Ulla Hahn

Die Geschichte der Hilla Palm (3)

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€ 24,99 [D] inkl. MwSt. | € 25,70 [A] | CHF 34,50* (* empf. VK-Preis)

"Vorsicht Spoiler" Die ersten beiden Teile von Ulla Hahns autobiographisch inspiriertem Bildungsroman, „Das verborgene Wort“ und „Aufbruch“, habe ich mit Begeisterung gelesen. Sie erzählen die Geschichte von Hilla, die in den 1950ern und 60ern in einem Dorf in der Nähe von Köln aufwächst. Hilla ist hochbegabt und bildungshungrig, aber sie ist auch eine „katho-lische Arbeitertochter vom Lande“, wie Rolf Dahrendorf in einer Studie in den 1960ern die soziale Gruppe definiert hat, die damals die größte Bildungsbenachteiligung ausgesetzt war. Im dritten Band, „Spiel der Zeit“, hat Hilla sich gegen ihre Familie durchgesetzt und entgegen aller Wahrscheinlichkeit doch einen Studienplatz ergattert. Der Roman begleitet sie, wie sie in der Großstadt, im Studium und der Achtundsechziger-Bewegung abkommt. Diesmal habe ich etwa 50 Seiten gebraucht, bis mich der Roman gefesselt hat. Zum einen lag das daran, dass seit der Lektüre des zweiten Bandes mehrere Jahre vergangen sind und ich mich an manche Details und Nebenfiguren nicht mehr genau erinnert habe. (Insofern empfiehlt sich der Roman auch nur eingeschränkt für diejenigen, die die beiden ersten Teile nicht kennen.) Zum anderen hat Ulla Hahn stärker als in den vorherigen Bänden eine zweite Erzählebene eingeführt, auf der sie die Handlung kommentiert und einordnet. So erklärt sie gleich zu Beginn den Ausgangspunkt der Handlung und ihre Motivation als Autorin: „Hilla Palm ist aus Dondorf weg, nach Köln, studiert dort Germanistik und Geschichte, wohnt in einem Haus für katholische Studentinnen, dem Hildegard-Kolleg. Und nur wegen ihr mache ich mich jetzt an den dritten Band, denn wie gesagt, ich kann sie doch nicht hängen lassen, verkommen lassen nach dieser Nacht auf der Lichtung im Krawatter Busch.“ Es hat sich aber gelohnt, trotz des etwas sperrigen Einstiegs weiterzulesen, denn Ulla Hahn beschreibt die Achtundsechziger aus einer Perspektive, die selten ist: Als Teilnehmerin, aber eben als Katholikin, Frau und Arbeiterkind mit einem anderen Blickwinkel als der Großteil der Achtundsechziger. Einerseits sympathisieren sowohl Hilla als auch die Autorin Ulla Hahn mit den Studierenden, die eine gerechtere Gesellschaftsordnung fordern. Andererseits werden die blinden Flecken der Bewegung deutlich. Auf einer Party erzählt ein Student aus gutem Hause empört, wie er die Arbeiter einer nahen Fabrik vergeblich zum Klassenkampf aufgerufen habe und dafür nur ausgelacht worden sei. In der darauf folgenden Diskussion mehrerer junger, gutsituierter Männer bleibt Hilla stumm. Dabei ist sie die einzige, die aus einer Arbeiterfamilie stammt, selbst als Jugendliche am Band gearbeitet hat und dabei sogar einmal erfolgreich einen Streik für bessere Arbeitsbedingungen organisiert hat. Aber so weit reicht der Gleichheits-anspruch dann doch nicht, dass nun sogar Mädchen aus der Unterschicht nach ihrer Meinung gefragt würden… Insofern bleibt Hilla eher am Rand der Bewegung. Dazu trägt auch bei, dass sie als Germanistik-Studentin mit einer Vorliebe für Sprachspiele die Rhetorik von Dutschke & Co nie richtig ernst nehmen kann. Einige der amüsantesten Szenen des Buches beschreiben, wie sie mit ihrem Freund Hugo Zitate aus der Mao-Bibel auf Alltagssituationen wie das schlechte Mensa-Essen anwendet. Das zweite große Thema von „Spiel der Zeit“ ist die Frage, wie man trotz schlimmer Erfahrungen und schlechter Startbedingungen ein glückliches Leben führen kann. Ulla gelingt es mit Hugos Unterstützung, sich mit dem traumatischen Erlebnis, das ihr zwei Jahre vorher zugestoßen ist, soweit zu arrangieren, dass es nicht mehr ihr Leben dominiert. Und sie söhnt sich mit ihrer Familie aus. Für mich als Leserin unerwartet gelingt es ihr nun, da sie nicht mehr daheim wohnt, eine positive Beziehung zu ihren Eltern aufzubauen und selbst ihrem Vater sein früheres Verhalten zu verzeihen. Und den Eltern gelingt es ihrerseits, endlich einmal stolz auf Hilla zu sein und sie – wenn auch widerwillig – sogar zu unterstützen. Somit endet „Spiel der Zeit“ versöhnlicher als die beiden Vorgänger-Romane. Wie es mit Hilla weitergeht, wird schließlich der vierte Band der Reihe zeigen, der letzten Herbst auch schon erschienen ist.

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