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Rezensionen zu
Wiederworte

Ulla Hahn

Lyrik (6)

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Wortzauber

Von: Thomas LAwall

27.04.2016

Sich noch einmal in jungen Jahren begegnen - auf welche Weise auch immer: Wer möchte das nicht. Natürlich ist es ein Wagnis und sogar ein gewisses Risiko vielleicht. Ist man alt und unbeweglich geworden, überheblich allwissend oder permanent nur den Zeigefinger erhebend? Hat man das Leben und das Lachen verlernt und eine der größten Gaben: die Spontanität? Sind die Gedanken grau wie die (Rest-)Haarpracht geworden und die Sinne stumpf und abgenutzt? Oder hat man sich (weiter)entwickelt oder gar mit sich selbst multipliziert? Hat man so etwas wie Weisheit entdeckt oder wenigstens einen Hinweis auf eine Richtung, in der sie sich verstecken mag? Ist aus dem einstigen Lachen ein schallendes geworden? Haben sich die erhofften Reichtümer angesammelt und in Kisten bis unters Dach gestapelt? Ist das Glück der fernen Tage geblieben, oder wurde es ersetzt durch ein neues? Oder ist es immer noch auf der Durchreise? Immer fort und immer weiter? Ist das Ende des Weges in Sicht oder in weiter Ferne? Ist das Glas halb leer oder halb voll? Ulla Hahn hat sich mit sich selbst getroffen. Keine zufällige Begegnung, sondern ein geplanter, punktgenauer Rücksturz in die eigenen Universen. Sie hat die Bücher ihres Lebens geöffnet und sich hineingestürzt. Bedingungslos und in freiem Fall, doch ohne jede Angst! Sie ist das Wagnis dieser Zeitreise eingegangen und sie nahm die Reise sehr ernst - was jedoch keinesfalls ein gelegentliches Augenzwinkern ausschließt. Diese Art der Auseinandersetzung mit sich selbst ist meines Wissens in der Literaturgeschichte ohne entsprechendes Beispiel und wird in der Geschichte, die Literatur noch schreiben wird, wohl ein ebensolches bleiben. Die Autorin wagte nicht nur einen simplen Rückblick auf Worte, die sie vor drei Jahrzehnten formte, sondern sie gestattete sich die Ungeheuerlichkeit, sich Wort für Wort ihrer "jüngeren Schwester" zu nähern, sich einerseits auf eine gemeinsame Ebene zu begeben und andererseits die Dinge aus heutiger Sicht auszudrücken, zu interpretieren, zu erweitern und auch einmal liebevoll zu korrigieren! In einer ebenso wörtlichen wie grau unterlegten Gegenüberstellung bereitet sie dem Gestern ein Heute und sogar ein Morgen. Ulla Hahn erinnert sich, zitiert sich selbst und ohne jedes Wenn und Aber. Sie schafft das Kunststück, sich neu zu erfinden, ohne dabei Altes zu zerstören. Es ist ein vornehmes Selbstgespräch und eine Gipfelkonferenz auf höchster sprachlicher Ebene. Worte wurden Buchstabe für Buchstabe auseinandergenommen und liebevoll wieder zusammengesetzt, nachdem sie sich eine Weile auf der Goldwaage ausruhen durften und nun in neuem Glanz erstrahlen! Man liest sich nach langer Zeit wieder und das sozusagen in alter Frische. Was für ein Leseabenteuer! Kein Mord und Totschlag, keine gestellten Ermittlungen und keine Fantasy-Welten voller lächerlicher Pappnasen, Spitzohren und Augenwischern. Keine seltsam Gehörnten und Unsinn zaubernde Magier mit langem Bart und kurzem Verstand. Keine sinnlose Jagd nach Piratenschätzen, kein seelenloses Geschichten-Einerlei und magisches Zauberkugel-Hokus-Pokus-Fidibus ... sondern Worte, die um ihrer selbst Willen unterwegs sind. Worte, die sich bewegen und bewegen können. Sogar freie, entfesselte und neu erschaffene Worte gibt es. Worte lernen laufen und kümmern sich nicht, wenn man sie schief anschaut oder nicht verstehen will. Es ist einfach ungeheuerlich zu lesen, wie aus einem "Weh"mütigen "Winterlied" ein zuversichtliches "Auf Auf" (S. 26 u. 27) wird, wenn ein "Was bleibt" sich in ein "Von weitem" (S. 32 u. 33) weiterentwickelt (aber nicht gänzlich verschwunden ist), wie ein "Krankgeschrieben" in einem "Gesundgehalten" (S. 46 u. 47) Antwort findet, oder wie aus Vater und Mutter "Legenden" ("Aufgewachsen II"/Seite 83) werden: "Ich strich mit einer Hand die Asche ..."! Man muss sich hier (und auch da oder auch dort) manchmal schon etwas zusammennehmen, um nicht bei der einen oder anderen Zeile die Fassung zu verlieren. Wer dem nicht folgen kann oder mag oder wie auch immer, dem sei die Gebrauchsanweisung "Was bewirkt ein Gedicht" (Seite 108), die sehr persönliche Ansprache "Meine Damen und Herren" (Seite 114), etwas "Lebenshilfe" (Seite 115) und die volle Dosis "Dichterlesung" (S.109-113) wärmstens empfohlen. Es geht aber auch (noch) kürzer, denn in "Worte" (Seite 116) erklärt sich eigentlich alles (und noch viel mehr) von selbst. Ganz wunderbar passt auch die Übersetzung ins Gewand der Gegenwart "In den hohen Bibliotheken" (Seite 117). Dieses Buch benötigt (auch) mein Fazit nicht - ist es doch selbst eines. Aber es gehört sich so, am Ende (des Versuchs) einer Buchbesprechung noch ein paar zusammenfassende Worte zu finden: Zu Gast auf diesen "Luftwegen zwischen Gestern und Heute" lässt es sich vortrefflich leben, lesen und spüren, wie ein sterbliches Herz im "Wortherzen" weiterschlägt! Ich bin ja immer noch und immer wieder der Meinung, dass solche Bücher ein Geschenk sind ... ... und noch viel mehr! Wer einmal diesem Wortzauber verfallen ist, kommt nie mehr davon los. Das ist kein Wörter-See, das ist ein Ozean!

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