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Rezension zu
Wie Demokratien sterben

Fundierte Untersuchung und überzeugende Darstellung

Von: Michael Lehmann-Pape
21.06.2018

Da haben „Gründerväter“, sei es in Amerika, England, der Bundesrepublik Deutschland oder andernorts, aus der Geschichte lernend, jede Menge „Sicherungen“ und „gegenseitige Beaufsichtigungen“ in ihre Verfassungen für moderne Demokratien geschrieben. Da wurden Legislative, Exekutive und Jurisdiktion getrennt, um diese Staatsform „krisensicher“ zu gestalten. Und nun stellt man weltweit und allgemein fest, dass diese „Sicherheit“ zwar eine hohe, aber eben doch nur eine relative ist. Eine Feststellung, die mit diesem Werk nun nicht mehr nur „im Gefühl“ verankert bleibt, die nicht nur aufgrund einer Fassungslosigkeit gegenüber modernen „Autokraten“ heraus sich speist, sondern die, so stellen es Levitsky und Ziblatt fundiert dar, eine ganze Reihe faktischer Anhaltspunkte in sich tragen. Fakten, die man nicht ignorieren sollte, wenn man um die Bewahrung dieser, natürlich immer weiter verbesserungswürdigen, aber dennoch hoch freiheitlichen Staatsordnung besorgt ist. Man mag dem Werk zwar offenkundig zunächst unterstellen, sich zu sehr mit Donald Trump und den Ereignissen in Amerika zu beschäftigen (mit seiner doch auch besonderen Ausprägung der Demokratie, des Wahlsystems und der vorhandenen Lücken durch Besetzung der Exekutive und der Jurisdiktion durch einzelne, „mächtige Menschen“), dennoch aber gelingt es den Autoren, nicht in einen allgemeinen Aufschrei emotionaler Empörung zu verfallen, sondern die Ereignisse in Amerika der letzten Monate und Jahre weitgehend als überaus griffiges Beispiel für einen grundlegenden, weltweiten Prozess und eine allgemeine Anfälligkeit der Demokratie als politischer Form aufzudecken. „All dies sollte uns gefeit machen gegen einen Zusammenbruch der Demokratie, wie wir ihn anderswo erlebt haben“ gilt eben nicht unverbrüchlich, so stark die freiheitlichen Kräfte auch einmal gewesen sein mögen. Sondern selbst in einer historisch breiten und robust aufgestellten Demokratie wie in Amerika kann die „demokratische Krise“ vernichtend wirken. Noch vielleicht nicht durchgehend, aber die eindeutigen Vorboten, gerade was die Abwendung von „Fakten“ als Grundlage demokratischer Entscheidungen angeht, sind längst massiv am Horizont zu sehen. Und treten täglich klarer in das ganz reale Leben ein. Konkurrenten werden zu Feinden stilisiert, die freie Presse eingeschränkt oder von der politischen Leitung her ausgehöhlt, als unglaubwürdig erklärt und somit als „Kraft der Kontrolle“ in ihren Grundfesten erschüttert, bis dahin, Ergebnisse von Wahlen nicht anzuerkennen. Wer hätte gedacht, dass einerseits die gewählten Volksvertreter selbst mit aller Macht jene Staatsform bedrohen (und das vorher sogar ankündigen, wie bei Trump geschehen), die sie an die Macht gebracht hat und wer hätte gedacht, dass die „Wähler“, das anscheinend mit Mehrheit, zumindest mit großer und lauter Minderheit, dies so zu wollen scheinen. Der „Tod der Demokratie“ eben nicht durch einen „Staatsstreich“ oder einen „Angriff von außen“, sondern durch innere Kräfte selbst. Was die Autoren in wenigen Absätzen am Beispiel Venezuelas aufzeigen und dies sodann auf die USA verständlich und fundiert übertragen. „Die offene Diktatur ist weltweit nahezu verschwunden“. Aber die „verdeckte Diktatur“ der Oligarchie und der Rücksichtslosigkeit im Blick auf die eigene Position ist als Entwicklung seit nicht geringer Zeit deutlich auf dem Vormarsch. Jemand wie Trump ist dabei also nicht „überraschend neu“ und „singulär“ ein „Phänomen“, sondern das folgerichtige Ergebnis einer seit langem vornaschreitenden Krise der politischen Kräfte. Als ein allmähliches „bewusstes Schwächen“ demokratischer Normen. Detailliert beschreiben die Autoren dabei jene „Normen“ und „Haltelinien“, die Stück für Stück überschritten und ausgehöhlt wurden, wenden den vierstufigen „Test“ für „antidemokratische Einstellungen“ mit eindeutigem Ergebnis auf Trump an, zeigen das Versagen der politischen Parteien auf, ziehen Parallelen zum Europa der 1900er und zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts und kommen zu einem tief besorgniserregenden Ergebnis. Zumindest für jene Leser, denen an der Demokratie und der Freiheit, die diese mit sich bringt, etwas liegt. Ob eine Rückbesinnung erfolgen kann und erfolgen wird, ob die Zeit der Demokratie sich zugunsten eines offen gelebten Systems der Plutokratie und zugleich der Abwendung von demokratischer Kontrolle durch einzelne Personen und den diese wählenden Teil des Volkes beendet oder zumindest stark eingeschränkt wird, diese Frage lässt das Buch, realerweise und ehrlich, offen. Auch wenn die Autoren erkennbar hoffen, dass ihre Erkenntnisse eine Vereinigung der demokratischen Kräfte befördern möge und der konzentrierte Einsatz der Parteien zu einer Stärkung der demokratischen Normen wieder führen könnte. Echte Aussicht auf anhaltende Besserung können die Autoren dem Leser nicht mir auf den Weg geben. Wohl aber eine detaillierte Schilderung der Lage, der Entwicklung, die zu dieser allgemeinen Schwächung der Demokratie führte und die Einsicht darin, was damit alles verloren geht und wofür es sich demgemäß zu kämpfen lohnt. Eine überaus empfehlenswerte Lektüre, vor allem, wenn man das Werk über die konkrete Untersuchung der USA hinaus versteht und die allgemeinen Tendenzen (fast) überall in den Staaten damit als reale Bedrohung der Demokratie einzuordnen versteht.

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