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Rezension zu
Königskinder

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Modernes Märchen mit Tiefgang

Von: Sigismund von Dobschütz/Buchbesprechung
03.09.2018

Was kann eine Geschichte mit dem für heutige Zeit ungewöhnlichen Titel „Königskinder“ anderes sein als ein Märchen? Tatsächlich mutet dieser im August beim Hanser-Verlag erschienene und unbedingt lesenswerte Kurzroman des Schweizer Schriftstellers Alex Capus (57) wie eine der vielen Geschichten aus „Tausendundeine Nacht“ an, wenn auch in moderner Erzählweise. Im Roman ist es eine lange Winternacht, in der Max und Tina mit ihrem Auto im dichten Schneetreiben auf einem verschneiten Gebirgspass von der Straße gerutscht sind und nun auf den nächsten Morgen und die Schneefräse warten müssen. Um sich die Stunden, vielleicht aber auch die Angst vor Einsamkeit und Hilflosigkeit in bitterer Kälte zu vertreiben, erzählt Max seiner Tina eine berührende Liebesgeschichte, die 1779 im Greyzerland beginnt und während der Französischen Revolution am Versailler Hof des Königs Ludwig XVI. endet. Es ist die Geschichte des 22-jährigen Waisen und bettelarmen Hirtenjungen Jacob und seiner Liebsten, der 19-jährigen Marie-Françoise, Tochter des reichsten Bauern im Ort. Wie schon in der klassischen Ballade „Es waren zwei Königskinder“ dürfen auch in dieser Geschichte die beiden Liebenden nicht zusammenkommen. Es sei eine wahre, historisch belegte Geschichte, versichert Max seiner Tina mehrmals, die bei allzu märchenhaften Szenen diese kritisch hinterfragt. „Entscheidend ist nicht, ob die Geschichte wahr ist. Wichtig ist, dass sie stimmt“, wehrt Max dann ab und erzählt weiter: Jacob verdingt sich für acht Jahre beim französischen Militär, später wird er von Prinzessin Elisabeth, der jüngeren Schwester Ludwigs XVI., in Versailles als Kuhhirte verpflichtet. Um ihm sein „Hemvé“ zu vertreiben, will die Prinzessin die sich liebenden „Königskinder“ nach Jahren der Trennung endlich vereinen: Sie lässt Marie aus der Schweiz holen, beide heiraten, bekommen eine Tochter und leben glücklich bis ans Ende ihrer Tage. Alex Capus verbindet beide Handlungsstränge, den heutigen und den historischen, so elegant, dass kaum Brüche zwischen den Jahrhunderten spürbar sind. Er nutzt die Nachfragen Tinas vielmehr, um historische Fakten zu erläutern. Capus lässt in warmherzigem, angenehm zu lesendem Sprachstil das Leben des ausgehenden 18. Jahrhunderts in der Schweiz und am Versailler Hof lebendig werden, wenn auch ohne Anspruch auf Korrektheit. Wichtiger scheinen dem Autor seine Figuren zu sein, deren Charaktere und Handeln er liebevoll und mitfühlend zeichnet. Gewiss, „Königskinder“ mag modernen Lesern an manchen Stellen allzu märchenhaft erscheinen, wenn Jacob und Marie inmitten der Revolutionswirren auf ihrem Bauernhof wie auf einem paradiesischen Eiland glücklich sind. Aber ist es nicht Liebe und Zuneigung, die uns Menschen [und unserer Familie] in schwierigen und schweren Zeiten, während die Gesellschaft um uns herum sich aufzulösen beginnt, den nötigen Zusammenhalt und Trost gibt? „Königskinder“ ist ein Buch voller Liebe, das gerade in unserer so politisch unruhigen und unsicheren Zeit von vielen Menschen gelesen werden sollte als Anregung zum gegenseitigen Zuhören - wie Tina ihrem Max zuhört, auch wenn sie dabei kritisch bleibt. Das Ehepaar kabbelt sich nur bei Kleinigkeiten, schreibt Capus gleich zu Beginn seines beachtenswerten Kurzromans. „Aber in den großen Dingen des Lebens – den Dingen, auf die es wirklich ankam – waren sie sich schon immer einig gewesen.“

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