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Rezension zu
Dunbar und seine Töchter

Die Rezension bezieht sich auf eine nicht mehr lieferbare Ausgabe.

Der Medienmogul

Von: Bri
24.07.2018

William Shakespeares Stücke sind ohne Zweifel Meisterwerke. Auch heute noch sind seine Stoffe aktuell, handeln sie doch von den uns als Menschen maßgeblich bestimmenden Gefühlen und Eigenschaften wie zum Beispiel Liebe und Vertrauen, Hass und Mißgunst, Neid und Hinterhältigkeit. Die Struktur gebenden Elemente seiner Bühnenstücke sind uns bis heute mehr als bekannt und gerade deshalb werden seine Dramen und Komödien nach wie vor überall auf der Welt gespielt. Dabei werden natürlich auch Änderungen und Modernisierungen vorgenommen, die Grundidee adaptiert und in unsere Sprache und / oder Zeit transferiert.Die Protagonisten jedoch sind dieselben. Gerade diese Klasse spornt natürlich an, einen Stoff weiterzuentwickeln, neu zu übersetzen oder gar neu zu erzählen. Letzteres wurde durch das Hogarth Projekt initiiert, das acht namhafte Autor*innen anlässlich des 400. Geburtstages Shakespeares damit beauftragte, ihrem Lieblingsstoff aus des Dichters Feder einen neuen Schnitt zu verpassen. Da ich Edward St. Aubyn sehr verehre und vermutete, dass er mit dem Familienkonflikt König Lears aufgrund seiner eigenen Biographie recht gut zu Rande käme, habe ich mich mit Freude auf Dunbar und seine Töchter gestürzt und wurde nicht enttäuscht. Zunächst einmal hält sich St. Aubyn sehr nah an die Vorlage – Henry Dunbar allerdings ist nicht König eines Staates, sondern eines Medienkonzerns. Als er öffentlich auffällig wird, lassen ihn zwei seiner Töchter quasi aus dem Verkehr ziehen. Er soll den Weg frei machen, damit die beiden die Firma übernehmen und ihren Reibach damit machen können. Seine dritte Tochter, von ihm enterbt, weil für das Geschäft nicht für geeignet befunden, hat sich zurückgezogen und spielt das Spiel der Intrigen ihrer beider Schwestern nicht mit. Doch anders als Shakespeares König Lear, der erst zum Schluss seine Fehler einsieht und bereut, ist sich Dunbar dieser gleich zu Beginn bewußt. »Mit gehörte mal ein ganzes Reich«, sagte Dunbar »Hab ich Ihnen schon die Geschichte erzählt, wie es mir gestohlen wurde?« […] »Ich hab Wilson gesagt, dass ich den Aufsichtsratsvorsitz behalte« begann Dunbar, »ich behalte das Flugzeug, die Leute, die Liegenschaften und die mir zustehenden Privilegien, aber ich werde mich der Lasten« – er nahm die große Vase mit den Lilien und stellte sie behutsam auf den Boden –, »der Lasten entledigen, die die operative Führung des Konzerns mit sich bringt. von jetzt an, hab ich ihm gesagt, ist die Welt mein privater Spielplatz und, wenn es eines Tages an der Zeit ist mein privates Hospiz.« […] »›Aber der Konzern ist alles‹, hat mir Wilson gesagt.« Je tiefer Dunbar in die Geschichte vordrang, desto mehr erregte sie ihn. »›Wenn Sie den abgeben, hat er gesagt, dann bleibt Ihnen nichts mehr. Sie können nicht etwas abgeben und gleichzeitig behalten.‹« Während die beiden intriganten und überaus bösartigen Töchter Dunbar nicht nur wegsperren, sondern auch ruhigstellen lassen, sucht seine dritte Tochter Florence nach ihm. Denn er hat nicht nur seine Fehler erkannt, sondern auch die Absichten von Abbigail und Megan und ist kurzerhand und mithilfe des schwer Alkoholabhängigen Komikers Peter ausgebüchst. Mitten durch die unwirtliche, weil kalte cumbrische Landschaft – wunderbar beschriebene, nein gezeigte, Natur. Dort überkommen ihn Reue und Erkenntnis und schlussendlich aber auch eine Rettung. Doch diese ist nur von kurzer Dauer und Dunbar muss erkennen, dass all die Dinge, die er als Medienmogul sein Leben getan, den eigenen Töchtern vorgelebt hat, sich nun quasi durch diese gegen ihn selbst wenden. Manchen Rezensent*innen ist die Adaption des Dramas um König Lear zu nah am Original geblieben. Auch sprachlich sieht der eine oder die andere St. Aubyn weit hinter Shakespeare – doch mir ist dabei nie ganz klar, ob hier das Original oder die Übersetzung gemeint war. Meine Lektüre war eine durchaus intensive und beglückende. St. Aubyn hat es wieder einmal vermocht, die Familienstrukturen geschickt freizulegen und dabei gleichzeitig mit seinem unvergleichlichen Esprit Szenen zu schaffen, die einen laut auflachen lassen. Für mich ist Dunbar und seine Töchter eine durchweg äußerst gelungene Transformation des Shakespearschen Stoffes in unsere medial geprägte Welt, deren scharfsichtige und -züngige Analyse auch Leser*innen einen Heidenspaß bereiten dürfte, die sich sonst nicht an klassische Stoffe wagen.

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