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Rezension zu
Buch des Flüsterns

Armenische Erinnerungen: „Buch des Flüsterns“ von Varujan Vosganian

Von: Read Ost
04.07.2018

Armenien, ein Land, das als Wiege des Christentums gilt und heute dennoch für viele so gut wie unbekannt ist. Dieses kleine Land im Südkaukasus mit gerade einmal 3 Millionen Einwohnern hat eine Geschichte voller Tragödien hinter sich: Der Genozid, das Absprechen des Berges Ararat zugunsten der Türkei (und weiterer Gebiete) und eine jahrhunderte lange Diaspora, durch die heute um die 10 Millionen Armenier außerhalb des Landes leben. Varujan Vosganians „Buch des Flüsterns“ (btb) begleitete mich auf meiner einwöchigen Rundreise durch Armenien und hat alles, was ich gesehen und erlebt habe, vorweggegriffen. Dies ist kein negativer Aspekt, denn das Buch war eine hervorragende Ergänzung zu den Museen, Klöstern und Gedenkstätten, die die reiche Geschichte des armenischen Volkes aufzeigen. Der Autor, als Kind armenischstämmiger Eltern in Rumänien geboren, ist heute Präsident der Vereinigung der Armenier in Rumänien und versteht wohl wie kein anderer die armenische Kultur des Exils. In seinem epochalen Roman bringt er sämtliche Ereignisse seiner Familie und außenstehender Personen zusammen und macht das „Buch des Flüsterns“ so zu einer lauten Stimme verlorener Generationen. „Von allen Sinnen wird der Geruch am stärksten vom Gedächtnis beladen. […] Ein ganzes Leben könnte anhand seiner Geruchsaromen beschrieben werden.“ Das „Buch des Flüsterns“ ist gefüllt mit Erinnerungen der Familie des Autors. Mal sind diese nicht linear erzählt und erscheinen schwer zu durchschauen, doch immer wieder kann man den roten Faden wieder entdecken und den Hauptthemen, der Vertreibung, das Leben in der Diaspora mit allen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Einschränkungen oder dem Verhältnis zu den Nachbarn, erneut folgen. Es ist nicht nötig, jede einzelne Figur genau zu kennen, denn das Schicksal verwebt sie alle miteinander. Und so erzählt Vosganian in einer peniblen Mischung von irgendwie allem – seinem Großvater, den Unterschieden zwischen den Deutschen und den Russen oder auch von der Bedeutung von Fotos für die Armenier:„Bilder waren für die Armenier jener Zeiten wie ein Testament oder eine Lebensversicherung. Kehrte ein Mensch zurück von den Deportiertenkonvois, aus den Waisenhäusern, von den Reisen in den Bäuchen der Schiffe, wurde das Foto in Verwahrung genommen, und der lebende Mensch nahm seinen angestammten Platz unter den anderen wieder ein.“ Vosganians Geschichten sind zumeist tragische. Sie erzählen uns von bekannten und unbekannten Helden, von Familien, die auseinandergerissen werden und von denen, die die Verfolgung und/oder Deportation nicht überlebt haben. Das Erbe des Autors ist anspruchsvoll und sein Buch eine packende Chronik des armenischen Volkes ab dem Ende des 19. Jahrhunderts. Auf fast jeder Seite befinden sich Zitate, die man ohne Weiteres herausziehen und als Beispiel des Leids anbringen könnte. „Buch des Flüsterns“ braucht Zeit, um sich zu entwickeln und zum Lesen zu animieren.

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