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Rezension zu
Mensch 4.0

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Regiert von Supermächten des Internet

Von: Bergund Fuchs
09.08.2018

Als größte Errungenschaft der Neuzeit wird die menschliche Freiheit angesehen. Tun und Lassenkönnen was man möchte… In unserer zunehmend von den digitalen Medien beherrschten Welt steht es mit dieser so schwer erkämpften Errungenschaft nicht zum Besten. Das Internet verändert das Leben. Es verändert vor allem den Menschen. Wer ist der Mensch des Internet-Zeitalters - der „Mensch 4.0“? Was ist bei ihm anders? Die Journalistin Alexandra Borchardt beleuchtet die Folgen der immer stärkeren Verknüpfung des Menschen mit der Technik. Die Digitalisierung führt zu einer stärkeren Individualisierung der Menschheit. Das Internet ist eine „Ich-Welt“, darauf ausgerichtet, so schnell wie möglich jegliche Bedürfnisse des Menschen zu stillen. Im Reich der unbegrenzten Möglichkeiten stellt die Autorin zentrale Frage: wie viel Freiheit verträgt der Mensch? (S. 21) Wer die Wahl hat, hat die Qual. Der Mensch 4.0 ist hoffnunslos überfordert, weil er nicht gelernt hat, sich zu entscheiden und sich stets alle Möglichkeiten offen halten möchte. Ohne Navi kann er nicht mehr existieren. Doch wer gibt ihm noch Orientierung? Kapitel für Kapitel des sauber recherchierten und elegant geschriebenen Buches wird dem Leser immer klarer: Im Internet herrscht keine Freiheit sondern Anarchie. Hier regieren die fünf Supermächte: Facebook, Google, Amazon, Apple und Microsoft. Algorithmen kontrollieren nicht nur die Wirtschaft und Politik, sie können auch dazu benutzt werden, den einzelnen Bürger zu überwachen. Dies ist in China bereits Realität. Borchardt fasst ihre Überlegungen folgendermaßen zusammen: „Algorithmen machen den Menschen weniger frei. Man kann es freundlich nudging oder weniger freundlich Manipulation nennen, wenn Algorithmen Bürger und Konsumenten zu bestimmten Entscheidungen drängen.“ (S. 70) Ein wichtiges Anliegen ist der Autorin die Veränderung der zwischenmenschlichen Kommunikation durch das Internet und vor allem durch den ständigen Gebrauch von Smartphones. Der Mensch 4.0 ist sozial vernetzt, von „vielen Freunden“ umgeben und dennoch beziehungsarm. Immer weniger Menschen seien heute noch in der Lage, Gespräche zu führen oder gar ihr Gegenüber adäquat wahrzunehmen. Achtsamkeit, das moderne Wort für Empathie sei heute gefragt wie noch nie. Auch im anonymen Raum der online-Kommunikation muss es respektvoll und anständig zugehen, bedarf es verbindlichen Umgangsformen. Ein weiteres „Sorgenkind“ nehmen dem Menschen, ist die Demokratie. Mit ihren oft mühseligen und langsamen Entscheidungsprozessen (Verwaltungsakten, Gesetzsgebungsverfarhen) passt sie nicht zum schnelllebigen Internet. Doch wird die bürgerliche Freiheit nur mit „starken Institutionen“ bestehen können, so Borchert. In ihrem philosophischen Epilog (S. 220 ff) stellt Borchert noch einmal die Kernpunkte ihrer Analyse zusammen: eine Demokratie ohne Freiheit kann nicht funktionieren, sie mutiert zur Anarchie oder Dikatur. Die Freiheit der einzelnen endet dort, wo die der anderen beginnt. Nur ist heute überhaupt nicht mehr klar, wo die Grenzen von Freiheit und Unfreiheit in der digitalen Welt liegen. Deshalb gäbe es Grundrechte wie Privat- und Intimsphäre. Doch auch diese dürften bald im Zuge der bereitwillig zugestimmten permanenten Überwachung von Körperfunktionen und Aufenthaltsorten wegdiffundieren. So wird der Mensch 4.0 immer mehr zum Datenproduzenten. Aber auch dieser Mensch – wie alle Generationen vor ihm – sucht im Grunde nur eines: ein erfülltes und sinnvolles Leben. So ähneln die Empfehlungen, die Borchert dem Leser mit auf dem Weg gibt, sehr denen christlicher Wertvorstellungen. Auch wenn sie dazu nur zwischen den Zeilen Stellung bezieht. Ein geistreiches und lohnenswertes Buch, das einen wichtigen Beitrag zur Neuorientierung in unserer digitalen Um-Welt leistet.

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