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Rezension zu
Im Frühling

Die Banalität des Alltags und das Besondere

Von: Thomas Lawall
26.07.2018

"Wie kann ich dir dieses Gefühl erklären?" Wenn der Sommer noch in den Kinderschuhen steckt. Kaum mehr als eine Ahnung. Die bodenständigen Regelmäßigkeiten der Landschaft stehen den gewaltigen Ausmaßen des Himmels entgegen. Ein Kontrast, der in jungen Jahren nicht auffallen kann und sich erst langsam ins Bewusstsein schiebt und entwickelt ... Band drei der Jahreszeiten-Bände Knausgårds isoliert den Tag einer Familie und reichert die Gegenwart mit Rückblenden an. Der Vater tritt als Ich-Erzähler auf und richtet das Wort an seine drei Monate alte Tochter. Er erklärt ihr das Leben aus seiner Sicht. Sie möge es dereinst lesen und vielleicht verstehen, in welcher Gedankenwelt sich ihr Vater während ihrer frühen Kindertage befunden hat. Ob sie es verstehen wird, bleibt offen. "Vielleicht wirst du es selbst eines Tages empfinden, vielleicht auch nicht." So mag es auch Leserinnen und Lesern ergehen, die sich einerseits an poetischen Naturbetrachtungen erfreuen können, dann aber wieder in der Banalität so manch einer Alltagssituation die eine oder andere Sackgasse entdecken. Je nach Betrachtungswinkel schwankt man zwischen Faszination und Langeweile. Welch ein grandioser Unterschied liegt in der Betrachtung eines Sonnenaufgangs und einem Haushaltsgegenstand: Die aufgehende Sonne bescheint einen Apfelbaum, "wo die halb ausgeschlagenen Blätter funkelten wie kleine Spiegel". Einem roten Eimer werden dann drei Seiten zugedacht, indem ihn der Autor in einen existenziellen Zusammenhang strickt. Es ist nicht interessant, wie oft sich der Vater, ein "prominenter Schriftsteller", eine Zigarette anzündet, die Gestaltung einer Badelandschaft beschreibt, die notwendigen Dinge für einen Maschinenwaschgang erledigt, sich anschließend in einer Abhandlung über Wäschekörbe plappernd vertieft, oder mit merkwürdigen Erwägungen, die "gut sein" mit "Schwäche" gleichzusetzen versuchen, für Verwirrung sorgt. Dazu passt die emotionale Hilflosigkeit, seiner Frau in schwierigen Lebenssituationen nicht nur mit Rat, sondern auch mit Tat zur Seite zu stehen und sie stattdessen in ihrem desaströsen Gefühlszustand daran erinnert, dass sie sich gefälligst selbst aus dieser Situation zu befreien habe. Jenes Verhalten gipfelt darin, dass er mehrmalige konkrete Bitten um Hilfe als "Teil des Problems" abstempelt. Höhen und Tiefen, die das Leben diktiert. Sensible Momentaufnahmen und familiäre Katastrophen. Über allem liegt jedoch Hoffnung und Zuversicht. Und eine Art Premiere kann das Buch ebenfalls feiern. Dem Rezensenten ist kein Buch bekannt, welches auf der Rückseite des Schutzumschlags die ebenso beiden letzten wie maßgeblichen Sätze des Buches verrät. Warum? Vielleicht, weil es zu wenige davon in diesem Buch gibt? Eine "literarische Sensation" mag eine pragmatische Übertreibung sein. Was jedoch nicht bedeutet, dass vereinzelte Glanzstücke fehlen. Mit Menschen ganz allgemein kommt der Vater und Schriftsteller, so wie sich das gehört, natürlich nicht unbedingt zurecht. Er interessiert sich nicht für sie und weiß nicht, was er mit ihnen reden soll. Bei Kindern sieht das allerdings ganz anders aus. Nicht einmal seine eigenen vier Kinder kann er Leserinnen und Lesern vorstellen. "Es ist nicht leicht, sie zu beschreiben. Sie sind so viel." Das ganz große Theater eröffnet Karl Ove Knausgård mit Erinnerungen an lebensfrohe Sommertage und jener offenen Tür: "Der Unterschied zwischen draußen und drinnen war fast vollständig verwischt." Und wenn Literatur tatsächlich "ein Ausdruck für eine ansonsten unzugängliche und in der Wirklichkeit nicht existierende Nähe" ist, dann ist ihm das mit "Im Frühling" gelungen. Die Banalität des Alltags dem Besonderen gegenüberzustellen macht in diesem Zusammenhang dann wieder Sinn.

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