Sie haben sich erfolgreich zum "Mein Buchentdecker"-Bereich angemeldet, aber Ihre Anmeldung noch nicht bestätigt. Bitte beachten Sie, dass der E-Mail-Versand bis zu 10 Minuten in Anspruch nehmen kann. Trotzdem keine E-Mail von uns erhalten? Klicken Sie hier, um sich erneut eine E-Mail zusenden zu lassen.

Rezension zu
Der Neue

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Überzeugt nicht völlig, hat aber eine wichtige Botschaft

Von: booksnstories
29.07.2018

Heute habe ich den neuesten Roman aus der Hogarth-Shakespeare-Reihe für euch. Noch einmal zur Erinnerung: Anlässlich des 400. Todestages von William Shakespeare erscheinen beim englischen Verlagshaus Hogarth seit 2016 insgesamt 6 Romane, die Retellings beliebter Shakespeare-Theaterstücke darstellen. Als deutscher Verlag ist Knaus an dem Projekt beteiligt. Mit „Der Neue“ erschien im April die Romaninterpretation von „Othello“ aus der Feder von Tracy Chevalier. Einigen mag sie vielleicht als Autorin von „Das Mädchen mit dem Perlohrring“, die Buchvorlage für den gleichnamigen Film mit Scarlett Johansson und Colin Firth um den niederländischen Maler Jan Vermeer, ein Begriff sein. Warum „Der Neue“ für mich zwar der bisher schwächste Roman der Reihe, aber trotzdem eine wichtige Botschaft bereithält, erfahrt ihr in der folgenden Rezension. Wie das Theaterstück ist der Roman in fünf Abschnitte untergliedert. Die Handlung spielt sich an einem einzigen Schultag ab und beleuchtet vordergründig die freie Zeit zwischen dem Unterricht. Eben jene Zeit, in der die Schüler sich selbst überlassen sind und das Buhlen um Anerkennung und Machtspielchen zu einer gefährlichen Mischung werden können, die nicht selten in Mobbing endet. So auch bei O, dem „Neuen“. Es braucht einige Seiten, bis der Protagonist in das „Haifischbecken neue Schule“ hingeworfen wird. Vorher werden dem Leser erst die Alianzen und Rivialitäten der Schüler vorgestellt, sämtliche relevanten Figuren tauchen bereits jetzt auf. O wird als letzte Figur eingeführt, als eine neue Variable, die sofort beginnt, die bestehenden Beziehungsgeflechte aufzubrechen und durcheinander zu bringen, ohne, dass er aktiv etwas tun muss. Die Machtgefüge verschieben sich einzig allein dadurch, dass er auftaucht. Dies führt sich über die fünf Abschnitte auf fatale Art und Weise fort, indem sich die Figuren immer mehr in diesem Gefüge verstricken (das Seilspringen auf dem Pausenhof könnte man als gelungene Metapher dafür sehen), und mündet – Shakespeares Vorlage entsprechend – am Ende in einer Katastrophe. Und genau hier liegt eine große Schwäche des Romans. Die Entwicklung, die der Tag nimmt, ist zwar unschön, rechtfertigt jedoch keinesfalls das Ende mit dem sich Dee (Desdemona) und O (Othello) konfrontiert sehen. Hier scheint es mir, dass man auf Biegen und Brechen etwas Schlimmes ans Romanende setzen wollte, um der Vorlage gerecht zu werden, ohne dass es jegliche Rechtfertigung dafür gibt. Lesern, die die Vorlage nicht gelesen haben, aber den Inhalt grob kennen, mag dies vielleicht irritierend, aber noch verständlich sein, für Leser, denen der Inhalt von Othello gänzlich unbekannt ist, werden dem Romanende wohl wenig abgewinnen können. Und dies ist schade, denn die anderen Romane der Reihe, die ich bisher gelesen habe („Der weite Raum der Zeit“, „Hexensaat“), funktionieren auch wunderbar ohne Kenntnis der Vorlagen. Grund zur Irritation gibt teilweise auch das Agieren der Figuren: mal ihrem kindlichen Alter entsprechend, dann jedoch auch mit Gedanken und Sätzen, die ihrem Alter weit voraus scheinen. Dadurch wirkt der Roman noch parabelartiger und konstruierter als ohehin schon. Ich halte die Idee einer Mileustudie mit begrenzten Zeitrahmen für eine sehr gute Idee, um „Othello“ neu zu interpretieren. Allerdings frage ich mich, ob es nicht besser gewesen wäre, den Roman statt an einer Schule mit Kindern in einem Unternehmen mit erwachsenen Figuren spielen zu lassen. Dies wäre dem Ausgangsstoff vielleicht ein wenig angemessener gewesen. Zum Schluss möchte ich gern noch einige Worte zum grundsätzlich wichtigen Thema „Mobbing in der Schule“ verlieren. Im Roman werden die Lehrer das Verhalten gegenüber O als Bagatelle ab und schauen weg oder befeuern Mobbing im schlimmsten Falle noch, weil sie selbst rassistische Vorurteile pflegen. Die Debatte um den Ausstieg von Mesut Özil aus der Nationalmannschaft sorgt bei Twitter unter dem Hashtag #MeTwo derzeit dafür, dass Erfahrungen von Schülern mit Migrationshintergrund publik werden, die bei gleicher Leistung schlechter benotet werden als ihre deutschen Mitschüler, die für ihre späteren Berufswünsche ausgelacht werden. Etwas, das mich persönlich völlig sprachlos machtund mich geichzeitig glauben lässt, dass die ein odere andere Situation aus „Der Neue“ doch nicht so aus der Luft gegriffen scheint, wie ich zunächst gedacht habe. Die Serie „Tote Mädchen lügen nicht“, man möge sie für das ein oder andere durchaus kritisieren können und auch wenn es dabei nicht um Rassismus geht, verdeutlicht ebenfalls, dass Schule eine Verantwortung dafür hat, dass Schulhöfe keine „rechtsfreien“ Räume sind. Und dies führt uns „Der Neue“, auch wenn er nicht ganz so gut gelungen ist, ebenfalls deutlich vor Augen.

Wir stellen nicht sicher, dass Rezensent*innen, welche unsere Produkte auf dieser Website bewerten, unsere Produkte auch tatsächlich gekauft/gelesen haben.