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Rezensionen zu
Das evangelische Pfarrhaus

Cord Aschenbrenner

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Einige der 9. Generation der Familie Hoerschelmann hat nun, in der Gegenwart, ihren Dienst als ev. Pfarrer aufgenommen und ist ins Pfarrhaus eingezogen. Ein Ort, der seit der Reformation Martin Luthers Schritt für Schritt einen „zentralen Ort“ in den Provinzen, Dörfern, aber auch Städten in Deutschland ebenso, wie zu Zeiten in den deutschsprachigen Ländern des Ostens (vor allem des Baltikums) dargestellt hat. Als „Träger der Aufklärung“, als Sinnbild des „bürgerlichen Lebens“, als Hort des Intellektualismus, der musischen Bildung, der auch weltanschaulichen Vermittlung. Wobei Aschenbrenner selbst eine entsprechende Nähe zu diesem „Ev. Pfarrhaus“ biographisch erlebt hat. Sein Großvater war Pfarrer. Die Abläufe, die besondere Atmosphäre dieses „offenen Hauses“ sind ihm spürbar vertraut, Kirchen keine „fremden“ Orte sondern quasi „Alltäglichkeiten“. Was beim Leser schon auch die Bereitschaft voraussetzt, sich zunächst unmittelbar mit in „diese Welt“ hineinzubegeben und sich deren Besonderheiten zu öffnen. Wobei, auch das bleibt bei der Lektüre des Buches festzustellen, die „Institution Pfarrhaus“ als solche sich doch weitgehend in diesem Buch eher indirekt, atmosphärisch erschließt. Im Kern ist dieses Buch eine Familienbiographie der fast schon „geerbten“ Pfarrämter in der Familie Hoerschelmann, deren Weg im Pfarrhaus im Zarenreich noch im Baltikum begann. Dennoch aber, neben dem ein oder anderen Exkurs (z.B. in das „erste Pfarrhaus“ zu Martin Luther hinein), schwingt vieles an wesentlichen Elementen dieser „Institution“ im Leben vor allem der einfachen Menschen über die Jahrhunderte hinweg mit. Wie auch geistesgeschichtliche Strömungen (Speners Pietismus, die bekennende Kirche, die Kirche im Nationalsozialismus, die von Beginn an gegebene Näher zur Macht durch die Erteilung von Pfründen durch den Landesherren etc.) Einiges aber auch nicht in vielleicht angemessenem Maße, wie man kritisch anmerken kann. Die „preußische Disziplin“ an vielen Pfarrorten und bei vielen Amtsträgern, die auch „drückte“, die sich eng immer wieder mit der herrschenden Macht verband und weniger die „Freiheit des Evangeliums“ demm den eigenen Einfluss (bin hin im Sinne einer „Reichskirche“ „on oben“ gestützt) in dieser Welt tatkräftig verkündete. Das Achten nicht weniger „Pfarrherrn“ zuallererst auf die eigene Autorität (samt Rohrstock im kirchlichen Unterricht), der Anspruch an „Zucht und Ordnung“ in der Gemeinde und die damit verbundene Furcht (nicht immer nur Respekt) dem ein oder anderen Pfarrherrn gegenüber, diese negativen Seiten einer solch festgefügten Institution (die sich „dem Herren ganz nah“ bei vielen ihrer Amtsträger wohl fühlte) werden im Buch, wenn überhaupt, eher nebenbei erwähnt. Was aber dem Kernanliegen Aschenbrenners keinen daue4rhaften Schaden zufügt. Denn es war ja in der Regel so, wie er es beschrieb. Ein Ort, an den jeder sich zunächst wenden konnte, eine (über Generationen hinweg schlichtweg vorausgesetzte) Pfarrfrau für den „praktischen Teil“ und als erste Anlaufstation, denn der Pfarrer nicht zu Hause war. Die musischen Elemente (Hausmusik als wesentlicher Teil des alltäglichen Lebens und damit auch musikalische Unterrichtsmöglichkeiten für die Gemeinde). Die (Allgemein-) Bildung als hohes Gut, die sich nicht nur auf die Bibel, sondern auf breite Felder der Literatur und Philosophie bezog. Und eine starke Klammer für das alltägliche Leben, die Rituale im Jahresablauf, der Beistand in seelischer oder materieller Not. Mithin ein nicht wegzudenkendes Stück deutscher Geschichte. Nicht nur, was die Prominenten angeht, die aus Pfarrhäusern entstammen, sondern auch, was die Geisteshaltungen angeht, die aus den Pfarrhäusern heraus die Menschen und ihre Zeit mitgeformt haben. Ein Ort, wie Aschenbrenner zu Recht im Lauf der Lektüre aufweist, der seine Bedeutung von beiden Seiten her langsam verloren hat. Von Seiten der Amtsinhaber mit ihrem modernen Verständnis des Lebens und von Seiten der Gesellschaft mit ihrer Emanzipation von einer wie immer gearteten institutionellen geistlichen und weltlichen Leitung des Lebens im Alltag. Durch die Erzählung der Lebensgeschichten konkreter Personen schafft Aschenbrenner eine starke, fast intime Nähe für den Leser und bringt somit das „Leben im Ev. Pfarrhaus“ auch emotional nahe. Ein stückweit fehlt dabei „die andere Seite“, die ungute preußisch-obrigkeitsorientiere autoritäre Seite, für die das Ev. Pfarrhaus auch steht. Die unerschütterliche Selbstherrlichkeit nicht weniger ev. Amtsträger in diesen vergangenen Jahrhunderten. Alles in allem aber eine empfehlenswerte Lektüre, die nicht nur eine „Berufung“ und die traditionellen äußeren Formen nahe bringt, in denen sich jene jahrhundertelang vollzogen hat, sondern in der Aschenbrenner auch immer wieder intensive Zeitgeschichte mit aufnimmt (die „Bezahlung“ der Pfarrer, der Verlust des Baltikums etc.) und am Ev. Pfarrhaus deren praktische Auswirkungen unmittelbar zu zeigen versteht.

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